362
Zunächst ist zu unterscheiden zwischen begünstigenden und belastenden Verwaltungsakten. Diese Unterscheidung setzt an der Rechtswirkung des VA für den betroffenen Adressaten an. Sie ist Folge des Umstands, dass es eine Leistungs- und eine Eingriffsverwaltung gibt. Es gibt deshalb auch begünstigendes und belastendes Verwaltungsrecht und damit es umsetzende VAe mit diesen differenten Wirkungen.
a) Begünstigende Verwaltungsakte
363
Der begünstigende VA ist in § 48 Abs. 1 S. 2 legaldefiniert: ein VA, „der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigthat“. Ein „Recht“ iSd Legaldefinition ist die Begründung oder Bestätigung einer „Rechtsposition“, die für den Inhaber mit Ansprüchen verbunden ist. Ein begünstigender VA wird oftmals, wenn auch nicht notwendig, als „Genehmigung“ bezeichnet[126].
Beispiele:
Die Erteilung einer Baugenehmigung; die Bewilligung von „BAföG“; die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage nach §§ 4 Abs. 1, 6 BImSchG; die Eintragung in die Handwerksrolle, §§ 6, 1 Abs. 1 HandwO; die Ernennung zum Beamten; die Einbürgerung eines Ausländers, § 8 StAG.
364
„Rechtlich erheblicher Vorteil“ist jedes von der Rechtsordnung als schutzwürdig anerkannte Individualinteresse. Maßgeblich sind für die Anerkennung die Wertungen der Rechtsordnung. Diese können im Zweifelsfall anhand der Einschätzung der Interessenlage durch den einzelnen Betroffenen zu ergänzen sein. Allerdings enthalten Geldforderungsbescheide, die irrtümlich zB zu geringe Gebühren oder Steuern festsetzen, nichtdie begünstigende Aussage, ein höherer Geldbetrag werde nicht gefordert[127]
.
Beispiele für rechtlich erhebliche Vorteile:
Vorteile wirtschaftlicher Natur; die Änderung eines Straßennamens unter Berücksichtigung von Anliegerinteressen[128]; allgemein jede Rechtswirkung, an deren Aufrechterhaltung der von einem VA Betroffene ein schutzwürdiges Interesse hat.
b) Belastende Verwaltungsakte
365
Der belastende VA ist nicht legaldefiniert. Man versteht unter ihm jede für einen Betroffenen nachteiligeRegelung. Der Nachteil kann sowohl in einem Rechtseingriff als auch in der Verweigerung einer Begünstigung bestehen.
Beispiele:
Jedes denkbare Ge- oder Verbot wie ein Abrissgebot oder eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO; jede Verweigerung wie die Ablehnung von Erlaubnissen, Genehmigungen oder Bewilligungen wie zB die Ablehnung eines Bauantrags oder die Eintragung in die Handwerksrolle.
c) Zusammentreffen beider Wirkungen
366
Begünstigende und belastende Wirkungen können in einem VA zusammentreffen. Insoweit sind zwei Fälle zu unterscheiden: Beide Wirkungen treten in einer Person ein, die Wirkungen zeigen sich bei verschiedenen Personen.
Für den ersten Fall – beide Wirkungen in einer Person– zwei unterschiedliche
Beispiele:
A erhält eine Baugenehmigung, diese ist damit verbunden, eine bestimmte Summe Geld als naturschutzrechtliche Ersatzzahlung zu entrichten, s. § 15 Abs. 6 BNatSchG (Sa. I Nr 880)[129] sowie Landesrecht; B beantragt Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen nach § 34 SGB XII in Höhe von € 100, erhält aber nur € 50.
In beiden Beispielsfällen wird der Antragsteller begünstigt (Baugenehmigung, Hilfe); im ersten Beispielsfall ist das Erlangte mit einer Rechtspflicht belastet, im zweiten Fall entspricht das Erlangte nicht vollständig dem Beantragten, darin ist die Belastung zu sehen. Solche Verwaltungsakte mit begünstigender und belastender Wirkung gegenüber dem Adressaten werden als VAe mit Doppelwirkungbezeichnet[130].
