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Die Gegenauffassung würde B in den Schutzbereich des § 315c einbeziehen, anschließend jedoch danach fragen, ob die objektive Zurechnung bejaht werden kann, da B sich in Kenntnis der Gefährdung als Beifahrerin in das Auto gesetzt hat.
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Die Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert muss „durch“die Tathandlung hervorgerufen worden sein. Dies bedeutet wie bei § 315b auch, dass zwischen der Handlung und der konkreten Gefahr Kausalitätbestehen muss und sich darüber hinaus in der konkreten Gefahr das der Handlung innewohnende Gefährlichkeitspotential realisiert haben muss. An der Unmittelbarkeit (objektiven Zurechnung)kann es zum einen bei eigenverantwortlicher Selbstgefährdung des Opfers fehlen, aber auch dann, wenn sich völlig andere Gefahren realisiert haben, als die der Alkoholisierung.
Beispiel
A überredet den volltrunkenen V, dass er sich mit seinem Skateboard an dessen Außenspiegel festhalten darf. Diese besondere Form des „Auto–Skatings“ hat A schon mehrere Male ausgeführt, bislang immer ohne nennenswerte Verletzungen. Dieses Mal kann er sich jedoch, obwohl V ordnungsgemäß nur 20 km/h schnell fährt, nicht mehr ordentlich festhalten, verliert sein Gleichgewicht, schlägt mit dem Kopf auf einen Stein auf und erleidet ein schweres Schädel-Hirn-Trauma.
Hier hat V zwar in verkehrsuntüchtigem Zustand ein Fahrzeug geführt. Darüber hinaus bestand auch eine erhebliche Gefahr für die körperliche Unversehrtheit des A, die sich sogar in der Verletzung des A realisiert hat. Es hat sich jedoch nicht das Risiko des alkoholisierten Fahrens realisiert. Dieses Risiko besteht darin, dass der Täter aufgrund seiner Fahruntüchtigkeit das Fahrzeug nicht mehr sicher beherrschen kann und infolgedessen Gefahren für andere Straßenverkehrsteilnehmer schafft. Eben diese Gefahr hat sich jedoch nicht realisiert, sondern vielmehr eine von A selbst geschaffene Gefahr, welche mit dem Auto–Skaten einherging.
2. Teil Straßenverkehrsdelikte› C. Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c› III. Subjektiver Tatbestand
III. Subjektiver Tatbestand
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Bei § 315c Abs. 1 muss der Täter vorsätzlich hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale handeln, wobei dolus eventualis ausreicht. Auch hier ist zu beachten, dass sich der Vorsatz des Täters nur auf die Gefährdung, nicht jedoch auf eine eventuelle Verletzung der geschützten Tatobjekte beziehen muss.
2. Teil Straßenverkehrsdelikte› C. Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c› IV. Rechtswidrigkeit
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Wie schon bei § 315b erwähnt, ist bei § 315c die rechtfertigende Einwilligungbesonders klausurrelevant. Ein von Ihnen zu diskutierendes Problem ergibt sich immer dann, wenn sich ein Beifahrer in Kenntnis der Alkoholisierung des Fahrers in dessen Fahrzeug setzt und es zu einem „Beinahe–Unfall“ kommt, bei welchem lediglich der Beifahrer konkret gefährdet wird.
Beispiel
Nehmen sie an, dass im obigen Beispielsfall die B den A nicht zu der Trunkenheitsfahrt angestiftet hat, sondern A ihr von sich aus großzügig angeboten hat, sie nach Hause zu fahren. Ohne irgendeinen unterstützenden Kommentar abzugeben, setzt sich B in das Fahrzeug des A, wobei es erneut zu der Beinahe-Kollision mit dem Müllcontainer kommt.
Da B den A hier nicht zur Trunkenheitsfahrt angestiftet hat, ist B ein „anderer Mensch“ im Sinne des § 315c, welcher durch das alkoholisierte Fahren in die konkrete Gefahr eines Schleudertraumas gebracht wurde.
