Beispiele:
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Der Schuldner zahlt nach Erlass des VA; die Forderung ist deshalb erloschen. |
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Der Schuldner rechnet zulässig auf; damit ist die Forderung ebenfalls erloschen. |
Es lassen sich im Wesentlichen zwei Auffassungen unterscheiden[13]: Teilweise wird eine Vollstreckungsgegenklage beim VG nach § 767 ZPO iVm § 173 VwGO für zulässig gehalten[14]. Zu Recht wird jedoch wegen der besonderen Sachnähe der Verwaltungsgerichte überwiegend eine „normale“ Klage nach der VwGO für das richtige Rechtsschutzinstrument erachtet[15]. Die zulässige Klageart ist abhängig davon, gegen welchen „Akt“ sich die Klage wendet:
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Feststellungsklage – Klage auf Feststellung, dass der zu vollstreckende Anspruch nicht mehr besteht; |
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Anfechtungsklage – gegen einzelne Vollstreckungsmaßnahmen; |
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Leistungs- oder Verpflichtungsklage – entweder auf eine die Vollstreckung für unzulässig erklärende Äußerung der Behörde oder auf Widerruf des zugrunde liegenden VA. |
Die überwiegende Ansicht hält die Feststellungsklagefür statthaft[16]
.
Hinweis:
Es sind landesrechtliche Besonderheiten zu beachten; nach Art. 21 BayVwZVG entscheidet die Anordnungsbehörde „über Einwendungen gegen die Vollstreckung, die den zu vollstreckenden Anspruch betreffen“. Die Vollstreckung aus dem VA wird für unzulässig erklärt, wenn die Einwendungen begründet sind. Der Schuldner kann die Unzulässigkeit der Vollstreckung beantragen, wenn er eine Einwendung geltend macht. Wird die Entscheidung abgelehnt, besteht die Möglichkeit, Verpflichtungsklage zu erheben[17].
Teil III Handlungsformen der Verwaltung› § 16 Die Vollstreckung von Verwaltungsakten› III. Die Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen
III. Die Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen
689
In der Klausurpraxisvon weitaus größerer Bedeutung als die Vollstreckung von Geldforderungen ist die Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen. Die Verwaltungsvollstreckungsgesetze kennen drei Zwangsmittel:
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Ersatzvornahme, |
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Zwangsgeld mit subsidiärer Zwangshaft und |
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unmittelbaren Zwang. |
a) Die Ersatzvornahme
aa) Anwendungsbereich
690
Nach § 10 VwVG kann, wenn der Pflichtige die ihm durch VA gebotene Handlung nicht ausführt, die Behörde einen Dritten mit der Vornahme auf Kosten des Pflichtigen beauftragen[18]. Die Ersatzvornahme kommt nur bei vertretbaren Handlungenin Betracht. Diese liegen vor, wenn andere Personen die Handlung durchführen können. Vertretbar ist daher insbes. das Abschleppen eines Pkw[19]. Höchstpersönliche Handlungen scheiden als Fälle der Ersatzvornahme aus.
Beispiele:
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Der Abriss eines Hauses ist eine vertretbare Handlung. Der Abriss des Hauses durch einen von der Behörde beauftragten Bauunternehmer ist rechtlich eine Ersatzvornahme. |
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Das Ableisten der (heute aufgehobenen) Wehrpflicht war eine höchstpersönliche Pflicht. Eine Ersatzvornahme schied daher aus. |
691
Die behördliche Beauftragung des Dritten lässt eine Rechtsbeziehung zwischen dem durch den VA Verpflichteten und dem Dritten nicht entstehen. Der Pflichtige muss lediglich die Ersatzvornahme durch den Dritten dulden; zu dulden hat er ferner alle mit der Ersatzvornahme verbundenen tatsächlichen Handlungen, so zB das Betreten des Grundstücks. § 10 VwVG enthält auch eine Regelung zur Kostentragungbei der Durchführung der Ersatzvornahmen, zB einer Bodensanierung[20] („auf Kosten des Pflichtigen“). Anspruchsinhaber ist die Behörde bzw. der Verwaltungsträger, dem die Behörde angehört. Es lässt die Kostentragung unberührt, wenn während der Durchführung der Ersatzvornahme der Störer auf sein Eigentum verzichtet[21]. Die Anforderung einer Vorauszahlung auf Kosten der Ersatzvornahme ist hingegen keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung[22].
