Teil IV Recht der öffentlichen Ersatzleistungen› § 25 Der Folgenbeseitigungs- und Unterlassungsanspruch› VII. Der Unterlassungsanspruch
VII. Der Unterlassungsanspruch
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Vom FBA zu unterscheiden, aber eng mit ihm verwandt ist der Abwehranspruch als öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch. Der gemeinsame Gedanke liegt in der Vermeidung rechtswidriger Eingriffe in subjektive Rechte durch die öffentliche Verwaltung. Anders als der FBA zielt der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch aber nicht auf die Wiederherstellung des status quo ante ab, sondern auf die Vermeidung künftiger rechtswidriger Eingriffe[45]. Er ist in zwei Ausprägungen anzutreffen:
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In der Konstellation des einfachenUnterlassungsanspruchs ist bereits ein Eingriff erfolgt und dauert noch an, oder es droht jedoch ein erneuter, vergleichbarer Eingriff[46] . |
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Beim vorbeugendenUnterlassungsanspruch geht es hingegen um die Vermeidung eines erstmaligen Eingriffs[47]. |
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Die (verfassungs-)rechtlichen Grundlagen des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs entsprechen wegen der engen Wesensverwandtschaft denjenigen des FBA (s.o. Rn 899)[48]
. Auch hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen kann grundsätzlich auf die Ausführungen zum FBA verwiesen werden (s.o. Rn 900 ff)[49]. Besonderheiten ergeben sich aus der Zukunftsorientierung des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs: Eine dem FBA vergleichbare Gefährdungslagebesteht lediglich dann, wenn beim einfachen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch eine konkrete Wiederholungsgefahrvorliegt[50]
, beim vorbeugenden Unterlassungsanspruch der erstmalige Eingriff unmittelbarbevorsteht[51]. Zudem kommen die beim FBA anerkannten Ausschlussgründe(s.o. Rn 904) nicht zur Anwendung; denn die Unterlassung rechtswidriger Eingriffe ist stets möglich und zumutbar.
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Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch verjährt – ebenso wie der FBA – gemäß § 195 BGB regelmäßig in drei Jahren[52] und ist vor den Verwaltungsgerichten durch die Erhebung einer Unterlassungsklageals Unterfall der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machen[53]. Besondere Anforderungen gelten hier beim vorbeugenden Unterlassungsanspruch: Da die VwGO grundsätzlich auf nachgängigen Rechtsschutz ausgerichtet ist, bedarf es bei der vorbeugenden Unterlassungsklage eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses: Dem Anspruchsinhaber muss es unzumutbar sein, den nachgängigen Rechtsschutz abzuwarten[54].
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Lösung Fall 26 ( Rn 896):
Anspruchsgrundlage für das Verlangen des A ist der Folgenbeseitigungsanspruch. Das Handeln der Bediensteten des Trägers der Straßenbaulast erfolgt auf der Grundlage öffentlichen Rechts, ist also hoheitliches Handeln. Es greift in das Eigentum des A ein. Es ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts rechtswidrig. Der rechtswidrige Zustand dauert an. Die Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs sind erfüllt. A kann die Wiederherstellung des früheren Zustands aber nur dann verlangen, wenn er tatsächlich möglich und rechtlich zulässig ist sowie die Handlungen für die Wiederherstellung des früheren Zustands der Verwaltung zumutbar sind. Die Wiederherstellung des früheren Zustands ist tatsächlich möglich und rechtlich zulässig; Bedienstete der Verwaltung können den Mutterboden verschieben und den Zaun aufbauen; dass dieses Handeln rechtlich unzulässig ist, ist nicht ersichtlich. Der Aufwand zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ist auch nicht unverhältnismäßig groß; deshalb ist er der Verwaltung zumutbar. Die Forderung des A besteht zu Recht.
Ausbildungsliteratur:
Barczak, Behördliche Warnung vor E-Zigaretten (Fallbearbeitung), JuS 2014, 932; Brugger , Gestalt und Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs, JuS 1999, 625; Bumke , Der Folgenbeseitigungsanspruch, JuS 2005, 22; Daiber , Flüchtlingsunterbringung, JA 2016, 760; Ellerbrok , Die Grenzen der Zurechnung im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs, JURA 2016, 125; Frank , Das Eigentor (Fallbearbeitung), JuS 2018, 56; Kemmler , Folgenbeseitigungsanspruch, Herstellungsanspruch, Unterlassungsanspruch, JA 2005, 908; Mehde , Der Folgenbeseitigungsanspruch, JURA 2017, 783; Peters , Der „Ekel“-Pranger (Fallbearbeitung), JURA 2014, 752.
