4. Durchsetzung des Anspruchs
927
Anders als im Rahmen des § 49a Abs. 1 S. 2 gibt es beim allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch mangels Kodifizierung keine VA-Befugnis. Nach der Rechtsprechung soll eine Durchsetzung durch VA aber immer auch dann möglich sein, wenn ein Über-/Unterordnungsverhältnis besteht[34]. Dem steht jedoch der Vorbehalt des Gesetzes entgegen, der auch im Hinblick auf die belastende Handlungsform eine explizite gesetzliche Ermächtigung fordert[35]. Einigkeit besteht hingegen bei Erstattungsansprüchen aufgrund eines unwirksamen örV (dazu o. Rn 800). Da sich die Behörde hier auf die Ebene der Gleichordnung begeben hat, darf sie nicht wieder zu einseitig-hoheitlichen Handlungsformen zurückkehren und muss daher eine allgemeine Leistungsklageerheben[36]. Das Gleiche gilt allgemein bei Erstattungsansprüchen des Bürgers sowie unter Verwaltungsträgern, da hier eine VA-Befugnis grundsätzlich ausscheidet. Auch der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch verjährtgemäß § 195 BGB analog in drei Jahren[37].
928
Lösung Fall 27 ( Rn 913):
Der abgeschlossene örV ist nichtig, s. § 2 Abs. 2 S. 1 BBesG (Sa. I Nr 230). Für die Rückzahlung könnte § 12 Abs. 2 BBesG die Anspruchsgrundlage bilden, wenn es sich bei der Zahlung um „Bezüge“ handelte. Bezüge bedeutet Dienstbezüge i.S.v. § 1 Abs. 2 BBesG, also „Besoldung“. Der Betrag von € 500 ist keine Besoldung i.S.d. § 1 Abs. 2 BBesG. Anspruchsgrundlage für die Rückforderung des Betrags ist deshalb der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Dessen Voraussetzungen sind erfüllt. Die Berufung des A auf den Wegfall der Bereicherung ist erfolglos, da A Vertrauensschutz nicht genießt. Jeder Beamte muss wissen, dass ihm nur die gesetzlich festgelegte Besoldung zusteht.
Teil IV Recht der öffentlichen Ersatzleistungen› § 26 Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch› V. Aufbauschema öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
V. Aufbauschema öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
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Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
I. |
Spezialgesetzlich geregelte Erstattungsansprücheenthalten zB § 49a Abs. 1 S. 1; § 50 SGB X; § 37 Abs. 2 AO; § 12 BBesG; § 52 BeamtVG. • Sie verdrängen den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch(Grundsatz der Spezialität). • Die Anspruchsvoraussetzungen ergeben sich aus der jeweiligen Sonderregelung;in der Regel besteht gesetzliche Verweisung auf §§ 812 ff BGB. |
II. |
Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruchist heute ein gewohnheitsrechtlich anerkanntes Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts; Anspruchsgrundlage ist nicht § 812 BGB analog. Die Anspruchsvoraussetzungensind: 1. Öffentlich-rechtliche Beziehung zwischen den Beteiligten 2. Kein Vorrang spezialgesetzlicher Erstattungsansprüche (s. I.) 3. Vermögensverschiebung: • Anspruchsgegner hat „etwas erlangt“, • durch Leistung oder in sonstiger Weise, • Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung fehlt: – vorausgehender VA als Rechtsgrund? – ein rechtswidriger, aber wirksamer Leistungsbescheid der Behörde bildet solange einen Rechtsgrund, bis dieser gerichtlich aufgehoben oder von der Behörde zurückgenommen worden ist; – kein Rechtsgrund aus Gesetz oder örV. 4. Für den Umfang der Erstattunggilt: • Herausgabe des Erlangten • Nutzung und Verzinsung (entsprechend § 818 Abs. 1 BGB) • Wegfall der Bereicherung: Grundsätze der §§ 818 Abs. 3, 4, 819 Abs. 1 BGB sind unanwendbar – Abwägung zwischen Vertrauensschutz und Grundsatz der Gesetzmäßigkeit. 5. Verjährung:regelmäßig nach § 195 BGB |
Ausbildungsliteratur:
Ebeling/Tellenbröcker , Subventionsrecht als Verwaltungsrecht, JuS 2014, 217; Erichsen/Brügge , Der Widerruf von Verwaltungsakten nach § 49 VwVfG und der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nach § 49a VwVfG, JURA 1999, 496; Hebeler , Verjährung öffentlich-rechtlicher Erstattungsansprüche, JA 2018, 159; Hesse/Sacher , Europarecht und Verwaltungsrecht, JuS 2017, 1015; Korte , Grundlagen des Subventionsrechts, JURA 2017, 656; Laude/Jürgensen , Der übermütige Oberbürgermeister, JURA 2019, 409 (Fallbearbeitung zum Erstattungsanspruch); Stangl , Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, JA 1998, 48.
