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Die Seite meines Handrückens schmerzt.
Sprachen, die stark inkorporieren, heißen inkorporierende Sprachen. Die unterschiedlichen Grundtypen treten praktisch nie in ›reiner‹ Form auf. Es handelt sich um eine Grobklassifizierung mit prototypischen Eigenschaften. Dennoch bilden sie ein ganz gutes Raster, und wenn man sich jeweils eine typische Sprache aus diesen Grundtypen genauer angesehen hat, dann kann einen im Hinblick auf linguistische Strukturen kaum noch eine Sprache überraschen.
11 Welche ist die schwierigste Sprache der Welt?
Wenn man unter ›schwierig‹ versteht, dass etwas viel Kraft, Mühe, große Anstrengung erfordert, und wenn man Mark Twains Ausführungen in seinem Reisebericht Die schreckliche deutsche Sprache folgt, dann ist das Deutsche die am schwersten zu erlernende Sprache. Denn: »Nach meiner Erfahrung braucht man zum Erlernen des Englischen 30 Stunden, des Französischen 30 Tage, des Deutschen 30 Jahre. Entweder reformiere man also diese Sprache, oder man lege sie zu den toten Sprachen, denn nur die Toten haben heutzutage noch Zeit genug, sie zu erlernen« (Twain o.A.: 161).
Ob eine Sprache schwer oder leicht zu erlernen ist, hängt von ihrer Komplexität ab und von den Ausgangsvoraussetzungen. Für jemanden, der Latein gelernt hat, ist es leichter, eine romanische Sprache zu lernen, als für jemanden, der es nicht gelernt hat. Ein Muttersprachler des Dänischen wird das auf dem Dänischen basierende Bokmål, eine der beiden Standardsprachen Norwegens, leichter erlernen als ein Muttersprachler des Tibetischen. Von daher kann man nicht bestimmen, welche die schwierigste Sprache der Welt ist. Aber als Faustregel kann man festhalten: Je stärker eine zu erlernende Sprache von den muttersprachlichen Strukturen abweicht, desto schwieriger ist es, sie zu erlernen.
Es gibt noch einen zweiten Aspekt, der zu berücksichtigen ist: die Komplexität. Eine Sprache, die statt vier Kasus wie das Deutsche (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ) 15 Kasus hat wie das Finnische, ist im Hinblick auf diese Kategorie komplexer, und höhere Komplexität erfordert in der Regel eine erhöhte Lernanstrengung. Allerdings gibt es nicht die komplexeste Sprache, da immer nur einzelne Teilstrukturen komplexer oder weniger komplex sind. Also auch von daher gibt es nicht die schwierigste Sprache der Welt – vielleicht mit einer Ausnahme: das Ithkuil.
Das Ithkuil ist eine von dem Amerikaner John Quijada konstruierte Sprache (s. auch Kap. 18), die linguistisch so komplex ist, dass sie schwer zu erlernen ist. Das Ithkuil verfügt über 65 Konsonanten, 17 Vokale, 13 Diphthonge (wie au) und 7 Töne. Es gibt 81 Kasus, 200 konsonantische Suffixkategorien mit neun Graden, sodass 1800 unterschiedliche Suffixkategorien gebildet werden können. Das Basislexikon besteht aus 16200 Stämmen, die aus 900 Wurzeln abgeleitet sind (1). Im Schriftsystem ist lautliche und morphologische Information kodiert, die Schreibrichtung ist wie bei alten griechischen Inschriften bustrophedonal (von gr. bous ›Ochse‹ und strephein ›wenden‹ = wie der Ochse pflügt), d.h. sie geht von links nach rechts und von rechts nach links. So weit nur einige Punkte.
(1) Ai’tilafxup embuliëqtuqh.
DYN-CTX/ASR/PPS-RCP-‘sprech-NRM/PRX/N/ASO/CST-SIM1/9-IFLSTA-‘land’-IND-NRM/DEL/M/CSL/UNI-MET1/6-INL1/9-IFL
Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache.
[wörtlich: Jede Person im Land sprach die Sprache in gleicher Art zueinander.]
