5. Die verschiedenen Typen von Landesverwaltungsverfahrensgesetzen
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Es sind insgesamt drei Typen von LandesVwVfGen zu unterscheiden. Die meisten Bundesländer haben ein eigenes, vollständig ausformuliertes Landes-VwVfGerlassen. Dem Inhalt nach entsprechen sie jedoch zumindest weitestgehend dem VwVfG des Bundes.
111
Berlin, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt haben einen zweiten Typ von VwVfG erzeugt. Ihn charakterisiert, dass auf das Bundesgesetz verwiesenwird; eine eigenständige Regelung findet sich grundsätzlich nur für den Anwendungsbereich des Landesgesetzes. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung erklärt, dass für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden Berlins das VwVfG vom 23.1.2003 (also das Bundesgesetz) in der jeweils geltenden Fassung entsprechend gilt, soweit nicht in den §§ 2–6 dieses Gesetzes (also des Berliner Gesetzes) etwas anderes bestimmt wird. § 2 VwVfG Bln enthält dann Ausnahmen von seinem Anwendungsbereich, in den folgenden Normen finden sich Modifikationen des VwVfG des Bundes.
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Eine besondere Rolle nimmt das Land Schleswig-Holsteinein. Schleswig-Holstein hat bereits vor Inkraftreten des VwVfG des Bundes ein eigenes Landesverwaltungsgesetz erlassen, das über Regelungen zum Verwaltungsverfahren hinaus insbes. auch Bestimmungen zum Behördenaufbau enthält. In Mecklenburg-Vorpommernsowie in Sachsenenthalten die einschlägigen Gesetze über das Verwaltungsverfahren auch Bestimmungen zur Verwaltungszustellung und zur Verwaltungsvollstreckung (Mecklenburg-Vorpommern) bzw. zur Verwaltungszustellung (Sachsen). Zum eigentlichen Verwaltungsverfahren hat sich der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern für eine Vollregelung entschieden, der sächsische Gesetzgeber für eine Verweisung.
6. Fortentwicklung des VwVfG
113
Das VwVfG hat verschiedene Entwicklungsstufen durchlaufen[60]. Unabhängig von den Einzelheiten, die an dieser Stelle nicht erörtert werden sollen, lassen sich dabei mehrere Entwicklungslinien beobachten. Die erste betrifft das Verhältnis des VwVfG zu spezialgesetzlichen Verfahrensregelungen, das eine sehr wechselhafte Geschichte durchlebt hat. Möchte man hier der Rechtsvereinheitlichungswirkung des VwVfG als „Grundgesetz der Verwaltung“ Rechnung tragen, so sollten spezialgesetzliche Regelungen die begründete Ausnahme bilden[61]. Weitere Entwicklungslinien beziehen sich auf die zunehmende Europäisierung und Digitalisierung des Verwaltungsverfahrens(s.o. Rn 62). Den jüngsten Schritt in dieser Entwicklung bildet die Anerkennung eines vollautomatisierten Verwaltungsakts in § 35a VwVfG (ausf. Rn 412)[62]. Schließlich besteht nach wie vor im Recht des öffentlich-rechtlichen Vertrags Reformbedarf[63].
Ausbildungsliteratur:
v. Danwitz , Rechtsverordnungen, JURA 2002, 93; Ehlers , Der Anwendungsbereich der Verwaltungsverfahrensgesetze, JURA 2003, 30; Funke/Papp , Rechtsprobleme kommunaler Satzungen, JuS 2010, 398; Greim-Diroll , Blumige Aussichten, JURA 2018, 740 (Referendarexamensklausur); Krebs/Becker , Entstehung und Abänderbarkeit von Unionsrecht, JuS 2013, 97; Merten , Das System der Rechtsquellen, JURA 1981, 236; Lepsius , Normenhierarchie und Stufenbau der Rechtsordnung, JuS 2018, 950; ders ., Gesetzesstruktur im Wandel, JuS 2019, 14 und 123; v. Olshausen , Die (Rechts-) Quellen des Verwaltungsrechts, JA 1983, 177; P. Reimer , Grundfragen der Verwaltungsvorschriften, JURA 2014, 678; Sauer , Die Grundfreiheiten des Unionsrechts, JuS 2017, 310; Voßkuhle/Kaufhold , Verwaltungsvorschriften, JuS 2016, 314; Voßkuhle/Wischmeyer , Die Rechtsverordnung, JuS 2015, 311.
[1]
Ausf. Ruffert , Rechtsquellen und Rechtsschichten des Verwaltungsrechts, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 17.
[2]
Eingehend Lepsius , JuS 2019, 14 ff.
