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Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeindenist in den Gemeindeordnungen gesetzlich geregelt[3]: Hier ist normiert, dass die Gemeinden wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern dürfen, wenn der Unternehmenszweck nicht besser und wirtschaftlicher bzw. ebenso gut durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann; die Gemeinden dürfen deshalb nur ausnahmsweise unternehmerisch tätig werden[4].
c) Verwaltungsprivatrecht im engeren Sinne
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In begrenztem Umfang können auch unmittelbare Verwaltungsaufgaben in der Form des Privatrechts erledigtwerden. Das ist dann der Fall, wenn Normen des öffentlichen Rechts die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe in den Formen des öffentlichen Rechts nicht zwingend vorschreiben. Für die Träger der Verwaltungsaufgaben besteht dann in doppelter Hinsicht Wahlfreiheit: mit Blick auf die Organisationsform der Einrichtung, welche die öffentliche Aufgabe erfüllen soll, sowie mit Blick auf die Ausgestaltung des Leistungs- oder Benutzungsverhältnisses.
Beispiel:
Die Gemeinden können die Wasserversorgung selbst in Form eines Regie- oder Eigenbetriebs erbringen oder von einer von ihnen beherrschten privatrechtlichen Gesellschaft, zB einer GmbH oder AG, durchführen lassen. Erfolgt die Wasserversorgung durch die Gemeinde selbst, entstehen zwischen ihr und den Wasserverbrauchern öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen; es ist aber auch möglich, die Rechtsbeziehungen privatrechtlich auszugestalten. Geschieht die Wasserversorgung durch eine GmbH, so entstehen zwischen dieser und den Wasserverbrauchern privatrechtliche Benutzungsverhältnisse[5].
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Die Wahlfreiheitbei Fehlen gesetzlicher Regelungen gilt nicht unbeschränkt. So besteht im Bereich des Umweltrechts ein öffentlich-rechtliches Entsorgungsmonopol: „Die ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung ist eine (…) Last, die als öffentlich-rechtliche Pflicht (…) besteht“[6]. Im Bereich der Entsorgung häuslichen Abfalls können Private und damit auch eine von der öffentlichen Hand beherrschte GmbH eingeschaltet werden, weil das Gesetz diese Möglichkeit vorsieht, s. § 22 KrWG[7].
2. Die besondere Rolle des Vergaberechts
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Das Vergaberecht, welches die Beschaffung von Waren, Bau – und Dienstleistungen durch staatliche oder diesen gleichgestellte Stellenzum Gegenstand hat, ist im Ausgangspunkt ebenfalls den fiskalischen Hilfsgeschäften zuzuordnen[8]. Allerdings besteht jeweils eine spezifische Verknüpfung mit der jeweiligen Verwaltungsaufgabe, zu deren Erfüllung letztlich beschafft wird[9]. So dient etwa die Errichtung einer öffentlichen Straße der Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur. Und je enger diese Verknüpfung ist, umso stärker nähert sich das Vergaberecht dem Verwaltungsprivatrecht im engeren Sinne an. Abgeschlossen wird das Vergabeverfahren durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem (öffentlichen) Auftraggeber und dem Unternehmen. Diese Vereinbarung ist grundsätzlich dem Privatrecht zuzuordnen[10]. Dabei hat das BVerwG der zuvor teilweise vertretenen Zwei-Stufen-Theorie eine berechtigte Absage erteilt[11]
. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Vergabeentscheidung in spezifischem Maße durch öffentlich-rechtliche Vorgaben geprägt wird. Aus diesem Grunde ist die Vergabe von Konzessionen, bei denen im Unterschied zur herkömmlichen Vergabe das wirtschaftliche Risiko beim Unternehmer liegt ( Beispiel:Autobahn-Maut), oftmals dem öffentlichen Recht zuzuordnen[12].
