507
Diese neuen Gesetze machen die Entscheidung über die Freigabe der Information oftmals zum Verwaltungsakt und etablieren damit ein eigenes auf Information gerichtetes Verwaltungsverfahren[76]. In solchen Verfahren werden Akteneinsicht und Geheimnisschutz von reinen verfahrensrechtlichen Vorkehrungen zum eigentlichen Verfahrensinhalt[77]. Da diese selbstständigen Informationsansprüche regelmäßig nicht die Darlegung eines rechtlichen Interesses erfordern[78], verlagert sich die Diskussion naturgemäß auf die Reichweite der Ausschluss- und Einschränkungsgründe[79]. Gegenstand jüngerer gerichtlicher Entscheidungen waren etwa die Ausschlussgründe der öffentlichen Sicherheit nach § 3 Nr. 2 IFG[80], gesellschaftsrechtlich begründeter Vertraulichkeitspflichten nach § 3 Nr. 4 IFG[81], des unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands nach § 7 Abs. 2 S. 1 IFG[82] sowie des aufsichtsrechtlichen Geheimnisses der Finanzbehörden[83]. Zudem wirft die Begrenzung der Ansprüche auf die Verwaltungstätigkeit immer wieder die Abgrenzungsfrage zur Legislative[84] und zur Judikative[85] auf.
g) Beteiligung der anerkannten Umweltvereinigungen
508
Von stetig zunehmender Bedeutung ist die Beteiligung der anerkannten Umweltvereinigungen. Diese sind keine Betroffenen i.S.d. § 13 (s.o. Rn 487), da sie sich nicht auf eigenerechtliche Interessen beruhen können. Auch können sie nicht der Behördenbeteiligung zugerechnet werden, da nicht ihnen, sondern den zuständigen Umweltbehörden die Hauptverantwortung für den betreffenden Umweltbelang zugewiesen wird. Vielmehr handelt es sich um eine Beteiligungsart sui generis, die eigenen Gesetzmäßigkeiten und folglich auch gesonderten gesetzlichen Bestimmungen unterliegt. Im Ausgangspunkt richtet sich die Beteiligung der anerkannten Umweltvereinigungen nach § 63 BNatSchG, wird jedoch durch eine Vielzahl fachrechtlicher Bestimmungen überlagert und ergänzt[86]. Die rechtliche Stellung der anerkannten Umweltvereinigungen ist erheblich durch das Unionsrecht gestärkt worden: Hier folgt aus der völkerrechtlichen Aarhus-Konvention (s.o. Rn 84) und den diese umsetzenden EU-Richtlinien ein Gebot effektiver Verfahrensbeteiligung. Damit standen nach Ansicht des EuGH die zuvor strengen Präklusionsregelungen des innerstaatlichen Rechts nicht in Einklang[87].
3. Die Einhaltung von Formvorschriften
a) Grundsatz der Formfreiheit
509
§ 37 Abs. 2–5 regelt die Art und Weise des Erlasses von VAen und daran geknüpfte Rechtsfolgen. Abs. 2 S. 1 stellt heraus, dass ein VA schriftlich, mündlich, elektronisch oder in anderer Weiseerlassen werden kann. Die Norm geht für den Erlass von VAen von Formenfreiheit aus. Das Tatbestandsmerkmal „in anderer Weise“ erlaubt den konkludenten Erlass eines VA, also durch Zeichen.
Beispiele:
Die Aufforderung eines Polizeibeamten, zur Durchführung einer Verkehrskontrolle an den Straßenrand zu fahren; jedes Verkehrszeichen.
b) Spezialgesetzliche Formvorgaben
510
§ 37 Abs. 2 S. 1 lässt wegen des in § 1 normierten Subsidiaritätsgrundsatzes Rechtsvorschriften für den Erlass eines VA unberührt, die eine bestimmte Form, zB Schriftformoder Urkunde, zwingend vorschreiben. Solche Formvorschriften sind nach wie vor verbreitet, s. zB § 69 Abs. 2 S. 1; § 10 Abs. 7 BImSchG; § 10 BBG(Ernennungsurkunde des Beamten). Landesrecht schreibt ebenfalls häufig die Schriftform vor. Lange Zeit bedurfte insbes. die Baugenehmigung noch der Schriftform[88]. Allerdings befindet sich das Schriftformerfordernis für die Baugenehmigung wegen der zunehmenden Verbreitung elektronischer Kommunikationsformen zunehmend auf dem Rückzug[89]. Auch soweit die Schriftform angeordnet ist, kann sie nach Maßgabe des § 3a Abs. 2 durch die dort aufgeführten elektronischen Formen ersetztwerden[90]. Eine einfache E-Mail genügt indessen nicht dem Schriftformerfordernis.
