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Es muss eine Leistung erbracht worden sein, |
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die Leistung muss auf der Grundlage eines VA erbracht worden sein, |
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der VA muss mit Wirkung für die Vergangenheit unwirksam geworden sein – sei es durch Rücknahme, durch Widerruf oder durch Eintritt einer auflösenden Bedingung. |
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Von besonderer Bedeutung ist, dass die Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheiterfolgt sein muss. Denn eine Aufhebung lediglich mit Wirkung für die Zukunft hätte zur Folge, dass der rechtliche Grund für die Vermögensverschiebung bestehen bliebe. Auch deshalb ist es wichtig, dass ein geldwerter VA nach § 49 Abs. 3 widerrufen wird; denn § 49 Abs. 2 ermöglicht lediglich einen Widerruf mit Wirkung für die Zukunft (s.o. Rn 644)[14].
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Für den Umfang der Erstattung verweist § 49a Abs. 2 S. 1 auf die Vorschriften des BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Da der Tatbestand allerdings bereits in § 49a Abs. 1 S. 1 geregelt ist, handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung. Grundsätzlich ist das durch die Leistung auf Grund des VA Erlangte zu erstatten; nach § 818 BGB zusätzlich Nutzungen und Surrogate. Deshalb sind erlangte Zinsenzu erstatten. Der Anspruch ist mit 5% über dem Basiszinssatz zu verzinsen, § 49a Abs. 3[15]; Zwischenzinsen können nach § 49a Abs. 4 gefordert werden.
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Nicht erfasst von der Verweisung wird die Bestimmung des § 814 BGB(Leistung in Kenntnis der Nichtschuld); denn dabei handelt es sich nicht um eine Regelung zum Umfang der Erstattung, sondern um einen Anspruchsausschluss dem Grunde nach[16]
. Hingegen kann sich der Anspruchsgegner grundsätzlich auf den Wegfall der Bereicherungnach § 818 Abs. 3 BGB berufen. Allerdings enthält § 49a Abs. 2 S. 2 eine Sonderregelung zu § 819 BGB: Während nach § 819 Abs. 1 BGB der Entreicherungseinwand lediglich bei positiver Kenntnis ausscheidet, schadet nach § 49a Abs. 2 S. 2 bereits grobe Fahrlässigkeit[17]. Vor dem Hintergrund des Effektivitätsprinzips (s.o. Rn 53) kommt hingegen bei unionsrechtlichbegründeten Ansprüchen lediglich bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände eine Anspruchsbegrenzung in Betracht[18].
4. Durchsetzung des Anspruchs
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Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, entsteht der Rückforderungsanspruch unmittelbar kraft Gesetzes. Er ist nach § 49a Abs. 1 S. 2 durch VA festzusetzen; diese Vorschrift enthält damit eine explizite VA-Befugnis(zu dieser s.o. Rn 469). Damit hat sich der Gesetzgeber insoweit der sog. „Kehrseitentheorie“ angeschlossen, wonach die Rückforderung die Rechtsnatur des Gewährungsakts teilt (zur abweichenden Rechtslage beim allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch s.u. Rn 927)[19]. Diese Ermächtigung ist jedoch beschränkt auf den Empfänger der Vermögensverschiebung; er erstreckt sich nicht auf Dritte wie nachhaftende ehemalige Gesellschafter[20]. In Betracht kommt auch eine Verpflichtung seines Rechtsnachfolgers. Unzulässig ist hingegen eine Inanspruchnahme des Abtretungsempfängers. Aus der Formulierung „ist festzusetzen“ folgt, dass die Behörde kein Ermessenbesitzt; zulässig ist allerdings eine Stundung[21].
Der Anspruch verjährtin analoger Anwendung der neuen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB innerhalb von drei Jahren[22]
. Die Frist beginnt gemäß § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem die Behörde von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste[23]. – Bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist der Erstattungsanspruch bereits dann iSd § 38 InsO begründet, wenn zum Zeitpunkt der Eröffnung ein Widerrufsgrund vorlag. Es kommt insoweit also nicht auf die Ausübung des Widerrufs an[24].
