3. Nutzung öffentlicher Einrichtungen
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Einen anerkannten Anwendungsbereich der Zwei-Stufen-Theorie bildet die Nutzung öffentlicher Einrichtungen, die in der Vorlesung zum Kommunalrecht ausführlicher behandelt wird[24]. Besteht ein öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch auf Benutzung der Einrichtung (zB nach § 12 Abs. 1 BbgKVerf), dann sind zwei Stufen zu unterscheiden, auf denen die Frage der Rechtsnatur relevant wird: Auf der ersten Stufe entscheidet sich das „Ob“ des Anspruchs; dieser Anspruch ist immer öffentlich-rechtlicherNatur. Auf der zweiten Stufe – der konkreten Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses– hat der Träger der Einrichtung regelmäßig die Wahlzwischen einer privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung[25]. Mit Hilfe von Indizien ist die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses zu bestimmen (s.o. Rn 42). Insbes. erfolgt eine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses typischerweise durch Satzung, eine privatrechtliche hingegen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen.
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Kein Wahlrecht der Kommune hinsichtlich des Benutzungsverhältnisses besteht jedoch dann, wenn die Einrichtung eine privatrechtliche Organisationsformaufweist (zB Schwimmbad als GmbH). In solchen Konstellationen ist auch das Benutzungsverhältnis zwingend dem Privatrecht zuzuordnen; die Rechtsordnung gestattet hier keine Rückkehr zum öffentlichen Recht. Gleichwohl bleibt auch in solchen Konstellationen der Zugangsanspruch (und damit das „Ob“) im öffentlichen Recht verhaftet. Er ist auch hier gegen die Gemeinde gerichtet, verwandelt sich jedoch in einen Verschaffungsanspruch: Denn bei einer rechtlichen Verselbstständigung der Einrichtung – das Gleiche gilt insoweit für eine Verselbstständigung in öffentlich-rechtlicher Form (s.o. Rn 139 ff) – entsteht ein Dreiecksverhältnis zwischen Gemeinde, Bürger und der rechtlich selbstständigen Einrichtung. Gegenüber dieser (im Beispielsfall gegenüber der Schwimmbad GmbH) dürfte die Gemeinde nur dann hoheitlich tätig werden, wenn sie gesetzlich dazu ermächtigt wäre. Da dies typischerweise aber nicht der Fall ist, muss sie in sonstiger Weise auf die rechtlich selbstständige Einrichtung einwirken. Darauf ist der besagte Verschaffungsanspruch ausgerichtet[26].
4. Vergabe von Subventionen
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Einen unverändert relevanten Anwendungsbereich der Zwei-Stufen-Theorie bildet auch die Vergabe von Subventionen (s.o. Rn 43)[27]. Sie wird in den Schwerpunktbereichen des öffentlichen Wirtschaftsrechtsvertieft behandelt[28]. Ihre Kernelemente sind jedoch bereits für das Allgemeine Verwaltungsrecht von Bedeutung. Subventionen sind vermögenswerte Leistungen der öffentlichen Hand ohne marktmäßige Gegenleistungen des Empfängers zur Verwirklichung im öffentlichen Interesse liegender Ziele[29]. Subventionen erfolgen oftmals in direkter Form durch die Auszahlung einer nicht zurückzuzahlenden Geldsumme (sog. verlorene Zuschüsse), durch die Gewährung eines Darlehens, durch die Übernahme einer Bürgschaftoder in Form einer Realsubvention. Bei dieser werden Sachleistungenwie etwa Baugrundstücke kostenlos oder zumindest vergünstigt zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus kann die Begünstigung auch indirekt erfolgen, insbes. durch die Gewährung von Abgaben- oder Steuervergünstigungen[30].
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Allerdings ist die Vergabe von Subventionen nicht stets zweistufig ausgestaltet. Vielmehr kommen oftmals auch einstufige Konstellationenin Betracht. Dies gilt insbes. bei der Gewährung verlorener Zuschüsse. Sie erfolgt typischerweise einstufig durch VA (sog. Bewilligungsbescheid). Dabei nimmt der Bescheid regelmäßig auf „Bewilligungsbedingungen“ Bezug. Werden hier die Gelder nicht zweckgemäß verwendet, kommt eine Aufhebung nach § 49 Abs. 3 in Betracht (s.o. Rn 643f), und die Gelder sind nach Maßgabe des § 49a zurückzuzahlen (s.u. Rn 917 ff). Darüber hinaus kommen auch einstufige Ausgestaltungen durch örV (s.o. Rn 720 ff)[31], aber auch einstufige privatrechtliche Ausgestaltungen in Betracht, insbes. bei Realsubventionen[32].