Fraglich ist jedoch zunächst im objektiven Tatbestand, ob die objektive Zurechnung zu bejahen ist. Insofern könnte an eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung der B gedacht werden. Mit der herrschenden Meinung[14] ist diese eigenverantwortliche Selbstgefährdung jedoch abzulehnen. Zwar kannte B die Gefahren, sie besaß jedoch als Beifahrerin keinerlei Tatherrschaft über das Geschehen. Diese Tatherrschaft lag ausschließlich bei A. Die Gegenauffassung[15], sog. Zurechnungslehre, würde hingegen die eigenverantwortliche Selbstgefährdung bejahen, da es nur darauf ankomme, dass das Opfer Risikowissen habe, einverstanden sei mit der riskanten Handlung und somit die Verantwortung für das Geschehen mit übernehme.
Auf der Ebene der Rechtswidrigkeit ist dann zu prüfen, ob A nicht wegen einer rechtfertigenden Einwilligung straflos sein könnte.
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Da sich der Streit im Rahmen der rechtfertigenden Einwilligung bewegt, ist es erforderlich deren Voraussetzungen zu kennen. Sollten Ihnen diese entfallen sein, können Sie die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle das Thema rechtfertigende Einwilligung zu wiederholen.
Nach Auffassung des BGHist eine rechtfertigende Einwilligung bei § 315c nicht möglich, da das geschützte Rechtsgut vor allem die Sicherheit des Straßenverkehrs sei. Damit liege jedoch ein Rechtsgut der Allgemeinheit und insofern kein disponibles Rechtsgut für den Einzelnen vor.[16]
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Eine überwiegend in der Literaturvertretene Auffassung verweist jedoch darauf, dass neben der Sicherheit des Straßenverkehrs auch die Individualrechtsgüter Leib, Leben und Eigentum durch § 315c geschützt werden. Willigt der einzig Gefährdetein die Gefährdung dieser Rechtsgüter ein, so sei dieser Teil des Unrechtsgehaltes der Norm durch eine rechtfertigende Einwilligung kompensiert. Übrig bleibe die Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs. Diese könne jedoch über § 316 erfasst werden.[17]
Beispiel
Im obigen Fall würde der BGH mithin eine rechtfertigende Einwilligung mangels disponiblen Rechtsguts ablehnen. Der überwiegende Teil der Literatur jedoch würde die konkrete Gefährdung für einwilligungsfähig halten, und aus diesem Grund sofern die anderen Voraussetzungen vorliegen (so u.a. Einwilligungsfähigkeit und der Umstand, dass die Einwilligung frei von Täuschung, Drohung oder Zwang zustande gekommen sein muss), eine Strafbarkeit gem. § 315c Abs. 1 verneinen. Sollten Sie sich dieser Auffassung in der Klausur anschließen, so müssten Sie alsdann eine Strafbarkeit gem. § 316 prüfen. Da das geschützte Rechtsgut hier ausschließlich die Sicherheit des Straßenverkehrs ist, kommt eine rechtfertigende Einwilligung nicht in Betracht.
JURIQ-Klausurtipp
Beachten sie, dass diese Problematik nur dann relevant wird, wenn tatsächlich die einzig gefährdete Person der Mitfahrerist. Liegen hingegen darüber hinaus konkrete Gefahren für Verkehrsteilnehmer vor, die sich außerhalb des Fahrzeuges befinden, so ist eine Erörterung des soeben dargestellten Streits überflüssig.
2. Teil Straßenverkehrsdelikte› C. Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c› V. Schuld
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Da es sich um einen „Klausurklassiker“ bei § 315c handelt, sollten Sie an dieser Stelle unbedingt die Gelegenheit nutzen und sich mit der actio libera in causa auseinandersetzen, welche im Skript „Strafrecht AT I“ dargestellt ist.
Wie bereits erwähnt, werden Ihnen in der Klausur häufig Fallgestaltungen begegnen, bei welchen der Täter nicht nur relativ fahruntüchtig ist sondern darüber hinaus auch einen BAK-Wert aufweist, der ihn gem. § 20 schuldunfähig macht. Diese Schuldunfähigkeit wird angenommen ab 3,0 Promille. Diskutiert werden muss in diesen Fallgestaltungen, ob der Täter sich nun gem. § 315c in Verbindung mit den Grundsätzen der actio libera in causastrafbar gemacht haben kann.
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