446
§ 41 Abs. 2a ermöglicht seit dem 1.1.2017 auch die Bekanntgabe durch Abruf über öffentlich zugängliche Netze. Diese Neuregelung ist allerdings nur einschlägig bei einem tatsächlichen Abruf; die bloße Abruf möglichkeit genügt also nicht. Darüber hinaus muss die Einwilligung des Beteiligten vorliegen, und der VA muss speicherbar sein. Diesen Anforderungen genügen Systeme mit reiner Lesefunktion nicht[256]. Vom Abruf nach § 41 Abs. 2a zu unterscheiden und nach den allgemeinen Anforderungen des § 41 Abs. 1 zu bewerten ist die Konstellation, dass die Kommunikation über ein Benutzerkonto erfolgen soll, zu dem der Betroffene einen ausschließlichen Zugang hat[257]
. Die stetig zunehmende Ausweitung der „modernen“ Bekanntgabemöglichkeiten hat zur Folge, dass die zuständige Behörde im Rahmens ihres Verfahrensermessens die Vor- und Nachteile der einzelnen Bekanntmachungsformen abzuwägen hat[258].
b) Die öffentliche Bekanntgabe
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§ 41 Abs. 3 sieht die öffentliche Bekanntgabevon VAen in zwei Fällen vor: bei Zulassung durch Rechtsvorschrift und bei Allgemeinverfügungen, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Die öffentliche Bekanntgabe kann erfolgen durch Radio, Fernsehen, Presse, Lautsprecher.
Beispiele:
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Bekanntgabe eines Planfeststellungsbeschlusses in der Lokalzeitung; |
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die durch Lautsprecher erfolgende Bekanntgabe der Auflösung einer Versammlung. |
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Rechtsvorschriften, die die öffentliche Bekanntgabe erlauben, sind zB § 74 Abs. 5 oder § 10 Abs. 8 BImSchG[259]. Untunlichist die Bekanntgabe einer Allgemeinverfügung an die Beteiligten, wenn der Kreis der Beteiligten nicht von vornherein feststeht oder aus einer erheblichen Anzahl von Personen besteht. Bei adressatenlosen VAen ist die öffentliche Bekanntgabe sogar die einzig mögliche Form[260]. Der Grund für die öffentliche Bekanntgabe muss sich aus der Schwierigkeit oder Unmöglichkeit einer Einzelbekanntgabe ergeben. Unzulässig ist die Form der öffentlichen Bekanntgabe also immer dann, wenn sich die Behörde die Einzelbekanntmachung ersparen möchte.
c) Die Bekanntgabe von Verkehrszeichen
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§ 45 Abs. 4 StVO verdrängt als bundesrechtliche Spezialvorschrift die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen über die öffentliche Bekanntgabe von Allgemeinverfügungen (zur Einordnung der Verkehrszeichen als Allgemeinverfügung s.o. Rn 360)[261]. Damit erlangt ein Verkehrsschild mit der Aufstellung zunächst (äußere) Wirksamkeit[262]. Die gleichzeitige Einordnung der Aufstellung von Verkehrszeichen als besondere Form der öffentlichen Bekanntmachung durch das BVerwG[263] hat sodann zur – keineswegs fernliegenden – Schlussfolgerung geführt, dass mit dem Aufstellen die Widerspruchs- bzw. Anfechtungsfrist in Gang gesetzt wird[264]. Nach einem berechtigten Hinweis des BVerfG, dass eine solche Auslegung nur schwerlich mit Art. 19 Abs. 4 GG in Einklang zu bringen ist[265], hat das BVerwG „klargestellt“[266], dass die Frist erst mit der erstmaligen Annäherung eines Verkehrsteilnehmers an das Verkehrszeichenbeginnt[267]. Bei Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr gelten jedoch weniger strenge Anforderungen an die Wahrnehmbarkeit als für den fließenden Verkehr: Hier erachtet das BVerwG eine einfache Umschau nach dem Abstellen des Fahrzeugs als zumutbar[268]
.