[1]
BVerwGE 131, 153, 155. Fallbearbeitung bei Laude/Jürgensen , JURA 2019, 409 ff.
[2]
Beispiel bei OVG Berlin-Brandenburg, NJW 2017, 421, 423: Anspruch von Eltern gegen einen Kita-Träger auf Rückerstattung überhöhter Essensgelder.
[3]
Beispiel bei BVerwG, KommJur 2018, 169 ff: Nutzung einer kommunalen Einrichtung für die Entwässerung von Bundes- oder Landesstraßen durch den Träger der Straßenbaulast.
[4]
Weitere explizite Regelungen finden sich in § 37 Abs. 2 AO und § 50 SGB X.
[5]
So etwa aus jüngerer Zeit noch VGH München, BayVBl 2017, 276, 277.
[6]
So etwa Maurer/Waldhoff , § 29 Rn 27.
[7]
BVerwGE 155, 357, 359.
[8]
Dies zu Recht betonend Erbguth/Guckelberger , § 42 Rn 2.
[9]
So etwa OVG Münster, Urt. v. 16.2.2016 – 15 A 1035/14, Rn 23 – juris.
[10]
Ebenso etwa Kopp/Ramsauer , VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 49a Rn 6; Ziekow , VwVfG, 4. Aufl. 2020, § 49a Rn 3. Demgegenüber für eine analoge Anwendung bei Aufhebung mit ex-nunc-Wirkung Sachs , in: S/B/S, § 49a Rn 16.
[11]
BVerwGE 135, 238, 244.
[12]
So auch OVG Berlin-Brandenburg, LKV 2009, 42, 43.
[13]
Kopp/Ramsauer , VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 49a Rn 1. Eingehend hierzu Ebeling/Tellenbröcker , JuS 2014, 217, 221 f; Korte , JURA 2017, 656, 663 f.
[14]
Maurer/Waldhoff , § 11 Rn 67.
[15]
Einige Landes-VwVfGe sehen abweichende Zinssätze vor.
[16]
BVerwG, NVwZ 2002, 854 f. Ebenso in anderem Regelungszusammenhang (§ 12 BBesG) BVerwG, NJW 2018, 568, 570.
[17]
VGH Mannheim, NVwZ-RR 2016, 9.
[18]
Kahl , in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 4 EUV Rn 68 mit Beispielen.
[19]
Maurer/Waldhoff , § 10 Rn 35.
[20]
BVerwG, NVwZ 2017, 1463, 1464.
[21]
Sachs , in: S/B/S, § 49a Rn 37.
[22]
BVerwG, NVwZ 2017, 969, 971. Hierzu Hebeler , JA 2018, 159 f.
[23]
Baldus , in: Baldus/Grzeszick/Wienhues, Rn 547; Teuber , NVwZ 2017, 814, 815 f.
[24]
BGH, LKV 2019, 416 ff.
[25]
Deshalb wird der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in einigen Lehrbüchern auch im Zusammenhang mit den verwaltungsrechtlichen Sonderverbindungen behandelt.
[26]
BVerwGE 84, 274, 276.
[27]
OVG Münster, DVBl. 2016, 447, 453.
[28]
Zum Erfordernis einer rückwirkenden Aufhebung jedenfalls im Fall des § 49a Maurer/Waldhoff , § 11 Rn 67.
[29]
Hierzu auch Waniorek , JuS 1989, 244 ff.
[30]
BVerwG, NVwZ 2003, 993, 994.
[31]
BVerwGE 36, 108, 113 f.
[32]
BVerwGE 71, 85, 88 ff. Ebenso etwa Erbguth/Guckelberger , § 42 Rn 8; Maurer/Waldhoff , § 29 Rn 35.
[33]
Hasse/Sacher , JuS 2017, 1015, 1018.
[34]
BVerwGE 25, 72, 76. Ebenso aus jüngerer Zeit BVerwG, NJW 2017, 1560, 1561.
[35]
So etwa Gurlit , in: Ehlers/Pünder, § 35 Rn 32.
[36]
Erbguth/Guckelberger , § 42 Rn 11.
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