Teil IV Recht der öffentlichen Ersatzleistungen› § 26 Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch› IV. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch
IV. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch
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Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt zunächst eine Rechtsbeziehung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtsvoraus[25]. Anderenfalls, also bei einer privatrechtlichen Beziehung, kommen hingegen die Bestimmungen zur ungerechtfertigten Bereicherung nach §§ 812 ff BGB zur unmittelbaren Anwendung. Nach der sog. Kehrseitentheorie teilt der Erstattungsanspruch als Rückabwicklung einer Maßnahme die Rechtsnatur ihrer Vornahme[26]. Darüber hinaus verbleibt für den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch lediglich in solchen Konstellationen Raum, in denen nicht bereits der in § 49a Abs. 1 S. 1 kodifizierte Erstattungsanspruch eingreift (s.o. Rn 917 ff).
2. Tatbestandsmerkmale
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Erstes Tatbestandsmerkmal des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ist eine unmittelbare Vermögensverschiebung zwischen zwei Rechtspersonen. Eine Vermögensverschiebung ist gegeben, wenn eine Entreicherung auf der einen und eine Bereicherung auf der anderen Seitezu verzeichnen ist. Zwischen der Entreicherung auf der einen und der Bereicherung auf der anderen Seite muss ein Unmittelbarkeitszusammenhang bestehen: Sie müssen auf demselben Ereignis beruhen[27]. Entreicherungs- und Bereicherungsgegenstand ist im Normalfall Geld, zB eine Subvention, eine vom Bürger entrichtete Gebühr; ausnahmsweise kann ein relevanter Gegenstand auch ein Grundstück sein.
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Die Leistung muss ohne Rechtsgrund erfolgt sein (sine causa). Bedeutungslos ist, ob der Rechtsgrund von Anfang an fehlte oder später weggefallen ist. Abzustellen ist auf die materiell-rechtliche Rechtslage. Materiell-rechtliche Rechtslage meint in diesem Zusammenhang die Existenz eines wirksamen VA oder örV. Demgegenüber bildet ein rechtswidriger, aber rechtswirksamer VA einen rechtlichen Grund. Er kann allerdings auch nachträglich aufhoben werden (s.o. § 15)[28]. Die Grundlage muss im Zeitpunkt der Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs fehlen.
Beispiel:
Entrichtet der Bürger eine Gebühr auf Grund eines Gesetzes, welches später vom BVerfG für nichtig erklärt wird, so bleibt der VA, der auf Grund dieses später für nichtig erklärten Gesetzes die Gebühr forderte, nach § 79 Abs. 2 BVerfGG bestandskräftig. Der Bürger hat deshalb nur dann einen die entrichtete Gebühr betreffenden Erstattungsanspruch, wenn er gegen den Gebührenbescheid einen Rechtsbehelf eingelegt hat, sodass dieser nicht bestandskräftig geworden ist[29].
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Bei den etwaigen Ausschlussgründen kann als gesichert gelten, dass § 814 BGB (Ausschluss wegen Kenntnis der Nichtschuld) sowie § 817 S. 2 BGB (Ausschluss wegen Kenntnis des Leistenden von der Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit) nichtzur (entsprechenden) Anwendungkommen. Dem steht jeweils der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung entgegen[30]. Umstritten ist hingegen, ob sich der Anspruchsgegner im Rahmen des allgemeinen Erstattungsanspruchs auf den Wegfall der Bereicherungnach § 818 Abs. 3 BGB berufen kann (zu dieser Frage i.R.d. § 49a s.o. Rn 921). Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verwehrt dieser eine Berufung auf den Entreicherungseinwand[31]. Nach hM kommt § 818 Abs. 3 BGB aber auch bei Erstattungsansprüchen gegenüber dem Bürger nicht zur Anwendung[32]. Die Funktion des § 818 Abs. 3 BGB im Privatrecht wird im öffentlichen Recht vielmehr übernommen durch das Institut des Vertrauensschutzes. Deshalb muss das Interesse des Bürgers an einer Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Vermögenslage mit dem Interesse der Verwaltung an der Wiederherstellung rechtmäßiger Verhältnisse abgewogenwerden. Im Falle eines Verstoßes gegen Unionsrecht ist das Vertrauen aber regelmäßig nicht als schutzwürdig einzustufen[33].
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