Auf der Website der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotaumatologie ( www.DeGPT.de) steht ein anschaulicher Lehrfilm zu Traumafolgen und ihrer Behandlung zur Verfügung.
Studien zum präventiven Effekt von Psychoedukation wurden bislang nur im Kontext von Sicherheitskräften durchgeführt, hatten allerdings methodische Schwächen, sodass noch keine gesicherte Aussage zu ihrer Wirksamkeit möglich ist (Skeffington et al., 2013).
Psychoedukation wurde in mehreren Ansätzen mit einer Vermittlung von Stressbewältigungskompetenzen kombiniert. Dazu gehören Wahrnehmungstrainings für Körperfunktionen und -reaktionen, zum Beispiel über Biofeedback, für Emotionen und gedankliche Bewertungen (Kognitionen). Diese sollen dabei als integraler Teil der Stressverarbeitung erkannt werden, um in einem zweiten Schritt Mechanismen der Gegenregulation zu erlernen, z. B. ein aktives Entspannungsverfahren. Bewährt haben sich bei traumabezogenem Stress Techniken zur Atementspannung sowie auch imaginative Verfahren, die Entspannung über die Entwicklung von Fantasiebildern zur inneren Sicherheit, Naturbezogenheit etc. ermöglichen (z. B. der „Sichere Ort“, Kap. 3.2).
Ergänzend sind Verfahren des Stress- und Angstmanagements und der Aufmerksamkeits- und Emotionsregulation in der Prävention erprobt worden, daneben auch Kommunikationstrainings und die Erarbeitung von Coping-Strategien. Diese Techniken können in diesem Rahmen nicht detailliert wiedergegeben werden, es wird auf die einschlägigen Lehrbücher der Verhaltenstherapie (z. B. Margraf & Schneider, 2008) verwiesen.
Schutzfaktor soziale Unterstützung
Exemplarisch sei aber auf die Bedeutung sozialer Kontakte für die Prognose nach Traumatisierungen hingewiesen. Eine gute soziale Unterstützung hat sich in zahlreichen Studien als sehr wichtiger Schutzfaktor erwiesen. Maßnahmen, die zu einer Verbesserung dieser Unterstützung beitragen, wie beispielsweise die Entwicklung von Copingund Konfliktbewältigungs-Strategien durch soziales Kompetenztraining, können daher stress-präventiv wirksam sein. An gleicher Stelle setzen auch Angebote an, die die Aufklärung von Angehörigen Traumatisierter verbessern, wie etwa Angehörigen-Hotlines, Angehörigengruppen oder Aufklärungsbroschüren, wie z. B. die der Bundeswehr „Wenn der Einsatz noch nachwirkt“ für Angehörige traumatisierter Soldaten ( www.angriff-auf-die-seele.de/cms/informationen/tipps/401-broschuerewenn-der-einsatz-noch-nachwirkt.html, 17. 2. 2017).
Die Kombination aus Psychoedukation und Stressbewältigungsstrategien wurde an einer Stichprobe von 20 Polizeibeamten in Sarajewo untersucht, von denen die Hälfte ein derartiges Training erhielten, die andere Hälfte als Kontrollgruppe dagegen nur eine Routine-Polizeiausbildung. Die Trainingsgruppe zeigte im Vergleich zur Kontrolle eine signifikante Reduktion von Angst und somatischen Reaktionen auf Stress (Sijaric-Voloder & Capin, 2008).
In zwei weiteren Studien an Polizeikräften wurden Psychoedukation und Stressbewältigungstraining in Kombination mit einer virtuellen Stressexposition durchgeführt und erprobt. Dabei wurden zunächst Informationen vermittelt und Techniken, z. B. Entspannungsverfahren, eingeübt. Anschließend wurden die Teilnehmer einer Computer-basierten Stresssituation ausgesetzt, die dem polizeilichen Berufsbild entsprach. Die trainierten Teilnehmer reagierten im Vergleich zu nicht Trainierten professioneller und mit weniger negativer Stimmung und Stress (Arnetz et al., 2009).
Um die verschiedenen Elemente von Stress- und Traumaprävention in einer standardisierten Form unter Nutzung von Multimedia-Elementen vermitteln zu können, wurde vom psychologischen Dienst der Bundeswehr das Computer-basierte Lern- und Übungsprogramm CHARLY (Chaos Driven Situations Management Retrieval System) entwickelt.