367
Treten die beiden Wirkungen bei verschiedenen Personen ein, so werden solche Regelungen in Anlehnung an die Bestimmung der §§ 80, 80a VwGO zwar teilweise ebenfalls als VAe mit Doppelwirkung bezeichnet[131]. Allerdings erscheint die Bezeichnung als VA mit Drittwirkungvorzugswürdig, da sie deutlicher zum Ausdruck bringt, dass die Wirkungen bei verschiedenen Personen eintreten[132]. Für den VA mit Drittwirkung sind ebenfalls zwei Varianten zu unterscheiden: Nach der ersten Variante tritt die Begünstigung beim Adressatenein, die Belastung bei anderen:
Beispiel:
A erhält die Genehmigung für den Bau eines zehngeschossigen Hochhauses, seinen Nachbarn wird die Sonne fehlen.
368
Nach der zweiten Variante tritt die Belastung beim Adressatenein, die Begünstigung bei anderen:
Beispiel:
A wird verpflichtet, sein Hochhaus abzureißen, die Sonne kann wieder die Nachbargärten bescheinen.
2. Unterscheidung nach dem Regelungsinhalt
369
Zudem ist zwischen befehlenden, gestaltenden und feststellenden VAen zu unterscheiden. Diese Differenzierung ist am Regelungsinhalt orientiert. Relevant wird sie insbes. im Rahmen des Vollstreckungsrechts. Denn lediglich befehlende VAe sind vollstreckungsfähig.
Beispiele:
Eine Abrissverfügung bedarf der Vollstreckung, wenn der Adressat der Verfügung dem Gebot nicht freiwillig nachkommt. Mit der Einbürgerung eines Ausländers ist der Vorgang „Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit“ hingegen abgeschlossen; Zwangsmaßnahmen seitens der zuständigen Behörde sind in diesem Zusammenhang nicht vorstellbar.
a) Befehlende Verwaltungsakte
370
Jeder belastende VA, der einen Befehl – Verpflichtung zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen– enthält, ist vollstreckungsfähig und dann vollstreckungsbedürftig, wenn der Adressat die Ausführung des Befehls verweigert. Befehlende VAe sind das typische Handlungsmittel der Eingriffsverwaltung.
Beispiele:
• |
Verfügungen der Ordnungsverwaltung (zB Platzverweisung, Abrissverfügung); |
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Abgaben(Steuer-, Gebühren- und Beitrags-)bescheide. |
371
Nicht vollstreckungsfähigsind belastende VAe, die eine Vergünstigung verweigern, zB die Versagung einer Subvention oder die Nichtversetzung in die nächsthöhere Klasse. Denn sie enthalten gerade keinen Befehl. Nimmt ein Schüler trotz Nichtversetzung am Unterricht der nächsthöheren Klasse teil, so handelt er ohne Rechtsgrund – deshalb kann er vom Unterricht insoweit ausgeschlossen werden.
b) Gestaltende Verwaltungsakte
372
Nicht vollstreckungsfähig sind sog. gestaltende VAe. Wie wir oben sahen, besteht die Wirkung eines VA darin, ein Rechtsverhältnis zu begründen, zu ändern oder aufzuheben. Dieses geschieht idR durch begünstigende oder belastende Verfügungen. Es gibt indes auch Verfügungen, bei denen die Rechtsänderung von selbst eintritt. Dieses sind die gestaltenden VAe ieS[133]. Solche gestaltenden VAe bedürfen keiner Vollstreckung, da sie sich praktisch selbst vollstrecken.
Beispiele:
• |
die Beamtenernennung; |
• |
die Versetzung eines Beamten oder Richters in den Ruhestand[134]; |
• |
die Einbürgerung; |
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die Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG, welche die Rechtsstellung eines Ehegatten als Spätaussiedler feststellt[135] . |
373
Bei den ieS gestaltenden VAen sind mit Blick auf das Rechtsgebiet, auf dem der VA seine Wirkung entfaltet, zwei Fälle zu trennen: VAe mit Wirkung auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts – dieses ist der Normalfall – und VAe mit Wirkung auf dem Gebiete des Privatrechts – dieses ist ein Sonderfall, man bezeichnet ihn als privatrechtsgestaltendenVA.
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