[3]
BVerfGE 38, 121, 127.
[4]
Hierzu v. Danwitz , JURA 2002, 93 ff; Voßkuhle/Wischmeyer , JuS 2015, 311; Lepsius , JuS 2019, 123 ff.
[5]
VGH Mannheim, NVwZ-RR 2010, 55. Zu Polizeiverordnungen Schenke , POR, § 11.
[6]
Zur Baunutzungsverordnung Schubert , in: Erbguth/Mann/Schubert, Rn 801.
[7]
Etwa Art. 64 VvB; hierzu Waldhoff , in: Siegel/Waldhoff, § 1 Rn 137.
[8]
Einzelheiten bei Degenhart , Rn 344 ff.
[9]
Mann , in: Erbguth/Mann/Schubert, Rn 55; Funke/Papp , JuS 2010, 398 ff.
[10]
T. I. Schmidt , Kommunalrecht, 2. Aufl. 2014, Rn 901.
[11]
Mann , in: Erbguth/Mann/Schubert, Rn 55.
[12]
Hierzu Ziekow , Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4. Aufl. 2016, § 4 Rn 19.
[13]
Hierzu P. Reimer , JURA 2014, 678 ff; Voßkuhle/Kaiser , JuS 2016, 314 ff. Fallbearbeitung bei Greim-Diroll , JURA 2018, 740, 745 ff (Referendarexamensklausur).
[14]
BVerwGE 126, 33.
[15]
VV-BHO v. 14.3.2001 (GMBl 2001 Nr. 16/17/18, S. 307) i.d.F. v. 2.10.2018 (GMBl 2018 Nr. 49, S. 938).
[16]
TA Luft v. 20.7.2002, GMBl 2002, S. 511. Hierzu Kahl/Gärditz , Umweltrecht, 11. Aufl. 2019, § 5 Rn 45.
[17]
Hierzu etwa BVerwGE 19, 242.
[18]
Hierzu mit Blick auf die Grenzen BVerfG, NVwZ 2016, 1630, 1631 m.w.N.; Hufen , ZRP 2003, 248 ff.
[19]
Hierzu etwa BVerwGE 111, 162, 172 (Grundsatz von Treu und Glauben). Vert. Beaucamp , DÖV 2013, 41 ff.
[20]
Zum Umwelteuroparecht Kahl/Gärditz , Umweltrecht, 11. Aufl. 2019, § 2. Übersicht über aktuelle Entwicklungen bei Falke , ZUR 2019, 56 ff.
[21]
Schenke , POR, Rn 460 ff.
[22]
Finkelnburg/Ortloff/Kment , Öffentliches Baurecht, Band I: Bauplanungsrecht, 7. Aufl. 2017, § 2 Rn 11 ff.
[23]
Übersicht bei Sauer , JuS 2017, 310 ff.
[24]
Übersicht bei Ziekow , Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4. Aufl. 2016, § 3 Rn 44 ff.
[25]
Etwa EuGH, Slg. 1974, 1337, Rn 12 – van Duyn.
[26]
Hierzu Siegel , Europäisierung des Öffentlichen Rechts, 2012, Rn 16 f.
[27]
Zum Wesen auch BVerfG, NJW 2016, 1295, 1296 f.; NJW 2018, 2312, 2313.
[28]
Hierzu vert. Streinz , in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 25 Rn 51.
[29]
Hierzu vert. Berger , Die Verwaltung 2016, 503 ff.
[30]
Übersicht bei Kahl/Gärditz , Umweltrecht, 11. Aufl. 2019, § 5 Rn 13 ff.
[31]
Hierzu Lepsius , JuS 2018, 950 ff.
[32]
BVerfG, NJW 2009, 2267, 2268 f. Zsf. Sodan, in: Sodan/Ziekow, GK ÖR, § 5 Rn 18 ff.
[33]
Erbguth/Guckelberger , § 7 Rn 15.
[34]
Zu diesem „Zwischenrang“ BVerfG, NJW 2018, 2312, 2313.
[35]
Hierzu Siegel , in: ders./Waldhoff, § 4 Rn 91 ff.
[36]
Für einen Vorrang der Rechtsverordnung im Kollisionsfall Heintzen , Die Verwaltung 1996, 17 ff.
[37]
Hierzu Sachs , in: ders. (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 20 Rn 107.
[38]
So am Beispiel des Gewohnheitsrechts Maurer/Waldhoff , § 4 Rn 60.
[39]
Huber , in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 31 Rn 12 und 15.
[40]
Degenhart , Rn 200.
[41]
Hierzu Sodan, in: Sodan/Ziekow, GK ÖR, § 17 Rn 9.
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