Beispiel für eine einstufige Vergabe durch VA:
A betreibt im Bundesland N ein Busunternehmen. Er beantragt bei der zuständigen Bezirksregierung in H einen Zuschuss für die Anschaffung eines neuen Busses entsprechend den „Richtlinien für verkehrswirtschaftliche Investitionshilfen“. Die Bezirksregierung bewilligt den Zuschuss. Der Bewilligungsbescheid enthält folgende „Bewilligungsbedingungen“: 1. Für bereits eingegangene Verpflichtungen werden Zuschüsse nicht gewährt. Lieferaufträge dürfen erst dann erteilt werden, wenn eine Einverständniserklärung zum Bewilligungsbescheid eingegangen ist. 2. Dieser Zuwendungsbescheid wird gegenstandslos und der Zuschuss ist zurückzuzahlen, wenn Auflagen und Bedingungen nicht erfüllt werden.“
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Für die Zwei-Stufen-Theorie verbleiben daher nur solche Konstellationen, bei denen die Subventionsvergabe erkennbar zweistufig ausgestaltet ist. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn ein Drittereingeschaltet wird, insbes. eine Bank. Relevant wird dies vor allem bei Darlehenssubventionen. Ist hier die Bank nicht lediglich Erfüllungsgehilfe der Behörde (dann bleibt es bei der einstufigen Zuordnung zum öffentlichen Recht), sondern verfügt sie über eigene Entscheidungsspielräume(Zinssatz, Tilgungsraten), so kommt die Zwei-Stufen-Theorie zur Anwendung.
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Die Zwei-Stufen-Theorie stößt auch im Bereich des Subventionsrechts auf Kritik[33]. Es wird vorgetragen, die Differenzierung zwischen den beiden Stufen sei in der Praxis eine Fiktion. Dieses Argument stimmt jedenfalls dann nicht, wenn in die Subventionsvergabe eine Bank eingeschaltet ist (vgl. das zuvor so bezeichnete „Dreiecksverhältnis“). Im Übrigen ist die Stimmigkeit dieses Arguments eine Frage des Einzelfalls: Wenn „Bewilligungsbescheid“ und Darlehensvertrag in einem Dokument zusammenfallen, welches der Subventionsempfänger zu unterschreiben hat, ist die Annahme einer ersten Stufe sicherlich eine Fiktion. Es wird ferner als misslich betrachtet, ein einheitliches Lebensverhältnis in zwei Rechtsverhältnisse zu trennen; dieses Argument ist zutreffend, weil Folge der Differenzierung ist, dass Probleme auf verschiedenen Rechtswegen gerichtlich zu lösen sind. Es lassen sich auch die erste und die zweite Stufe nicht immer genau trennen.
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Lösung Fall 25 ( Rn 869):
Das Land Berlin darf ohne gesetzliche Grundlage Zuwendungen für im öffentlichen Interesse liegende Zwecke vergeben. Die Förderung des Wohnungsbaus ist ein öffentlicher Zweck. Die Feststellung der Förderungswürdigkeit eines Vorhabens muss eine Behörde treffen, da Mittel aus dem Staatshaushalt vergeben werden. Die Bank nimmt diese Aufgabe rechtmäßig nur dann wahr, wenn sie „Behörde“ ist; Voraussetzung für ihre Behördeneigenschaft ist, dass sie rechtmäßig beliehen worden ist. Die Beleihung geschieht durch Gesetz oder durch VA auf Grund eines Gesetzes. Die Beleihung muss das Land Berlin vornehmen. Ist sie erfolgt, darf die Bank eigenständig über die Förderungswürdigkeit eines Vorhabens entscheiden und die Zuwendung in Form eines Darlehens auszahlen.
Teil III Handlungsformen der Verwaltung› § 23 Privatrechtliches Handeln der Verwaltung› III. Grenzverlagerungen durch Privatisierung
III. Grenzverlagerungen durch Privatisierung
1. Gründe für eine Privatisierung
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Ausgehend vom angelsächsischen Bereich, ist seit den 1980er Jahren eine zunehmende Privatisierungstendenz festzustellen. Auf diese Weise sollen zunächst privater Sachverstand und Kapital in die Aufgabenerfüllung eingebunden werden. Darüber hinaus können auf diese Weise die strengen Bindungen des öffentlichen Haushaltsrechts sowie des öffentlichen Dienstrechts gelockert werden. Weiterhin verpflichten nach § 7 Abs. 1 BHO/LHO die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeitzur Überprüfung, inwieweit staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten durch Ausgliederung und Entstaatlichung oder Privatisierung erfüllt werden können[34]. Diese Privatisierungstendenz ist jedoch in vielen Bereichen ins Stocken geraten oder sogar umgekehrt worden. Auf kommunaler Ebene wird dieser Gegentrend unter dem Schlagwort der Rekommunalisierungzusammengefasst, etwas weiter als Publizisierung[35].
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