Teil IV Recht der öffentlichen Ersatzleistungen› § 27 Der Amtshaftungsanspruch› IX. Aufbauschema Amtshaftungsanspruch
IX. Aufbauschema Amtshaftungsanspruch
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Schadenersatz aus Amtshaftung nach Art. 34 GG, § 839 BGB
I. |
Anspruchsvoraussetzungen 1.„Jemand“ handelt „in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes“, Art. 34 S. 1 GG a)Hoheitliches Tätigwerden durch einen Amtswalter • kein Handeln im (verwaltungs-)privatrechtlichen Bereich • statusrechtlicher Beamtenbegriff gilt nicht; „jemand“ ist jeder Amtswalter, der öffentlich-rechtlich tätig werden kann b)In Ausübung seines Amtes: zwischen amtlicher Tätigkeit und schädigender Handlung muss ein äußerer und innerer Zusammenhang bestehen 2.Kein Ausschluss der Staatshaftung durch Gesetz 3.Verletzung der einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht, § 839 BGB a)Amtspflichtverletzung b)Drittbezogenheit 4.Verschulden des Amtswalters, § 276 BGB 5.Schaden 6.Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden |
II. |
Ausschluss oder Beschränkung der Amtshaftung 1.Haftungsausschluss nach der Subsidiaritätsklausel, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Voraussetzungen des Haftungsausschlusses: • Fahrlässigkeit des Amtswalters • anderweitige Ersatzmöglichkeit für den Geschädigten • deren Realisierung muss zumutbar sein. 2.Haftungsausschluss wegen schuldhaften Rechtsmittelversäumnisses, § 839 Abs. 3 BGB 3.Haftungsbeschränkung durch schuldhafte Mitverursachung des Schadens durch den Betroffenen, § 254 BGB 4.Verjährung des Amtshaftungsanspruchs nach § 195 BGB; s. auch den Sonderfall in § 852 BGB |
III. |
AnspruchsinhaltSchadenersatz in Geld nach §§ 249 ff, 842 ff BGB; grundsätzlich keine Naturalrestitution |
Teil IV Recht der öffentlichen Ersatzleistungen› § 27 Der Amtshaftungsanspruch› X. Anhang 1: Der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch
X. Anhang 1: Der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch
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Auch im Recht der Europäischen Union sind teilweise ausdrückliche Haftungsansprüche normiert.[146] So besteht nach Maßgabe des Art. 340 Abs. 2 AEUV ein Amtshaftungsanspruch gegen die Union[147]. Und nach Art. 41 Abs. 3 GRCh hat jede Person einen Anspruch darauf, dass die Union den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden ersetzt[148]. Hingegen bestehen – zumindest bislang – keine ausdrücklichen Bestimmungen auf Unionsebene für den Fall einer Verletzung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten. Allerdings hat insoweit der Europäische Gerichtshof auf Basis zunächst des Art. 10 EGV, später des Art. 4 Abs. 3 EUVeinen unionsrechtlichen Haftungsanspruch entwickelt und als allgemeinen Rechtsgrundsatz anerkannt[149].
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Die vom Europäischen Gerichtshof spezifizierten Haftungsvoraussetzungen ergeben sich aus dem Unionsrecht. Umfang und Durchsetzung des Anspruchs richten sich hingegen nach nationalem Recht, bei dessen Auslegung jedoch bestimmte Prinzipien des Unionsrechts zu beachten sind[150]. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch erfasst im Ausgangspunkt alle möglichen Verstöße der Mitgliedstaaten gegen Unionsrecht, unabhängig davon, ob sie den Bereich des Gesetzgebung, der Verwaltung oder der Rechtsprechung betreffen[151]. Seine besondere praktische Bedeutung liegt jedoch in der unzureichenden Umsetzung von Richtlinien[152].
