Wie § 315c auch, ist § 316 ein eigenhändiges Delikt, so dass eine Zurechnung der Handlung über die Mittäterschaft und die mittelbare Täterschaft gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 und § 25 Abs. 2 nicht möglich ist.
§ 316 ist darüber hinaus ein verhaltensgebundenes Delikt, so dass auch hier nach jetziger BGH -Rechtsprechung eine actio libera in causa nicht möglich ist.
In der Klausur werden Sie § 316 nur prüfen, wenn sie zuvor § 315c angeprüft und verneint haben, so z.B. weil entweder keine konkrete Gefährdung eingetreten ist oder aber diese nicht auf dem alkoholisierten Fahren beruht. Im objektiven Tatbestandist dann das Führen eines Fahrzeuges im Zustand der Fahruntüchtigkeit zu prüfen. Insoweit kann auf die Ausführungen bei § 315c verwiesen werden.
Subjektiv muss der Täter mit Vorsatz handeln, wobei dolus eventualisausreicht.
Beachten Sie, dass gem. § 316 Abs. 2auch die fahrlässige Trunkenheit im Verkehrstrafbar ist. Wie bei § 315c Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 auch, kann sich die Fahrlässigkeit kaum auf das Führen eines Fahrzeuges beziehen. Der Täter handelt vielmehr in Hinblick auf die Fahruntüchtigkeit objektiv sorgfaltspflichtwidrig.
Bezüglich Rechtswidrigkeit und Schuldgelten die allgemeinen, oben schon näher ausgeführten Regeln.
2. Teil Straßenverkehrsdelikte› E. Exkurs: Vollrausch, § 323a
E. Exkurs: Vollrausch, § 323a
2. Teil Straßenverkehrsdelikte› E. Exkurs: Vollrausch, § 323a› I. Überblick
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Sofern Sie in der gutachterlichen Prüfung die Strafbarkeit des Täters z.B. aus §§ 315b ff. verneint haben, weil dieser aufgrund einer alkoholischen Intoxikation gem. § 20 schuldunfähig ist und auch eine Strafbarkeit nach den Grundsätzen der actio libera in causa nicht in Betracht kommt, müssen Sie § 323a, den Vollrausch, prüfen.
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Mit dieser Norm hat der Gesetzgeber das vorsätzliche oder fahrlässige Sich-Berauschen unter Strafe gestellt, sofern in diesem Zustand eine Straftat begangen wird, deretwegen der Täter mangels Schuldfähigkeit nicht bestraft werden kann. § 323a ist somit nach h.M. (näheres zur gegenteiligen Auffassung s. Rn. 87) ein abstraktes Gefährdungsdelikt, welches die Allgemeinheit vor den Gefahren schützt, die sich aus dem Zustand des Vollrausches ergeben, bei welchem dem Täter die Einsichts- oder/und Steuerungsfähigkeit fehlt. Bestraft wird der Täter also nicht wegen der im Rausch begangenen Handlung, sondern wegen der Handlung des Sich-Berauschens, welche zur Schuldunfähigkeit geführt hat.[1]
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Der Vollrausch ist ebenso wie §§ 315c und 316 ein eigenhändiges Delikt, d.h. Täter kann nur derjenige sein, der sich selbst in den Zustand der Schuldunfähigkeit versetzt. Demnach scheiden auch hier eine Mittäterschaft gem. § 25 Abs. 2 und eine mittelbare Täterschaft gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 aus.
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Die im Rausch begangene Straftat, deretwegen der Täter nicht bestraft werden kann, ist nach h.M. eine objektive Bedingung der Strafbarkeit. Für den Aufbau bedeutet dies, dass die Rauschtat nach dem subjektiven Tatbestand zu prüfen ist.
Hinweis
Eine solche objektive Bedingung der Strafbarkeitwird Ihnen evtl. schon bei § 231 (Beteiligung an einer Schlägerei) begegnet sein. Dort setzt der objektive Tatbestand das Beteiligen an einer Schlägerei bzw. das Verüben eines Angriffs voraus. Diesbezüglich muss der Täter auch vorsätzlich gehandelt haben. Nach dem subjektiven Tatbestand prüfen Sie, ob infolge dieser Schlägerei eine schwere Körperverletzung gem. § 226 oder der Tod eines anderen Menschen eingetreten ist.
