2. Arten der Privatisierung
889
Es können vier Grundarten der Privatisierung unterschieden werden:
• |
die formelle, |
• |
die funktionale, |
• |
die materielle Privatisierung sowie |
• |
die reine Vermögensprivatisierung. |
Die ersten drei Grundarten zeichnen sich durch einen Aufgabenbezug aus. Hingegen geht es bei der Vermögensprivatisierunglediglich um die wirtschaftliche Verwertung von Vermögensgegenständen. Hierzu zählen etwa Grundstücke oder aber Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmen[36].
890
Von den drei aufgabenbezogenen Privatisierungsarten[37] ist die formelle Privatisierungdie schwächste Ausgestaltung. Bei ihr handelt es sich lediglich um eine Organisationsprivatisierung: Es wird eine Gesellschaft etwa zum Betrieb der Stadtwerke gegründet, deren Anteile zu 100% bei der öffentlichen Hand verbleiben. Deshalb verbleiben der öffentlichen Hand starke Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gesellschaft. Umgekehrt ist die intensivste Form der Privatisierung die materielle Privatisierung. Bei ihr gehen Aufgabenerfüllung und Aufgabenverantwortung auf den Privaten über. Die öffentliche Hand zieht sich so weit, wie dies die Rechtsordnung zulässt, aus der Aufgabenwahrnehmung zurück. Dazwischen angesiedelt ist die funktionale Privatisierung: Sie erfasst die partielle Verlagerung einer Aufgabe in den privaten Bereich. Ihr gehören die meisten anzutreffenden Privatisierungen an, insbes. die Eingehung einer Public Private Partnership[38].
3. Grenzen der Privatisierung
891
Allerdings unterliegt die Privatisierung auch gewissen Grenzen. So dürfen staatliche Kernaufgaben, insbes. im Bereich der Eingriffsverwaltung[39], nicht privatisiert werden. Zudem kann auch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG einer Privatisierung Grenzen setzen. Dies hat das BVerwG anhand eines kulturell, sozial und traditionsmäßig bedeutsamen Weihnachtsmarkts, der bisher in alleiniger kommunaler Verantwortung betrieben wurde, entschieden[40]. Abgesehen von diesen allgemeinen Grenzen sind auch bereichsspezifische Grenzenanzutreffen. So setzt etwa Art. 87e GG einer Privatisierung der Deutschen Bahn AG gewisse Grenzen[41].
Ausbildungsliteratur:
Ebeling/Tellenbröcker , Subventionsrecht als Verwaltungsrecht, JuS 2014, 217; Ehlers , Rechtsprobleme der Nutzung kommunaler öffentlicher Einrichtungen, JURA 2012, 692 und 849; Geis/Madeja , Kommunales Wirtschafts- und Finanzrecht – Teil I, JA 2013, 248; Korte , Grundlagen des Subventionsrechts, JURA 2017, 656 ff; Kramer/Bayer/Fiebig/Freudenreich , Die immer noch bedeutsame Frage nach dem Ob und dem Wie, JA 2011, 810; Pünder/Buchholtz , Einführung in das Vergaberecht, JURA 2016, 1246 und 1348; Pünder/Dittmar , Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, JURA 2005, 760.
[1]
Vert. U. Stelkens , Verwaltungsprivatrecht, 2005.
[2]
Hierzu Ziekow , in: Sodan/Ziekow, GK ÖR, § 67 Rn 21.
[3]
So etwa in § 91 BbgKVerf. Hierzu Mann , in: Erbguth/Mann/Schubert, Rn 287 ff.
[4]
Hierzu Geis/Madeja , JA 2013, 248 ff; Pünder/Dittmar , JURA 2005, 760 ff.
[5]
Zur Anwendung von Privatrecht bei der Unterlassungsklage gegen einen privatrechtlich organisierten Zeltplatz auf einem gemeindlichen Grundstück BGH, NJW 1993, 1656, erläutert von K. Schmidt , JuS 1993, 775 f.
[6]
OVG Münster, ZMR 1981, 362.
[7]
Hierzu vert. Kahl/Gärditz , Umweltrecht, 11. Aufl. 2019, § 11 Rn 80 f.
[8]
Einführend Pünder/Buchholtz , Einführung in das Vergaberecht, JURA 2016, 1246 ff und 1348 ff.
[9]
Burgi , Vergaberecht, 2. Aufl. 2018, § 1 Rn 1; Gurlit , in: Ehlers/Pünder, § 30 Rn 7.
[10]
Bonk/Neumann/Siegel , in: S/B/S, § 54 Rn 156 m.w.N.
[11]
BVerwG, NVwZ 2007, 820 ff.
[12]
Hierzu vert. Rennert , NZBau 2019, 411 ff; zsf. Siegel , NZBau 2019, 353, 357 f.
[13]
BGHZ 52, 325.
