989
Die zuvor geschilderte Fortgeltung bezog sich zunächst auf alle Bundesländer unter Einbeziehung Berlins. Berlin, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben das betreffende Gesetz aber inzwischen aufgehoben[170]. Nach wie vor gültig sind die Gesetze in Brandenburg[171] und Thüringen[172]. In Sachsen-Anhalt ist das betreffende Landesgesetz durch das Gesetz zur Regelung von Entschädigungsansprüchen im Land Sachsen-Anhalt ersetzt worden[173].
990
Die Anspruchsvoraussetzungen sind in § 1 Abs. 1 StHG-DDR aufgeführt. Die Staatshaftung nach dem StHG-DDR erfasst jede Beeinträchtigungeines Rechts (auch immaterieller Rechte wie Leben, Gesundheit und Ehre) oder des Vermögens. Der Schaden muss in Ausübung staatlicher Tätigkeitzugefügt worden sein. Der Begriff „staatliche Tätigkeit“ ist im Sinne hoheitlichen Handelns zu verstehen, da er den Ausschluss zivilrechtlicher Schadenzufügungen aus dem Bereich des Staatshaftungsgesetzes bezweckte. Nicht erfasst wird aber auch hier legislatives Unrecht (zum Amtshaftungsanspruch s.o. Rn 954)[174]. Der Schaden muss zudem rechtswidrigzugefügt worden sein. Schließlich muss das hoheitliche Tun oder Unterlassen für den Schadenseintritt ursächlichsein[175]. Im Unterschied zum Amtshaftungsanspruch (s.o. Rn 955) ist kein Verschulden erforderlich[176].
991
Der Schadenersatz besteht nach § 3 Abs. 1 S. 1 StHG-DDR grundsätzlich in einer Geldleistung. Naturalrestitution kann nicht verlangt, aber nach § 3 Abs. 1 S. 2 StHG-DDR gewährt werden. Die Entscheidung über die Art des Schadenersatzes steht im Ermessen des Anspruchsschuldners. Für die Höhe des Anspruchs sind §§ 249 ff, 847 BGB maßgebend, § 3 Abs. 2 StHG-DDR. Haftungsbeschränkungenkönnen sich insbes. aus der Schadensabwendungs- und Schadensminderungspflicht nach § 2 StHG-DDR ergeben, ferner aus dem Gedanken des Schutzzwecks der Norm sowie aus dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung.
5. Durchsetzung des Anspruchs
992
§ 1 Abs. 1 StHG-DDR nennt als Ersatzverpflichteten das staatliche oder kommunale Organ, dessen Mitarbeiter oder Beauftragter den Schaden herbeigeführt hat[177]. Organen kommt nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland keine Rechtsfähigkeit zu (s.o. Rn 118). Soweit die Rechtsfähigkeit fehlt, ist Anspruchsverpflichteterdie juristische Person, der das Organ angehört. Vor der gerichtlichen Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs ist ein zweistufiges Verwaltungsverfahren zu durchlaufen. Zunächst ist nach § 5 StHG-DDR ein Antrag an den ersatzpflichtigen Hoheitsträger zu stellen. Wird dieser abgelehnt, folgt als zweite Stufe ein Beschwerdeverfahren, das ähnlich wie das Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff VwGO ausgestaltet ist. § 6a StHG-DDR weist die Entscheidung über den Anspruch den ordentlichen Gerichtenzu. Das StHG-DDR sieht in § 4 eine Verjährungsfristvon einem Jahr vor. Die Verjährung wird durch die Stellung eines Antrags gem. § 5 StHG-DDR unterbrochen.
993
Der Staatshaftungsanspruch nach § 1 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 3 StHG-DDR besteht neben dem Amtshaftungsanspruch, da beide Ansprüche unterschiedliche Regelungsgegenstände aufweisen[178]. Eine Konkurrenz mit dem allgemeinen Aufopferungsanspruch sowie mit einem Anspruch aus enteignendem Eingriff (dazu ausf. Rn 1030 ff) ist nicht denkbar, da diese Anspruchsinstitute rechtmäßiges Verhalten voraussetzen, der Staatshaftungsanspruch hingegen rechtswidriges. Ansprüche aus aufopferungsgleichem und enteignungsgleichem Eingriff (dazu ausf. Rn 1022 ff) werden durch den Staatshaftungsanspruch verdrängt, weil keine Lücke mehr besteht, die durch die ungeregelten Ansprüche ausgefüllt werden könnte.
[1]
Ebenso Waldhoff , JuS 2017, 572 („Kern des Rechts der staatlichen Ersatzleistungen“).
[2]
Baldus , in: Baldus/Grzeszick/Wienhues, Rn 95.
[3]
Zum hier beschriebenen „Mandatsverhältnis“ auch Baldus , in: Baldus/Grzeszick/Wienhues, Rn 98.
