427
Im zweiten Fall ist das Beifügen einer Nebenbestimmung erlaubt, wenn sie sicherstellensoll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des VA erfüllt werden. Dieser Fall wird dann relevant, wenn im Zeitpunkt des Erlasses des VA unsicher ist, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden; das Beifügen der Nebenbestimmung ist das mildere Mittel im Verhältnis zur Ablehnung des VA[229].
428
Ein Anspruch auf den Erlass eines VA mit Nebenbestimmung besteht grundsätzlich nicht[230]. Es liegt vielmehr im Ermessen der Behörde, ob sie in dieser Weise entscheidet oder den Erlass des VA ablehnt. Wenn die Behörde dann, wenn die Voraussetzungen für den Erlass eines VA vorliegen, befürchtet, dass in der Zukunft die Voraussetzungen entfallen könnten, muss sie gleichwohl den VA ohne Nebenbestimmung erlassen[231]. Auch darf in solchen Fällen der VA nicht mit dem Vorbehalt eines Widerrufs für den Fall versehen werden, dass die Voraussetzungen künftig wegfallen[232]
.
c) Die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bei Ermessensverwaltungsakten
429
Bei Ermessensverwaltungsakten ist das Beifügen einer Nebenbestimmung in der Regel möglich. Die Zulässigkeit dieses Vorgehens ergibt sich aus Folgendem: Wenn die Behörde Freiheit besitzt, den VA überhaupt zu erlassen, muss sie auch frei sein, den VA mit einer Nebenbestimmung zu versehen. Allerdings muss das Ermessenzur Festlegung einer Nebenbestimmung fehlerfrei ausgeübtwerden (s.o. Rn 210 ff), und gemäß § 36 Abs. 3 darf eine Nebenbestimmung dem Zweck des VA nicht zuwiderlaufen. So wäre es etwa ermessensfehlerhaft, wenn eine Behörde ohne Berücksichtigung der Einzelfallumstände gleichsam „auf Vorrat“ in jeden VA einen Widerrufsvorbehalt einbauen würde; denn auf diese Weise könnte der Vertrauensschutz bei begünstigenden VAen nivelliert werden[233].
5. Die nachträgliche Beifügung einer Nebenbestimmung
430
Die nachträgliche Hinzufügung einer Auflage ist dann erlaubt, wenn dem VA ein Auflagenvorbehaltbeigefügt war (s.o. Rn 423)[234]. Bedingung, Befristung und Widerrufsvorbehalt können nachträglich hinzugefügt werden, wenn dieses ausdrücklich gesetzlich gestattetist[235]. So können etwa nach § 5 Abs. 1 GastG dem Inhaber einer Gaststättenerlaubnis Auflagen zum Schutz der dort genannten Zwecke erteilt werden. Aus der Formulierung „jederzeit“ ist abzuleiten, dass diese Auflagen auch nachträglich erfolgen können[236]. Im Übrigenhandelt es sich bei der nachträglichen Anordnung einer Nebenbestimmung der Sache nach um eine Teilaufhebungdes ursprünglichen VA. Dafür bedarf es einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Eine solche kann in §§ 48 f gesehen werden. Denn wenn und soweit diese zu einer vollständigen Aufhebung eines VA berechtigen, muss dies erst recht für eine Teilaufhebung gelten (dazu ausf. § 15)[237].
6. Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen
431
Die Unterscheidung zwischen Bedingung und Auflage war nach früher hMaus Rechtsschutzgründen bedeutsam. Die Bedingung war nicht selbstständig angreifbar, die Auflage als VA konnte eigenständig angefochten werden[238]. Ob im Zweifel eine Bedingung oder eine Auflage gegeben ist, musste durch Auslegung entschieden werden. Maßgebend war der objektive Erklärungsinhalt[239].
432
Das BVerwG[240], ihm folgend die untergerichtliche Rechtsprechung[241] und zum Teil die Literatur[242] haben diese Auffassung aufgegeben und sind nunmehr der Ansicht, dass für die Anfechtbarkeit einer Nebenbestimmung ihre Rechtsnatur irrelevant sei, weil eine isolierte Anfechtungsklage gegen jede Nebenbestimmung zulässigist. Diese Auffassung, die auf den ersten Blick eine starke Problemreduzierung ermöglicht, ist indessen nicht vollkommen erfreulich, weil es Situationen gibt, die eine isolierte Anfechtung einer Nebenbestimmung als sinnlos erscheinen lassen: Wenn zB Haupt-VA und Nebenbestimmung untrennbar miteinander verbunden sind[243]. Ferner gibt es Probleme mit Blick auf die Begründetheit der Klage, auf die hier aus Gründen der Zielsetzung des Buchs nicht eingegangen wird.