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Die der Verwaltung teilweise zustehende Wahlfreiheit führt aber nicht zur Befreiung von den Bindungen des öffentlichen Rechts. Die Bindung insbes. an die Grundrechte, aber auch an die Zuständigkeitsordnung und an die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungshandelns besteht weiter. Durch die Wahl der privatrechtlichen Handlungsform gewinnt die Verwaltung nicht Privatautonomie, weil das Privatrecht öffentlich-rechtlich überlagert wird. Dies wird schlagwortartig mit dem Grundsatz „keine Flucht ins Privatrecht“zusammengefasst.
Beispiele:
Ein in der Rechtsform der Aktiengesellschaft betriebenes und im Alleineigentum einer Gemeinde befindliches Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs ist unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden und muss bei der Tarifgestaltung den Gleichheitssatz beachten: Vergünstigung für Schülerkarten[13]; eine privatrechtlich organisierte Versorgungsgesellschaft hat im Bereich der Wasserversorgung den Gleichheitssatz einzuhalten[14]. Der BGH[15] betont die Pflicht, nicht nur die Grundrechte, sondern auch weitere öffentlich-rechtliche Grundsätze zu beachten. Bei der Gestaltung von Kindergartenentgelten besteht eine Bindung an die Grundrechte, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und an weitere, jedenfalls die substanziellen, öffentlich-rechtlichen Grundsätze.
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Insbes. für die fiskalischen Hilfsgeschäfteder Verwaltung ist jedoch immer wieder diskutiert worden, ob die Grundrechtsbindung eingeschränkt ist[16]. Das BVerfG hat jedoch in jüngerer Zeit mehrfach betont, dass Art. 1 Abs. 3 GGdie öffentliche Verwaltung ohne Einschränkung an die Grundrechte bindet[17]
. Dem hat sich zu Recht das Schrifttum angeschlossen[18]. Auch bei Vergabe öffentlicher Aufträge ist daher eine umfassende Grundrechtsbindung zu bejahen[19].
Teil III Handlungsformen der Verwaltung› § 23 Privatrechtliches Handeln der Verwaltung› II. Die Zweistufentheorie
II. Die Zweistufentheorie
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Es wurde bereits dargestellt, dass eine Handlung der öffentlichen Hand grundsätzlich entweder dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zugeordnet werden muss. Allerdings gibt es in besonderen Konstellationen auch zweistufige Entscheidungsabfolgen (sog. Zwei-Stufen-Theorie, s.o. Rn 36). Bei der Zwei-Stufen-Theorie wird auf der ersten Stufe über das „Ob“ entschieden, also die Frage, ob jemand eine Subvention erhalten oder Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung erhalten soll. Diese Stufe ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Die zweite Stufehat hingegen das „Wie“ zum Gegenstandund bezieht sich auf die vertragliche Ausgestaltung des Subventions- bzw. des Benutzungsverhältnisses. Diese zweite Stufe kann entweder dem öffentlichen Recht oderdem Privatrecht zuzuordnen sein.
2. Eingeschränkter Anwendungsbereich
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Die Zwei-Stufen-Theorie weist jedoch einen eingeschränkten Anwendungsbereich auf: So kann die Vergabe von Subventionennach dem aufgezeigten Modell zweistufig erfolgen, sie muss es jedoch nicht. Vielmehr überwiegen in der Praxis sogar einstufige Ausgestaltungen, die dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind[20]. Auch bei öffentlichen Einrichtungensah sich die Zwei-Stufen-Theorie teilweise Kritik ausgesetzt, die sich jedoch nicht durchgesetzt hat[21]. Schließlich hat das BVerwG für den Bereich des Vergaberechtsder zuvor teilweise von den Oberverwaltungsgerichten herangezogenen Zwei-Stufen-Theorie eine berechtigte Absage erteilt und Vergabestreitigkeiten grundsätzlich dem Privatrechtzugeordnet[22]
. Zu Recht hat es dies damit begründet, dass ein einheitlicher Lebenssachverhalt auseinandergerissen würde. Letztlich handelt es sich daher bei der Zwei-Stufen-Theorie um eine Art „Auffangmodell“ für nicht einstufig erklärbare Konstellationen[23].
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