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Die Anforderungen an den unionsrechtlichen Haftungsanspruch hat der EuGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 1991 konturiert[153] und in der Folgezeit spezifiziert[154]. Danach müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Zunächst muss ein Verstoß gegen ein durch Unionsrecht begründetes Recht des Einzelnenvorliegen. Durch dieses Merkmal ist der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch abzugrenzen von der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien. Letztere bezieht sich nämlich auf die Modifizierung der objektiven Rechtsordnung ohne Rücksicht darauf, ob damit zugleich ein Recht des Einzelnen begründet wird (s.o. Rn 82)[155]. Das zweite – und oftmals zentrale – Merkmal des offenkundigen und schwerwiegenden Verstoßesbemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist immer dann anzunehmen, wenn keine vernünftigen Zweifel am unionsrechtlich gebotenen oder zumindest erlaubten Handeln bestehen[156]. Schließlich muss zwischen dem Verstoß und dem Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhangbestehen[157].
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Rechtsfolge ist die Ersetzung des entstandenen Schadens unter Einbeziehung des entgangenen Gewinns[158]. Beim Umfang des Anspruchs kann nur teilweise auf die beim Amtshaftungsanspruch anerkannten Einschränkungs- und Ausschlussgründe zurückgegriffen werden. Anerkannt hat der EuGH jedoch eine analoge Heranziehung des § 839 Abs. 3 BGB, wonach die Versäumnis eines zumutbaren Rechtsmittels dem Anspruch entgegensteht (s.o. Rn 969f)[159]. Da eine Anspruchseingrenzung wegen Mitschuldenseinen allgemeinen Rechtsgedanken verkörpert, kann im Übrigen auch § 254 BGB analogangewandt werden[160]. Die sonstigen beim Amtshaftungsanspruch einschlägigen Einschränkungsgründe können jedoch nicht herangezogen werden: Die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB kommt bereits deswegen nicht zum Einsatz, weil der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch die originäre Verantwortlichkeit des Staates begründet, nicht lediglich eine übergeleitete[161]. Und die Privilegierung der Richterschaft, welche in § 839 Abs. 2 S. 1 BGB zum Ausdruck kommt, wird bereits dadurch bewerkstelligt, dass bei letztinstanzlichen Gerichtsentscheidungen lediglich bei einem offenkundigenVerstoß gegen das Unionsrecht eine Haftungspflicht besteht[162].
4. Durchsetzung des Anspruchs
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Der Anspruch richtet sich gegen diejenige Körperschaft, welche den Verstoß gegen das Unionsrecht innerstaatlich zu verantworten hat[163]. Er ist ebenfalls vor den ordentlichen Gerichtengeltend zu machen, Art. 34 S. 3 GG (s.o. Rn 977)[164]. Unionsrecht steht der Bestimmung einer zumutbaren Verjährungsfristnicht entgegen[165]. Dies gilt insbes. für die dreijährige Regelfrist des § 195 BGB[166].
Teil IV Recht der öffentlichen Ersatzleistungen› § 27 Der Amtshaftungsanspruch› XI. Anhang 2: Staatshaftungsgesetze der neuen Bundesländer
XI. Anhang 2: Staatshaftungsgesetze der neuen Bundesländer
1. Überleitung des Staatshaftungsgesetzes der DDR
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Grundlage der Haftung des Staats in der DDR war im Zeitpunkt der Wiedervereinigung neben Spezialgesetzen das Gesetz zur Regelung der Staatshaftung in der Deutschen Demokratischen Republik – Staatshaftungsgesetz – v. 12.5.1969[167], geändert durch Gesetz v. 14.12.1988[168] (StHG-DDR). Dieses Gesetz sah eine originäre, verschuldensunabhängige Staatshaftung vor. Durch Art. 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 i.V.m. Anl. II, Kap. III, Sachgebiet B, Abschnitt III Nr 1 des Einigungsvertrags wird bestimmt, dass das StHG-DDR in den neuen Bundesländern als Landesrecht fort gilt, allerdings mit einigen wesentlichen Änderungen („Maßgaben“). Eine Überleitung in Bundesrecht war mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Staatshaftungsrecht nicht möglich. An der fehlenden Gesetzgebungszuständigkeit ist das bundesrepublikanische Staatshaftungsgesetz vom 26.6.1981 gescheitert[169].
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