d) Die Zustellung als „formalisierte“ Bekanntgabe
450
Eine spezielle Form der Bekanntgabe ist die Zustellung. Sie ist im Verwaltungszustellungsgesetzdes Bundes[269] bzw in entsprechenden Landesgesetzen geregelt. Die Zustellung besteht in einer besonderen Übergabe des Schriftstücks; die Übergabe wird beurkundet. Die Urkunde soll den Zeitpunkt der Bekanntgabe zweifelsfrei festhalten. Als geeignete Zustellungsarten sieht das Gesetz die Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde oder per Einschreiben vor. Wegen der strengen Formanforderungen reicht hier ein „Einwurf-Einschreiben“ nicht aus[270]. Auch kommt die Zustellung durch die Behörde selbst gegen Empfangsbestätigung in Betracht. Die Zustellung kann in zwei Konstellationenzur Anwendung kommen: Die Bekanntgabe eines VA in Form der Zustellung ist vorzunehmen bei ihrer gesetzlichen Anordnung. Dies ist durch § 73 Abs. 3 S. 1 VwGO für Widerspruchsbescheide vorgesehen[271]. Die Zustellung kommt darüber hinaus auch dann in Betracht, wenn die Behörde sie anordnet (vgl. § 1 Abs. 2 VwZG).
3. Die fehlerhafte Bekanntgabe
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Wenn die Behörde eine wirksame Regelung erzielen will, muss sie den VA fehlerfrei bekannt geben. Fehlerhaft ist die Bekanntgabe eines VA insbes.[272] dann, wenn der VA nicht in den Rechtskreis des Adressaten gelangt bzw dieser keine Möglichkeit einer Kenntnisnahme hat.
Beispiel:
Ein Brief bleibt in einem nicht mehr benutzten Briefkasten liegen, fehlgeschlagene Weitergabe durch Nachbarn, Hausbewohner.
452
Ein fehlerhaft bekannt gegebener VA ist unwirksam[273]. Wenn die Behörde eine wirksame Regelung erzielen will, muss sie den VA fehlerfrei bekannt geben. Eine „Heilung“ der fehlerhaften Bekanntgabe sehen die Gesetze nicht vor. Richterrechtlich existieren Heilungsmöglichkeiten[274].
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Lösung Fall 12 ( Rn 435):
Nach § 43 Abs. 1 S. 1 wird ein VA wirksam durch Bekanntgabe. Nach § 41 Abs. 2 gilt ein schriftlicher VA, der durch die Post übermittelt wird, mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Fiktion der Bekanntgabe entfällt, wenn der VA nicht in den Rechtskreis des Adressaten gelangt, § 41 Abs. 2 S. 3. Das ist hier wegen der falschen Adresse gegeben. Die Gewerbeuntersagung ist nicht wirksam.
Teil III Handlungsformen der Verwaltung› § 12 Der Verwaltungsakt: Wesensmerkmale und Vorkommen› VII. Die Wirksamkeit des Verwaltungsakts
VII. Die Wirksamkeit des Verwaltungsakts
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Fall 13:
Der in Berlin-Spandau wohnhafte A beantragt die Genehmigung für die Bebauung eines Grundstücks. Er erhält die Baugenehmigung am 1.4.2014. A verstirbt 2015. Sein Sohn S ist Alleinerbe. Er möchte das Grundstück ebenfalls bebauen. Der Beginn der Arbeiten verzögert sich bis zum Jahr 2019. Als A die Baugrube ausheben lässt, untersagt ihm die zuständige Behörde die weiteren Arbeiten und ordnet die Beseitigung an. Mit Recht? Rn 463
1. Beginn der Wirksamkeit
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Mit der Bekanntgabe des VAan den Adressaten oder einen andern Betroffenen wird der VA rechtlich existent und erlangt zugleich äußere Wirksamkeit gegenüber diesen (s.o. Rn 438). Diese äußere Wirksamkeit betrifft die Rechtsbeständigkeit des VA unabhängig von seinem Inhalt. Innere Wirksamkeit des VA bedeutet demgegenüber, dass sich die in der Regelung vorgesehenen Rechtswirkungen entfalten. Innere und äußere Wirksamkeit eines VA treten grundsätzlich gleichzeitig ein. Beide Formen von Wirksamkeit können aber auch auseinander fallen. Der wichtigste Fall eines VA, dem die innere Wirksamkeit fehlt, ist die Nichtigkeit nach § 43 Abs. 3 (s.o. Rn 439). Die Nichtigkeit eines VA nach § 44 wird an späterer Stelle behandelt (s.u. Rn 546 ff). Bereits an dieser Stelle sei jedoch auf ein weiteres Spezifikum des VA hingewiesen: Denn nicht jeder Fehler beim Erlass eines VA führt zu dessen Nichtigkeit. Vielmehr muss zugleich ein Nichtigkeitsgrundvorliegen. Ansonsten, also wenn ein rechtlich relevanter Fehler nicht zur Nichtigkeit führt, bleibt der VA wirksam und kann insbes. trotz der schlichten Rechtswidrigkeit Bestandskraft erlangen.
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