Beispiele:
In der Verwaltungspraxis gibt es Austauschverträge vor allem auf dem Gebiet des Städtebau-, Bauplanungs-, Bauordnungs- und Erschließungsrechts. Insbes. kommen in Betracht Garagen- und Stellplatzverträge nach den Landesbauordnungen; Baudispensverträge; Erschließungsverträge; Verträge über die freiwillige Baulandumlegung; Bauleitplanungsverträge sowie Folgelastenverträge bei Ausweisung neuer Baugebiete für Anlagen und Einrichtungen des Gemeinbedarfs.
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Zu beachten ist, dass § 56 lediglich Aussagen zur Zulässigkeit der Gegenleistung trifft. Ob die Leistung der Behördezulässig ist, richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen. Sie muss daher insbes. die Zuständigkeit und Befugnis zur Erbringung der Leistung besitzen[98].
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Die Vorschrift des § 56 gilt lediglich für subordinationsrechtliche Verträgei.S.d. § 54 S. 2. Dies gilt auch für Abs. 2, da dieser an Abs. 1 anknüpft[99]. Für koordinationsrechtliche Verträge zwischen Hoheitsträgern entfällt eine Anwendung des Koppelungsverbots, da die Norm keine allgemeinen Grundsätze über die Zulässigkeit von Gegenleistungen im Verhältnis von Behörden zueinander enthält[100]. § 56 macht die von dem Bürger zu erbringende Gegenleistung von bestimmten Voraussetzungen abhängig. Insoweit sind zwei Fälle zu unterscheiden: § 56 Abs. 1 S. 1, der Bürger hat keinen Anspruch auf die Leistung der Behörde; § 56 Abs. 2, der Bürger hat einen Anspruch auf die Leistung der Behörde. Die Anforderungen des Abs. 1 gelten zwar auch bei gebundenen Entscheidungen; allerdings enthält Abs. 2 hier spezifischere Aussagen zur Zulässigkeit der Gegenleistung und sollte daher bei gebundenen Entscheidungen zuerst geprüft werden[101].
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§ 56 findet ferner zumindest entsprechende Anwendung auf sog . unvollständige oder hinkende Austauschverträge[102]. Darunter sind solche Austauschverträge zu verstehen, bei denen nur die von dem Vertragspartner der Behörde zu erbringende Leistung (also die Gegenleistung i. S. d. § 56) in dem Vertrag vereinbart wird, die von der Behörde zu erbringende Leistung außerhalb des Vertrags stillschweigend als Geschäftsgrundlage so vorausgesetzt wird, dass zwischen Leistung und Gegenleistung ein untrennbarer Zusammenhang besteht[103].
cc) Zulässigkeit nach § 56 Abs. 1 VwVfG
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§ 56 Abs. 1 ist einschlägig, wenn die Gegenleistung im Ermessen der Behördesteht. Für diesen müssen vier Voraussetzungenerfüllt sein, damit die Gegenleistung rechtmäßig ist. Voraussetzung ist, dass (1)die Gegenleistung für einen bestimmten Zweck im Vertrag vereinbart sein muss. Die Gegenleistung muss in der Weise zweckgebundensein, dass der mit ihr erstrebte Zweck einer an sich bestehenden gesetzlichen Verpflichtung dient, die durch den Vertrag abgelöst worden ist. Die ausdrückliche Zweckbestimmung muss regelmäßig im Wortlaut der Vertragsurkunde erscheinen. Es geht um die Kontrolle der Leistungsverwendung. Es dürfen (2)nur solche Gegenleistungen vereinbart werden, die der Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabendienen. Es geht um ein Missbrauchsverbot. Nur solche Aufgaben können durch die Gegenleistung des Bürgers finanziert werden, für die die Behörde örtlich und sachlich zuständig ist; sie hat eigene, nicht „fremde“ Aufgaben wahrzunehmen.