Computer-basierte Primärprävention CHARLY
CHARLY ist für Gruppen von 10 – 30 Soldaten zur Anwendung vor Beginn eines Auslandseinsatzes konzipiert. Jeder Teilnehmer arbeitet an einem eigenen Computer auf einer Plattform, die mit den anderen Anlagen vernetzt ist und auch Vergleiche der Ergebnisse zulässt. Die Bearbeitung dauert anderthalb Tage und wird von einem Psychologen begleitet, der für etwaige Fragen oder Probleme als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Dabei führt ein strukturierter Algorithmus durch verschiedene Themen bereiche, zunächst Psychoedukation zu Stress und Trauma, einschließlich verschiedener Stress-Spiele (Serious Gaming), wobei das erzeugte Anspannungsniveau über eine vegetative Messung (Hautleitfähigkeit, Herzfrequenzvariabilität) angezeigt wird. Im Verlauf kommen ergänzend Informationen und Übungen zu einsatzbezogenen Stressoren und deren Auswirkung dazu (ebenfalls als Stress-Spiele), die Vorstellung verschiedener Entspannungsverfahren sowie soziales Kompetenztraining.
Zwischen 2012 und 2014 wurde eine Studie zur Wirksamkeit von CHARLY bei Bundeswehrsoldaten im Zusammenhang mit einem Auslandseinsatz durchgeführt (Wesemann et al., 2016). Dabei wurden 67 Teilnehmer vor und nach einem Einsatz mit verschiedenen psychometrischen Testverfahren untersucht, unter anderem der Symptom-Checklist-90 (revised) sowie der Posttraumatic Stress Diagnostic Scale (PDS). Konkret erhielten 36 Probanden randomisiert über anderthalb Tage CHARLY, 31 wurden als Kontrolle durch eine Psychologin über den gleichen Zeitraum zum Thema Stress und Stressbewältigung informiert. Bei vergleichbarer Art und Anzahl einsatzbezogener Belastungen waren die Probanden, die CHARLY erhalten hatten, nach dem Einsatz auf den beiden Skalen signifikant weniger belastet als die Kontrollgruppe.
Die gezielte psychologische Prävention von Traumafolgestörungen hat in den psychosozialen Versorgungssystemen noch nicht den Stellenwert der Therapie nach Traumatisierungen erreicht, obwohl in den letzten Jahren eine Reihe von Ansätzen entwickelt und evaluiert wurde. Die bisherigen Forschungsergebnisse sind aufgrund kleiner Fallzahlen und verbesserungswürdiger methodischer Designs eher noch als vorläufig zu bewerten. Es ergaben sich aber vielversprechende Hinweise, dass die Kombination von Psychoedukation und Trainingselementen einen positiven Einfluss auf die Verarbeitungsfähigkeit und Prognose stressexponierter Personengruppen haben könnte, insbesondere, wenn sie standardisiert und multimedia-basiert vermittelt werden.
1.6 Pathogenese und Verlauf trauma-induzierter Störungsbilder
Bei einer psychischen Traumatisierung wird die Entstehung von Beschwerden und Symptomen aus einem prozesshaften Geschehen, d. h. einem Entwicklungsverlauf heraus verstanden.
Das Verlaufsmodell der psychischen Traumatisierung nach Fischer und Riedesser (2009) umfasst einen dreiphasigen Ablauf: Am Anfang steht die „Traumatische Situation“, gefolgt von der „Traumatischen Reaktion“, welche in die Erholungsphase oder aber in den „Traumatischen Prozess“ übergeht.
In diesem Modell werden zudem subjektive und objektive Aspekte der traumatischen Situation systematisch aufeinander bezogen; Symptombilder werden prozesshaft und umwelttheoretisch betrachtet statt überwiegend aus internen Eigenschaften des Symptomträgers heraus.
traumatische Situation
Die traumatische Situation umfasst das traumatische Ereignis selbst sowie die unmittelbar darauf folgende „Schockphase“. Ob ein Ereignis einen traumatischen Charakter annimmt, hängt dabei nicht nur von objektiven Situationsfaktoren, wie beispielsweise der Dauer des Ereignisses, dem Bekanntheitsgrad des Täters oder der mittelbaren vs. unmittelbaren Betroffenheit ab. Auch personengebundene Merkmale wie die aktuelle und überdauernde psychische Disposition, protektive Faktoren (z. B. ein hilfreiches soziales Umfeld, für eine Übersicht biografischer Schutzfaktoren siehe z. B. Egle et al., 1997, siehe Kasten), Risikofaktoren (z. B. Vortraumatisierungen wie z. B. Verlust einer Bindungsperson in der Kindheit, siehe ebenso Egle ebd. und Kasten) sowie der physiologischen Disposition (vgl. Fischer & Riedesser, 2009) spielen eine Rolle (siehe auch Bender & Lösel, 2015).
Читать дальше