[14]
BGHZ 65, 284, 287.
[15]
BGHZ 91, 84, 96 f.
[16]
Nachw. bei Ehlers , in: Ehlers/Pünder, § 3 Rn 93 (dort Fn. 320).
[17]
Grundlegend BVerfG, NJW 2011, 1201, 1202; ebenso BVerfG, NJW 2016, 3153, 3154 f.
[18]
So etwa auch Erbguth/Guckelberger , § 29 Rn 9; Maurer/Waldhoff , § 3 Rn 29.
[19]
Burgi , Vergaberecht, 2. Aufl. 2018, § 4 Rn 4 f.
[20]
Korte , JURA 2017, 656, 659 ff.
[21]
Hierzu Kramer/Bayer/Fiebis/Freudenreich , JA 2011, 810, 815 f.
[22]
BVerwG, NVwZ 2007, 820, 823.
[23]
Hierzu auch Erbguth/Guckelberger , § 29 Rn 8.
[24]
BVerwG, NVwZ 1991, 59. Allgemein zur Nutzung öffentlicher Einrichtungen Ehlers , JURA 2012, 692 ff und 849 ff. Zur Rechtslage in Berlin als Stadtstaat, Siegel , in: ders./Waldhoff, § 2 Rn 27 ff.
[25]
Burgi , Kommunalrecht, 6. Aufl. 2019, § 16 Rn 34. Anders Hufen , VwProzR, § 11 Rn 34, der aus Perspektive der Rechtswegbestimmung die Zwei-Stufen-Theorie nur dann als einschlägig erachtet, wenn die zweite Stufe dem Privatrecht zuzuordnen ist.
[26]
Zum Ganzen Burgi , Kommunalrecht, 6. Aufl. 2019, § 16 Rn 56 mit Grafik in Rn 58.
[27]
Prägend H. P. Ipsen , Öffentliche Subventionierung Privater, 1956, S. 62 ff. Zsf. Korte , JURA 2017, 656, 665.
[28]
Eingehend Ehlers , DVBl. 2014, 1 ff.
[29]
Ziekow , Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4. Aufl. 2016, § 6 Rn 5.
[30]
Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4. Aufl. 2016, § 6 Rn 9.
[31]
Zu den Vorzügen einer Ausgestaltung durch örV Gurlit , in: Ehlers/Pünder, § 29 Rn 3.
[32]
Hierzu Ziekow , Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4. Aufl. 2016, § 6 Rn 73.
[33]
Ebenso etwa Gurlit , in: Ehlers/Pünder, § 29 Rn 3.
[34]
Zu dieser Interessenlage Erbguth/Guckelberger , § 29 Rn 17.
[35]
Bauer , JZ 2014, 1017 ff.
[36]
Maurer/Waldhoff , § 23 Rn 71.
[37]
Zur Abgrenzung Ziekow , Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4. Aufl. 2016, § 8 Rn 1-10.
[38]
Bonk/Neumann/Siegel , in: S/B/S, § 54 Rn 75.
[39]
Am Beispiel der Gefahrenabwehr Siegel , DÖV 2014, 867 f.
[40]
BVerwG, NVwZ 2009, 1305 ff.
[41]
Hierzu Fehling , DÖV 2002, 793 ff.
Teil IV Recht der öffentlichen Ersatzleistungen
Inhaltsverzeichnis
§ 24 Systematische Übersicht
§ 25 Der Folgenbeseitigungs- und Unterlassungsanspruch
§ 26 Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch
§ 27 Der Amtshaftungsanspruch
§ 28 Entschädigung für Rechtsbeeinträchtigungen
Teil IV Recht der öffentlichen Ersatzleistungen› § 24 Systematische Übersicht
§ 24 Systematische Übersicht
892
Im Verwaltungsrecht gibt es ebenso wie im Privatrecht eine Vielzahl von Beseitigungs-, Erstattungs- und Schadensersatzansprüchen. Ansprüche wegen Leistungsstörungen bei verwaltungsvertraglichen Schuldverhältnissen und anderen verwaltungsrechtlichen Sonderverbindungen wurden bereits im dortigen Sachzusammenhang behandelt (s.o. Rn 811, 818und 827). Hinzu kommen Ansprüche, die außerhalb einer solchen Sonderverbindung entstehen. Diese werden im Folgenden dargestellt. Teilweise werden sie unter dem Begriff „Staatshaftungsrecht“ zusammengefasst[1]. Jedoch erscheint der Begriff der öffentlichen Ersatzleistungen sachnäher, da er eine Fokussierung auf Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche vermeidet. Das Recht der öffentlichen Ersatzleistungen hat aber nur teilweise eine Kodifizierung erfahren; überwiegend werden die Ansprüche aus verfassungsrechtlichen Grundsätzenabgeleitet und sind richterrechtlichfortentwickelt worden.
Читать дальше