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Weitere Voraussetzung ist, dass (3)die Gegenleistung in sachlichem Zusammenhangmit der vertraglichen Leistung der Behörde steht. Ein innerer Zusammenhang ist gefordert; darin drückt sich das nunmehr gesetzlich niedergelegte Koppelungsverbot aus[104]. Für den inneren Zusammenhang ist ein unmittelbarer sachlicher Zweckzusammenhang nicht notwendig; deshalb sind Stellplatzablösungsverträge, die einerseits die Zahlung eines Ablösungsbetrags für Parkplatzbeschaffung und andererseits die Erteilung einer Baugenehmigung zum Gegenstand haben, zulässig[105]
. Nach § 56 Abs. 1 S. 2 muss die Gegenleistung (4)den gesamten Umständen nach angemessen[106] sein; diese Voraussetzung ist Folge der Geltung des Übermaßverbots. Wirtschaftliche Ausgewogenheit in der Höhe von Leistung und Gegenleistung ist gefordert. Die Ausgewogenheit muss objektiv feststehen. Zugunsten des Bürgers kann freilich eine geringere Gegenleistung unterhalb der Vollkosten vereinbart werden. Der Behörde ist es indes untersagt, sich Vorteile zu verschaffen, auf die sie bei einer einseitigen hoheitlichen Regelung der Rechtsbeziehung keinen Anspruch hätte[107].
dd) Zulässigkeit nach § 56 Abs. 2 VwVfG
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Wenn der Bürger einen Rechtsanspruch auf Leistung der Behördehat, schränkt § 56 Abs. 2 die nach Abs. 1 bestehenden weitgehenden Möglichkeiten ein. Ein Anspruch ist gegeben, wenn er sich als Rechtsfolge eines Gesetzes, einer Rechtsverordnung oder einer Satzung zwingend ergibt. Den Fall der Ermessensreduzierung auf Null (s.o. Rn 218) erfasst § 56 Abs. 2 ebenfalls. Besteht ein Rechtsanspruch auf Leistung der Behörde, so greift das Gegenleistungsverbot; ausgeschlossen sind dadurch aber nicht Leistungen des Vertragspartners der Behörde auf anderer Rechtsgrundlage.
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Die Behörde darf nur solche Gegenleistungen vereinbaren, die für den Fall, dass die Behörde einen VA erlassen hätte, sicherstellensollen, dass die gesetzlichen Voraussetzungendes VA erfüllt werden, § 56 Abs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 1, 2. Alt. Art und Umfang der Gegenleistung dürfen nur solche Forderungen zum Gegenstand haben, die zur Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands notwendig sind. Die Gegenleistungen dürfen ferner dem Zweck des VA nicht zuwiderlaufen. Unzulässig ist deshalb zB die Koppelung einer Baugenehmigung mit dem Verzicht auf weitere rechtmäßige Baumaßnahmen[108].
Teil III Handlungsformen der Verwaltung› § 17 Der öffentlich-rechtliche Vertrag› VI. Der fehlerhafte öffentlich-rechtliche Vertrag
VI. Der fehlerhafte öffentlich-rechtliche Vertrag
1. Grundkategorien der Fehlerfolgen
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Die Fehlerfolgen beim VA wurden bereits an früherer Stelle dargestellt (s.o. § 14). Dort ist – neben der offenbaren Unrichtigkeit als unechter Fehlerfolge – zwischen der schlichten Rechtswidrigkeit und der Nichtigkeit zu unterscheiden. Dabei bildet die schlichte Rechtswidrigkeit den Regelfall: Ein schlicht rechtswidriger VA ist wirksam und muss angefochten werden, damit er nicht in Bestandskraft erwächst. Auch beim örV hat der Gesetzgeber in § 59bei Vorliegen eines der dort genannten Gründe die Nichtigkeitals Rechtsfolge angeordnet. Ist der örV rechtswidrig, liegt aber keiner der Nichtigkeitsgründe des § 59 vor, so ist der Vertrag wirksam und kann zumindest grundsätzlich nicht angefochten werden. Die schlichte Rechtswidrigkeit ist also grundsätzlich keine relevante Fehlerfolge[109]. Lediglich unter den Voraussetzungen des § 60 besteht eine Möglichkeit zur Kündigung eines örV, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen (dazu Rn 802 ff).
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Da die Nichtigkeitdie zentrale Fehlerfolge beim örV bildet, sollte auch in Prüfungsarbeitenin den jeweiligen Obersätzen stets mit der Kategorie der Wirksamkeit und der Vorschrift des § 59 gearbeitet werden. Innerhalb dieses Obersatzes ist sodann zunächst auf die Rechtmäßigkeit einzugehen. Denn ein rechtmäßiger örV ist wirksam. Wird umgekehrt als erster Zwischenschritt die Rechtswidrigkeit festgestellt, so tritt die Fehlerfolge der Nichtigkeit nur dann ein, wenn zugleich ein Nichtigkeitsgrund nach § 59 vorliegt.
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