433
Lösung zu Fall 10 ( Rn 413):
Die Einbürgerung erfolgt nach §§ 8 Abs. 1, 16 Abs. 1 StAG durch Aushändigung einer Urkunde. Inhaltliche Beschränkungen sieht das Einbürgerungsrecht nicht vor. Sie können deshalb nicht in Form von Nebenbestimmungen in die Urkunde aufgenommen werden. Die Einbürgerung ist also nebenbestimmungsfeindlich. Ferner verstößt die Pflicht zur Wahl eines bestimmten Wohnsitzes gegen Art. 11 Abs. 1 GG, die Pflicht zur Änderung des Vornamens gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches Art. 2 Abs. 1 GG schützt.
434
Lösung zu Fall 11 ( Rn 414):
Es soll sich bei der Untersagung der Aufnahme eines selbstständigen Gewerbebetriebs um eine modifizierende Auflage handeln (VGH Kassel, DÖV 1978, 137). Die Rechtsfigur „modifizierende Auflage“ ist abzulehnen. Der Sache nach handelt es sich um eine einschränkende Regelung im Verhältnis zur beantragten Erlaubnis.
Teil III Handlungsformen der Verwaltung› § 12 Der Verwaltungsakt: Wesensmerkmale und Vorkommen› VI. Die Bekanntgabe des Verwaltungsakts
VI. Die Bekanntgabe des Verwaltungsakts
435
Fall 12:
A hat bis zum 31.3. in der Bleibtreustraße 4 gewohnt und ist dann in die Meinekestraße 20 verzogen. Das Gewerbeaufsichtsamt, welchem die Adressenänderung entgangen ist, untersagt A am 1.5. in einem an die alte Adresse gerichteten Schreiben die Gewerbeausübung. Nachmieter des A ist B; dieser wirft den Brief in die Mülltonne. Ist die Gewerbeuntersagung wirksam geworden? Rn 453
1. Die Bedeutung der Bekanntgabe
436
Die behördenintern getroffene Entscheidung muss wirksam werden: Das ist der Sinn eines VA, er soll schon definitionsgemäß Außenwirkung entfalten. § 43 Abs. 1 S. 1 stellt dazu fest, dass ein VA gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Die Bekanntgabe zählt zu den Essentialen eines VA und verfügt zugleich über ein rechtsstaatliches Fundament[244]
. Die Modalitäten der Bekanntgabe regelt § 41. Die Bedeutung der Bekanntgabe liegt in einem Doppelten: Durch die Bekanntmachung erlangt der VA zum einem rechtliche Existenz[245] und damit Wirksamkeit (es sei denn, er ist nichtig, § 43 Abs. 3). Zum anderen beendet die Bekanntgabe des VA das Verwaltungsverfahren, welches auf die Erzeugung dieses VA ausgerichtet war.
a) Rechtliche Existenz und Wirksamkeit des Verwaltungsakts
437
Voraussetzung für die Wirksamkeit von Staatsakten (ganz allgemein verstanden: VAe, Gesetze, Satzungen etc) ist immer, dass sie das Internum des Staats verlassen und in die Öffentlichkeit gelangen. Dieses gilt auch für den VA; dieser wird erst wirksam, wenn er dem Betroffenen bewusst zugänglich gemachtwird. Es gibt keine wirksamen „geheimen“ Gesetze, Staatsverträge, VAe usw. Gesetze müssen zu ihrer Wirksamkeit im Bundesgesetzblatt, s. Art. 82 Abs. 1 GG, verkündet werden, für Landesgesetze gilt Gleiches (s. zB Art. 46 Abs. 2 VerfBln). Völkerrechtliche Verträge bedürfen der Zustimmung durch Bundesgesetz, welches zu verkünden ist, und zwar im BGBl. II, s. Art. 59 Abs. 2 GG. Auch VAe bedürfen der Bekanntmachung, § 43 Abs. 1 S. 1. Bedingung dafür, dass etwas wirksam wird, ist seine Existenz. Durch die Bekanntgabe wird der VA existent. Vor der Bekanntgabe existiert das, was später ein VA ist, noch nicht als VA, sondern lediglich als eine behördeninterne unverbindliche Entscheidung[246].
Читать дальше