Teil IV Recht der öffentlichen Ersatzleistungen› § 25 Der Folgenbeseitigungs- und Unterlassungsanspruch› III. Die Tatbestandsmerkmale des Folgenbeseitigungsanspruchs
III. Die Tatbestandsmerkmale des Folgenbeseitigungsanspruchs
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Der FBA setzt zunächst ein hoheitliches Handeln voraus. Bei privatrechtlichem Handeln richtet sich der Beseitigungsanspruch nach privatrechtlichen Anspruchsgrundlagen, insbes. nach §§ 1004, 862, 12 BGB[20]. Zudem kommen nur Handlungen der öffentlichen Verwaltungin Betracht: Einer Erstreckung auf Rechtsprechungsakte stünde der Vorrang prozessualer Rechtsschutzmöglichkeiten sowie die richterliche Unabhängigkeit nach Art. 97 GG entgegen[21]. Aber auch formelle Gesetze werden zumindest grundsätzlich nicht erfasst, da sie nur unter qualifizierten Anforderungen angegriffen werden können und zudem der Gesetzgeber anderenfalls in erheblicher Weise eingeschränkt würde[22].
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Da der Anspruch auf Wiederherstellung gerichtet ist, kommt grundsätzlich nur ein positives Tunin Betracht[23]. Eine lediglich scheinbare Ausnahme bildet das Unterlassen der Wiederherstellung; denn damit wird lediglich das vorherige positive Tun verstetigt. Ausnahmsweise kann aber in folgendem Fall an ein Unterlassen der Behörde angeknüpft werden: Wird ein rechtmäßiger Zustand durch Fristablauf oder durch Eintritt einer auflösenden Bedingung rechtswidrig, so ist an das nunmehrige Unterlassen der Verwaltung anzuknüpfen.
Beispiel:
Nach Aufhebung einer Beschlagnahmeverfügung unterlässt es die Behörde, die beschlagnahmte Sache zurückzugeben[24].
2. Eingriff in ein subjektives Recht
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Das hoheitliche Handeln muss zudem einen Eingriff in ein subjektives Recht bewirken. Die Verletzung von Normen, die allein dem Interesse der Allgemeinheit dienen, kann mit Hilfe des Folgenbeseitigungsanspruchs nicht rückgängig gemacht werden. Die Unterscheidung des subjektiven Rechts von der objektiven Rechtsordnungerlangt auch an dieser Stelle Bedeutung (s.o. Rn 234).
3. Rechtswidriger Zustand
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Schließlich muss ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden sein, der noch andauert[25]. Diese Voraussetzung ist zwingend, weil ansonsten ein Ansatzpunkt für ein Rückgängigmachen fehlte. Hat sich der rechtswidrige Zustand auf irgendeine Art und Weise erledigt, greift der Folgenbeseitigungsanspruch nicht mehr ein. Er greift ferner nicht ein, wenn ein rechtswidriger Zustand zwar existiert, dieser aber auf dem Vollzug eines bestandskräftigen VA beruht[26]. Ist der ursprünglich rechtswidrige Zustand in der Zwischenzeit rechtmäßig geworden – man spricht in diesem Zusammenhang von Legalisierung – entfällt der Folgenbeseitigungsanspruch.
Beispiel:
Der ursprünglich rechtswidrige und aufgehobene VA ist durch einen rechtmäßigen VA ersetzt worden. – Die Tatsache, dass die Behörde den rechtswidrigen VA durch einen rechtmäßigen VA ersetzen kann, ist nicht hinreichend. Nach BVerwGE 80, 178 darf die Behörde jedoch den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung geltend machen, wenn sie beabsichtigt, alsbald einen rechtmäßigen Zustand herbeizuführen.
Teil IV Recht der öffentlichen Ersatzleistungen› § 25 Der Folgenbeseitigungs- und Unterlassungsanspruch› IV. Ausschluss des Folgenbeseitigungsanspruchs
IV. Ausschluss des Folgenbeseitigungsanspruchs
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Der Folgenbeseitigungsanspruch hat folgende Grenzen: Die Wiederherstellung des früheren Zustands muss (1) tatsächlich möglichsein; sie muss (2) rechtlich zulässigund schließlich (3)für die Verwaltung zumutbarsein. Die beiden ersten Voraussetzungen sind einfach zu beurteilen. Mit Blick auf die Zumutbarkeit ist festzuhalten, dass sie entfällt, wenn der Aufwand zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands unverhältnismäßig groß wird. In solchen Fällen kann sich der Folgenbeseitigungsanspruch aber in analoger Anwendung des § 251 BGB in einen Folgenentschädigungsanspruch umwandeln[27].