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Gem. § 323a Abs. 2 richtet sich der Strafrahmendes Vollrausches nach dem Strafrahmen der im Rausch begangenen Tat, sofern diese unter dem Regelstrafrahmen des Abs. 1 liegt. Es ist ein Strafantragerforderlich, sofern die Rauschtat nur auf Antrag verfolgt werden könnte. Dies ergibt sich aus § 323a Abs. 3.
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§ 323a kann sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig verwirklicht werden. Der Aufbau des vorsätzlichen§ 323a sieht wie folgt aus:
Vollrausch, § 323a (Vorsatz)
I. Objektiver Tatbestand
1.Taterfolg: Rausch
Grad der Berauschung Rn. 83
2.Tathandlung: Sichversetzen
Teilnahme Rn. 91
3.Kausalität und objektive Zurechnung
II. Subjektiver Tatbestand
Vorsatz, wobei dolus eventualis ausreicht
III. Objektive Bedingung der Strafbarkeit
Die im Rausch begangene Straftat, deretwegen der Täter gem. § 20 nicht bestraft werden kann
Innere Beziehung zur Tat Rn. 89
IV. Rechtswidrigkeit
V. Schuld
VI. Eventuell Strafantrag gem. § 323a Abs. 3 i.V.m. der Rauschtat
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Sofern der Täter sich nur fahrlässigin einen Rausch versetzt hat, wird dieses Aufbauschema wie folgt abgewandelt:
Vollrausch, § 323a (Fahrlässigkeit)
I. Tatbestand
1.Taterfolg: Rausch
2.Tathandlung: Sichversetzen
3.Fahrlässigkeit: Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bei objektiver Vorhersehbarkeit des Erfolges
4.Kausalität und objektive Zurechnung
II. Objektive Bedingung der Strafbarkeit: Rauschtat
III. Rechtswidrigkeit
IV. Schuld
Subjektiver Fahrlässigkeitsvorwurf
V. Eventuell Strafantrag gem. § 323a Abs. 3 i.V.m. der Rauschtat
2. Teil Straßenverkehrsdelikte› E. Exkurs: Vollrausch, § 323a› II. Tatbestand
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Der Tatbestand des § 323a besteht in einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Sichversetzen in einen Rausch.
1. Sichversetzen in einen Rausch
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Der Täter muss sich durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel, wie z.B. Kokain, Heroin, Opium oder Ecstasy, in einen Rauschzustand versetzt haben.
Rauschist ein auf Intoxikation beruhender Zustand erheblich beeinträchtigter psychischer Fähigkeiten, der jedenfalls vorliegt, wenn sich der Täter in einem Zustand der verminderten Schuldfähigkeit befindet.[2]
Ein solcher Rauschzustandliegt unproblematisch vor, wenn feststeht, dass der Täter gem. § 20 schuldunfähigist. Er liegt zweifelsfrei nicht vor, wenn feststeht, dass ein Zustand gem. §§ 20, 21 ausgeschlossen werden kann. Umstrittenist jedoch, wie solche Fälle zu behandeln sind, bei denen sich im Nachhinein nicht mehr ermitteln lässt,ob der Täter schuldunfähig gem. § 20, vermindert schuldfähig gem. § 21 oder trotz Einnahme berauschender Mittel uneingeschränkt schuldfähig war.
Beispiel
Jurastudent J hat mit seinen Kommilitonen zusammen sein erstes Staatsexamen in seiner Stammkneipe gefeiert. Obwohl er nachweisbar einige Kölsch getrunken hat, setzt er sich an das Steuer seines Fahrzeuges und rammt auf dem Nachhauseweg den am Straßenrand abgestellten Ferrari des F, wodurch ein Schaden in Höhe von 8000 € entsteht.
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