Der feinen Differenzierung und Detaillierung sowie dem logischen Aufbau des Ithkuil liegt die Idee zugrunde, eine Sprache zu konstruieren, die möglichst eindeutig ist und in der Vagheit so weit als möglich ausgeschlossen werden kann: »Natural human languages are notorious for their semantic ambiguity, polysemy (multiple meanings for a given word), semantic vagueness, inexactitude, illogic, redundancy, and overall arbitrariness. Theoretically, it should be possible to design the language to minimize these various characteristics in favor of greater semantic precision, exactitude, and specification of a speaker’s cognitive intent« (Quijada 2011: Introduction 5). Das Ithkuil ist eine formalisierte Sprache auf der Folie linguistischer Prinzipien natürlicher Sprachen. Ob es überhaupt möglich ist, eine ›exakte‹ Sprache zu konstruieren, ist ein Problem, das eine lange Tradition hat (s. hierzu Kap. 99).
Abb. 4: Ornamentalschrift des Ithkuil 4
12 Hat nur der Mensch Sprache?
In dem Science-Fiction-Roman Sternenflut von David Brin werden Delfine genetisch manipuliert (»geliftet«), um in Koexistenz mit den Menschen spezifische Aufgaben übernehmen zu können. Die Delfine beherrschen drei Sprachen: das Primal, die Ursprache der Delfine, eine einfache Sprache, die die Spezies untereinander und in bestimmten Situationen (Gefahr: Hilferufe) ›spricht‹. Das Trinär ist eine Haiku-artige Sprache, deren Symbolhaftigkeit sich einer sachlichen Logik entzieht und die primär in der Kommunikation mit den Menschen angewandt wird, mit entsprechenden Interpretationsproblemen. Das Anglische als die Englisch-Variante der zukünftigen Menschen ist die dritte Sprache, die von den Delfinen allerdings nur rudimentär ›gesprochen‹ wird.
So weit die Fiktion. Doch auch wenn sich die Spezies der Delfine vom Menschen und an Land lebenden Säugetieren stark unterscheidet und folglich die Kommunikationsformen abweichen – Delfine und andere Walarten verfügen über keinen Gesichtsausdruck und mimische Gesten –, so zeigen Untersuchungen (Lilly 1969), dass Delfine über hochfrequente Signale Informationen austauschen und durch ihre Körpersprache Gemütsverfassungen mitteilen. Delfine haben multimodale Imitationsfähigkeiten. Die akustischen Signale, die vom Menschen als Pfeif-, Grunz- und Quietschlaute wahrgenommen werden, dienen zur Koordinierung der Jagd, der Kommunikation beim Paarungsverhalten, zur Abwehr von Feinden etc. Jeder Delfin verfügt über einen Idiolekt und Delfingruppen entwickeln eigene Dialekte. Und Delfine sind wie Schimpansen in der Lage, eine Zeichensprache zu lernen. Bei Experimenten konnte bewiesen werden, dass Delfine bis zu 60 Einzelzeichen erlernen, die sie zu drei Zeichenverbindungen kombinieren können. Ein Delfin ist in der Lage, die Einzelzeichen ›Ball‹, ›Reifen‹, ›holen‹ in der Zeichenfolge ›Ball – holen – Reifen‹ als Befehl ›Hole den Ball und bringe ihn zum Reifen‹ und die Zeichenfolge ›Reifen – holen – Ball‹ als ›Hole den Reifen und bringe ihm zum Ball‹ zu interpretieren. Offensichtlich werden die Zeichensequenzen als eine Handlungsanweisung des Typs ›Bewege das Objekt X zum Zielpunkt Y‹ verstanden. In einer jüngsten Studie konnte bei einem Weißwal erstmals das Nachahmen menschlicher Stimmen nachgewiesen werden. Die um Oktaven tiefer liegenden menschlichen Lautstrukturen erzeugte der Wal »by varying his nasal tract pressure and making concurrent muscular adjustments of the vibrating phonic lips while over-inflating vestibular sacs« (Ridgway et al. 2012: R861).
Neben den Walen sind Schimpansen kleine Sprachkünstler, die nicht nur durch die Fähigkeit des Nüsseknackens und Termitenangelns beeindrucken, sondern vermutlich gerade wegen des Gebrauchs von Werkzeugen auch Sprachfähigkeiten entwickelt haben. Motorisch sind Schimpansen nicht in der Lage zu sprechen, da die Anatomie des Kehlkopfs, der Zunge und des Gaumens nicht zur Artikulation der Sprache geeignet sind. Wie aber Untersuchungen seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts beweisen, sind Schimpansen kognitiv in der Lage, sprachlich, wenn auch nicht lautsprachlich zu kommunizieren. Berühmt ist die Schimpansin Washoe, die in der ›American sign language (ASL)‹ unterrichtet wurde. Washoe erlernte innerhalb von vier Jahren 132 ASL-Zeichen und konnte diese in neue Kontexte sinnvoll einsetzen.
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