Beispiele für die Unmöglichkeit:
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Unmöglichkeit der Wiederherstellung eines Netzanschlusses[28]; |
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Herstellung eines ungültigen Personalausweises[29] . |
Teil IV Recht der öffentlichen Ersatzleistungen› § 25 Der Folgenbeseitigungs- und Unterlassungsanspruch› V. Umfang des Folgenbeseitigungsanspruchs
V. Umfang des Folgenbeseitigungsanspruchs
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Der FBA ist auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gerichtet ( „status quo ante“). Dadurch unterscheidet er sich von Ansprüchen, die auf eine Naturalrestitution gerichtet sind (s.o. Rn 897). Da ein völlig identischer Zustand oftmals nicht erreicht werden kann, genügt die Herstellung eines gleichwertigen Zustands.
Beispiel:
Bei Straßenarbeiten werden Blumenbeete auf einem Privatgrundstück zerstört. Hier genügt es grundsätzlich, dass neue Pflanzen gesetzt werden, die erst noch wachsen müssen[30].
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Nur die unmittelbarenFolgen eines Eingriffs erfasst der Folgenbeseitigungsanspruch. Dieses Merkmal dient zum einen der Abgrenzung zur Naturalrestitution, welche sich auch auf mittelbare Folgen erstrecken kann (s.o. Rn 897)[31]. Zum anderen wird damit eine Begrenzung auf solche Folgen bezweckt, welche dem Hoheitsträger zurechenbar sind[32]. Auf diese Weise sollen Maßnahmen ausgeblendet werden, welche auf dem eigenverantwortlichen Handeln eines Dritten beruhen[33].
Beispiel:
Ein Unternehmen wird rechtswidrig verpflichtet, nach dem Außenwirtschaftsgesetz ein Depot zu unterhalten; mangels Unmittelbarkeit kann es die Zinsen für den deshalb aufgenommenen Kredit nicht im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs fordern[34]. – Die Zinsen kann das Unternehmen nur fordern auf der Basis von Anspruchsgrundlagen, die nachfolgend in §§ 27, 28 dargestellt werden: Amtshaftung, Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs.
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Die hM bejaht die Anwendbarkeit des Rechtsgedankens des § 254 BGB. Liegt eine entsprechende Mitverantwortlichkeit[35] vor, so führt sie je nach Reichweite zunächst zur Anspruchsminderung, in besonderen Fällen sogar zum Ausschluss des Anspruchs[36]. Problematisch ist die Situation, wenn der Bürger eine unteilbare Leistung verlangt, zB den Widerruf einer ehrenrührigen Erklärung. In diesen Fällen muss es darauf ankommen, bei wem die überwiegende Schuld liegt; liegt sie beim Bürger, entfällt ein Folgenbeseitigungsanspruch, liegt sie bei der Behörde, so muss sie – um im Beispielsfall zu bleiben – die ehrenrührige Erklärung widerrufen. Ist die Leistung teilbar, so hat sich nach dem BVerwG[37] der Bürger entsprechend seinem Mitverantwortungsanteil an den Kosten zu beteiligen[38].
Teil IV Recht der öffentlichen Ersatzleistungen› § 25 Der Folgenbeseitigungs- und Unterlassungsanspruch› VI. Durchsetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs
VI. Durchsetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs
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Der Folgenbeseitigungsanspruch ist ein öffentlich-rechtlicher Anspruch; er ist deshalb vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen. Er verjährt regelmäßig in drei Jahren, vgl § 195 BGB[39]. Die statthafte Klageart ist beim allgemeinen FBA die allgemeine Leistungsklage[40]. Wenn es um die Beseitigung der Folgen des Vollzugs eines angefochtenen VA geht, also beim Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch, so hat der Bürger die Möglichkeit, im Zusammenhang mit der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO nach § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO zu beantragen, die Folgen des VA rückgängig zu machen; dabei handelt es sich in prozessualer Hinsicht um einen Annexantragzur Anfechtungsklage[41]. Hat sich der VA erledigt, so dauert der rechtswidrige Zustand nicht mehr an, und ein Vollzugs-FBA scheidet aus[42]. Muss hingegen zur Beseitigung der Folgen zunächst ein VA erlassen werden, so ist insoweit eine Verpflichtungsklage statthaft[43]; § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO findet dann analoge Anwendung[44].
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