692
Ein Spezialfall der Ersatzvornahme ist die Selbstvornahme durch die Behörde. In diesem Fall beauftragt die Behörde nicht einen Dritten, sondern handelt selbst. Die meisten Landesverwaltungsvollstreckungsgesetze sehen die Einordnung der Selbstvornahme als Ersatzvornahme vor; die für die Verwaltung positive Folge liegt darin, dass sie die Kosten für die Selbstvornahme dem Pflichtigen auferlegen kann[23].
Beispiel:
Die Behörde beauftragt nicht einen Bauunternehmer mit dem Abriss des Hauses, sondern nimmt den Abriss durch Mitarbeiter selbst vor.
b) Das Zwangsgeld und die Zwangshaft
aa) Anwendungsbereich
693
Zwangsgeld und Zwangshaft kommen in zwei Konstellationen in Betracht: In erster Linie erfasst sind unvertretbare Handlungen, die nicht von einem anderen vorgenommen werden können und die nur vom Willen des Pflichtigen abhängen. In solchen Situationen unvertretbarer Handlungensoll auf den Willen des Pflichtigen eingewirkt werden. Darüber hinaus kommt ein Zwangsgeld aber auch bei vertretbaren Handlungenin Betracht. Zwar besteht insoweit ein grundsätzlicher Vorrang der Ersatzvornahme[24]. Nach § 11 Abs. 1 S. 2 VwVG kann ein Zwangsgeld jedoch auch dann verhängt werden, wenn eine eigentlich statthafte Ersatzvornahme „untunlich“ wäre. Das Merkmal der Untunlichkeit ist eng auszulegenund nur dann erfüllt, wenn eine Ersatzvornahme in besonders hohem Maße unangemessen oder unzweckmäßig ist[25]. Als Regelbeispiel benennt § 11 Abs. 1 S. 2 VwVG, dass der Pflichtige außerstande ist, die bei der Ausführung durch einen anderen entstehenden Kosten zu tragen[26]. Gemäß § 11 Abs. 2 VwVG ist das Zwangsgeld schließlich auch dann statthaft, wenn der Pflichtige gegen eine Pflicht zur Duldung oder Unterlassung verstößt.
bb) Grund und Höhe des Zwangsgelds
694
Die Möglichkeit, ein Zwangsgeld gegen einen Pflichtigen anzuordnen, regelt § 11 VwVG. Mit Hilfe dieses Instituts soll der Verpflichtung Nachdruck verliehen werden. Das Zwangsgeld ist ein Beugemittel; es dient der Erzwingung künftigen Verhaltens[27]
. Dieser Charakter des Zwangsgelds bedingt:
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es kann wiederholt und in seiner Höhe gesteigert werden, wenn der Pflichtige nicht nachgibt[28]; |
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es darf nicht vollstreckt werden, wenn der Pflichtige den Anspruch erfüllt; |
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es ist nicht verschuldensabhängig[29]; |
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es ist neben Strafen oder Geldbußen zulässig. |
Die Höhe des Zwangsgeldsrichtet sich im Ausgangspunkt nach § 11 Abs. 3 VwVG und beträgt € 25.000. Teilweise sehen die einschlägigen Landesgesetze einen höheren Rahmen vor[30].
695
Wenn das Zwangsgeld nicht beigetrieben werden kann, ist die Zwangshaft zulässig; die Zwangshaft ist kein selbstständiges Zwangsmittel, sondern eine Steigerung des Zwangsgelds[31]
. § 16 VwVG spricht deshalb von einer „Ersatzzwangshaft“. Ihre Anordnung erfolgt durch den Richter; nach § 16 Abs. 1 VwVG ordnet die Zwangshaft das Verwaltungsgericht an.
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