[4]
Zum für Beamte des auswärtigen Dienstes noch fortgeltenden Reichsbeamtenhaftungsgesetz (dort § 7), Grzeszick , in: Ehlers/Pünder, § 44 Rn 14.
[5]
Ausf. zur Historie der Amtshaftung: BVerfGE 61, 149, 178 ffm.w.N.
[6]
BGHZ 121, 161, 163.
[7]
BVerfGE 61, 149, 198; BVerfG, NVwZ 2016, 606, 608; Voßkuhle/Kaiser , JuS 2015, 1076. AA Detterbeck , in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 34 Rn 3 (Anspruchsbegründung in Art. 34 GG, Anspruchskonkretisierung in § 839 BGB).
[8]
BGHZ 146, 385, 388.
[9]
Hierzu auch Hartmann/Tieben , JA 2014, 401 f.
[10]
BGHZ 14, 319, 321; 63, 319, 322.
[11]
OLG Hamburg, DÖV 1971, 238, 239.
[12]
BGHZ 84, 292, 298 f; 106, 323, 330.
[13]
BGHZ 11, 192, 193, 197 f.
[14]
BGH, NVwZ-RR 2003, 543 ff.
[15]
BGH, NJW 2014, 3580, 3581.
[16]
BGH, NVwZ-RR 2017, 378, 379
[17]
Messerschmidt/Krebs , NVwZ 2016, 275, 278 ff.
[18]
OLG Köln, NJW 1968, 655 ff.
[19]
LG Rottweil, NJW 1970, 474 ff.
[20]
OLG Karlsruhe, NJW-RR 2017, 986, 987.
[21]
Zum haftungsrechtlichen Beamtenbegriff Lüdemann/Windthorst , SächsVBl 1995, 121 ff.
[22]
Hierzu OLG Köln, NJW 1989, 2065 f, erläutert von Dörr , JuS 1990, 139.
[23]
BGH, NVwZ-RR 2019, 245, 247.
[24]
BGHZ 85, 393, 395.
[25]
BGH, NJW 2001, 2626, 2629; BGH, VersR 2004, 785.
[26]
Erbguth/Guckelberger , § 37 Rn 14.
[27]
Hierzu auch die Fallbearbeitung bei Baade , JURA 2019, 201 ff.
[28]
BGH, NVwZ 2017, 87, 90 ff. Hierzu Hebeler , JA 2017, 319 f; Waldhoff , JuS 2017, 572 ff.
[29]
Zur Figur des Verwaltungshelfers vgl Rn 939; zur Haftung s. BGHZ 153, 268 ff.
[30]
BGH, NJW 1993, 1258, 1259. Hierzu auch Maurer/Waldhoff , § 26 Rn 14.
[31]
BGH, NJW 1993, 1258, 1259; BGH, NJW 2014, 2577, 2578; Ziekow , in: Sodan/Ziekow, GK ÖR, § 60 Rn 32; aA Waldhoff , JuS 2015, 92 mit einer Zuordnung zu den Verwaltungshelfern.
[32]
BGH, NVwZ 1993, 1229.
[33]
Ständige Rspr: BGHZ 42, 176 ff; BGH, DÖV 1971, 787 f; BGH, DVBl 1977, 573 ff; jeweils m.w.N.; BGH, NVwZ 1983, 763 f.
[34]
BGH, VersR 1965, 1101 f, wo ein derartiger Zusammenhang bei der Fahrt einer Richterin zu einem Ortstermin abgelehnt wird; BGHZ 147, 169, 171.
[35]
Wittreck/Wagner , JURA 2013, 1213, 1215.
[36]
BGH, NJW 2017, 397 ff; hierzu Waldhoff , JuS 2017, 1043 f.
[37]
BGH, NVwZ 2017, 251 ff.
[38]
BGH, NVwZ-RR 2017, 608 ff.
[39]
BGHZ 9, 373 ff; 60, 54 ff; BGH, NJW 1989, 2808 f.
[40]
BGH, NJW 1966, 1456 ff.
[41]
BGH, NJW 1971, 2220 ff; BGH, JZ 1987, 822 mit Anm. Peine , und BGH, NVwZ 1990, 898 f; OLG Karlsruhe, NVwZ-RR 2014, 331.
[42]
BGHZ 9, 373 ff; 60, 54 ff; BGH, NJW 1989, 2808 f.
[43]
So etwa Maurer/Waldhoff , § 26 Rn 23.
[44]
Übersicht über die Rechtslage in den einzelnen Bundesländern bei Dörr , in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOK – Großkommentar zum BGB, Stand: 1.9.2019, § 839 BGB Rn 120.1.
[45]
BGH, NJW 2014, 1588 ff. Hierzu Hebeler , JA 2015, 239 f.
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