511
Nach § 37 Abs. 2 S. 2 ist ein mündlicher VA schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dieses unverzüglich verlangt[91]. Ein berechtigtes Interesse an der Bestätigung ist insbes. zu bejahen, wenn der Betroffene die Existenz des VA anderen Stellen gegenüber nachweisen muss. Der Betroffene hat die Bestätigung „unverzüglich“, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, s. § 121 Abs. 1 BGB, zu verlangen. Eine gewisse Überlegungsfrist ist ihm jedoch einzuräumen. Die Bestätigung selbst ist kein VA[92].
c) Die elektronische Form
512
Gemäß § 37 Abs. 2 S. 1kann ein VA bereits seit Längerem in elektronischer Form erlassen werden. Der teilautomatisierteVA, bei dem einzelne Verfahrensschritte in elektronischer Form vorgenommen werden, ist inzwischen in vielen Bereichen bereits Verwaltungsrealität. Mit Wirkung ab dem 1.1.2017 hat zudem der vollautomatisierteVA Eingang in § 35a gefunden[93]. Im Geltungsbereich des VwVfG müssen jedoch zunächst Anwendungsfelder für diesen ermittelt werden (zum Ganzen bereits Rn 411 f)[94].
4. Die Einhaltung des Begründungsgebots
513
Nach § 39 Abs. 1 S. 1 ist ein schriftlicher oder schriftlich bestätigter und elektronisch oder elektronisch bestätigter VA zu begründen. Das Begründungsgebot[95] wurzelt im Verfassungsrecht. Insbes. erfordert das in Art. 19 Abs. 4 GGverankerte Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass der Bürger durch die Angabe von Gründen, die die Behörde zur Entscheidung bewogen haben, in die Lage versetzt wird, die Erfolgsaussichten eines möglichen Rechtsbehelfs zu erkennen[96]. Ferner hat die Begründung eine Klarstellungs- und Dokumentationsfunktion; diese Funktionen dienen zugleich der Eigenkontrolle der Verwaltung.
514
Wenn ein zu begründender VA begründungslos ergeht, liegt an sich ein materiell-rechtlicher Fehler – Verstoß gegen das Verfassungsrecht – vor. Rechtsprechung und Literatur betrachten diesen Fehler freilich als Verfahrens- oder Formfehler; die Terminologie ist uneinheitlich[97]
. Diese Tradition mit Blick auf die Zuordnung eines Begründungsfehlers wird hier beibehalten; der Bedeutung der Begründung entsprechend sollte sie als spezieller Punkt (neben den Form- und Verfahrensvorschriften) behandelt werden. Probleme mit Blick auf die Begründung ergeben sich in zweierlei Hinsicht: zum einen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Begründung, zum anderen hinsichtlich des gebotenen Inhalts. § 39 sowie einige Spezialnormen, § 73 VwGO, § 10 Abs. 7 BImSchG, beantworten diese Fragen nur bedingt. § 39 geht davon aus, dass schriftliche Entscheidungen zu begründen sind, Ausnahmen vom Begründungsgebot gesetzlich bestimmt sein müssen und ihrerseits der Begründung bedürfen. Es gibt demnach keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, nur dasjenige sei begründungsbedürftig, was nicht „ohnehin klar“ genannt werden könne[98].
b) Ausnahmen vom Begründungsgebot
515
Aus dem Gesamtzusammenhang des § 39 ergibt sich, dass jeder schriftliche oder schriftlich bestätigte VA zu begründen ist; auch der begünstigende VA ist zu begründen, wenn die Behörde einem Antrag nicht in vollem Umfang entspricht oder in Rechte eines Dritten eingreift, Umkehrschluss aus § 39 Abs. 2 Nr 1. Eine Ausnahme vom Begründungsgebot ergibt sich aus § 39 Abs. 2 Nr 2 insoweit, als demjenigen, für den der VA bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist; Besprechungen in einem Verwaltungsverfahren können nur bei gleich bleibender Sachlage zu einer die Begründung erübrigenden Ermessensentscheidung führen[99].
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