[1]
Baldus , in: Baldus/Grzeszick/Wienhues, Rn 21.
[2]
Mehde , JURA 2017, 783, 787. Beides vermengend hingegen Lege , JA 2016, 81, 83.
[3]
BVerwG, DÖV 1971, 857; VGH München, BayVBl. 2016, 590 ff.
[4]
OVG Münster, NWVBl. 2016, 419 ff.
[5]
BVerwG, DVBl 1970, 576; BVerwGE 59, 325 ff; 75, 355; dazu Walther , JA 1994, 199 ff.
[6]
OVG Münster, NWVBl 2015, 342, 343.
[7]
Hierzu in der Fallbearbeitung Daiber , JA 2016, 760 ff.
[8]
VGH Kassel, Beschl. v. 11.7.2017 – 8 B 1144/17, Rn 20 ff – juris.
[9]
Grundmann/Greve , NVwZ 2015, 1726, 1728.
[10]
Hierzu Hufen , VwProzR, § 28 Rn 7.
[11]
Ziekow , in: Sodan/Ziekow, GK ÖR, § 89 Rn 2.
[12]
BVerwG, NJW 2015, 2358, 2360; Erbguth/Guckelberger , § 41 Rn 2.
[13]
Zur Abgrenzung Frank , JuS 2018, 56, 58. Beispiel bei BVerwG, NVwZ 2018, 731 ff (Speicherung von Telekommunikationsdaten).
[14]
Beispiel bei OVG Hamburg, Urt. v. 20.1.2015 – 3 Bf 155/10, Rn 38 f – juris (§ 18 der Übereinkunft der Länder Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein für ein gemeinsames Justizprüfungsamt).
[15]
So am Beispiel des § 46 PolG NRW OVG Münster, NWVBl 2017, 166, 167.
[16]
Hierzu Herbst , in: Kühling/Buchner, DSGVO/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 17 DSGVO Rn 93.
[17]
BVerwG, NVwZ 2016, 541.
[18]
BVerwG, NVwZ-RR 2015, 425; Mehde , JURA 2017, 783.
[19]
Erbguth/Guckelberger , § 41 Rn 3.
[20]
Zur Abgrenzung Ellerbrok , JURA 2016, 125, 136.
[21]
Baldus , in: Baldus/Grzeszick/Wienhues, Rn 45; Mehde , JURA 2017, 783, 784.
[22]
BVerwG, NVwZ 2017, 481, 484; Mehde , JURA 2017, 783, 784. Für eine Lockerung dieses Grundsatzes jüngst Detterbeck , NVwZ 2019, 97, 98.
[23]
Erbguth/Guckelberger , § 41 Rn 4.
[24]
Hierzu Schoch , Die Verwaltung 1988, 39 ff.
[25]
OVG Münster, NWVBl 2015, 342, 343 (Wegfall eines Duldungsanspruchs nach erfolgter Abschiebung).
[26]
OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2013, 584 f.
[27]
Mehde , JURA 2017, 783, 789 f; Ziekow , in: Sodan/Ziekow, GK ÖR, § 89 Rn 8.
[28]
OVG Münster, NWVBl 2016, 419, 420.
[29]
BVerwG, NVwZ-RR 2016, 225, 226.
[30]
Erbguth/Guckelberger , § 41 Rn 12.
[31]
Maurer/Waldhoff , § 30 Rn 18.
[32]
Krit. hierzu Ellerbrok , JURA 2016, 125, 127 f.
[33]
Erbguth/Guckelberger , § 41 Rn 13.
[34]
BVerwGE 69, 366.
[35]
Da auch der FBA nicht verschuldensabhängig ist, sollte auch in diesem Zusammenhang nicht von einem „Mitverschulden“ gesprochen werden, so zu Recht Ellerbrok , JURA 2016, 125, 137.
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