757
Streitig ist, ob die Unterschriften auf derselben Urkunde geleistet werden müssen, wie dies § 126 Abs. 2 S. 1 BGB für den zivilrechtlichen Vertrag vorsieht, wenn für ihn Schriftform angeordnet ist (Grundsatz der Urkundeneinheit)[69]. In der Rechtsprechung lassen sich zunehmend Beispiele für eine Abkehr vom Erfordernis der Urkundeneinheit finden: Dies gilt etwa für einseitig verpflichtende örVe, wenn dem schriftlichen Vertragsangebot eine unmissverständliche schriftliche Annahmeerklärung der Behörde gegenübersteht[70]. Das BVerwG hat ferner für einen zwischen zwei Bundesländern geschlossenen koordinationsrechtlichen Vertrag zur Kostenerstattung im Maßregelvollzug angenommen, für die Wahrung der Schriftform des § 57 reiche ein Briefwechsel aus, wenn die Zusammengehörigkeit der beiden Erklärungen nach den Umständen zweifelsfrei sei[71]. Im Schrifttum wird inzwischen überwiegend angenommen, dass das Erfordernis der Urkundeneinheit bereits de lege lata entbehrlich sei[72]. Denn die Gründe, mit denen in der Rechtsprechung die Ausnahmen vom Erfordernis der Urkundeneinheit begründet werden, lassen sich grundsätzlich auch auf zweiseitig verpflichtende subordinationsrechtliche Verträge übertragen[73].
bb) Strengere Formanforderungen
758
Das Erfordernis der Schriftform ist freilich nur ein Regelerfordernis. Es gilt, „soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist“. Hierunter ist eine jedenfalls weitergehende Form zu verstehen, sodass die Schriftform nahezu immer Mindestformist. Eine weitergehende Form ist etwa die notarielle Beurkundung.
Beispiel:
Ein Erschließungsvertrag nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr 1 BauGB bedarf nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Form eines Vertrags der notariellen Beurkundung, wenn auch ein Grundstückskauf und die Eigentumsübertragung sein Gegenstand ist[74].
759
Umstritten ist, ob § 57 auch Formerleichterungen zulässt. Nach lange überwiegender Ansicht, die sich auf die Gesetzesbegründung stützen konnte[75], sind lediglich strengere Formanforderungen zulässig[76]. Allerdings verliert gerade in den Bereichen moderner Massenverwaltungdie Warnfunktion zunehmend an Bedeutung[77]. Diese teleologischen Erwägungen sprechen letztlich für die Zulässigkeit auch von Formerleichterungen. Von einem Verzicht auf das Schriftformerfordernis ist etwa auszugehen beim Abschluss von Verträgen zur Benutzung einer öffentlichen Anstalt durch Aushändigung einer Eintrittskarte. Der Verzicht auf die Schriftform ergibt sich hier typischerweise aus der Benutzungssatzung. Eine Satzung genügt als Rechtsgrundlage; § 57 spricht von „Rechtsvorschrift“, nicht aber von einem Gesetz im formellen Sinn.
c) Zustimmungserfordernisse
760
§ 58 behandelt die Rechte Dritter und die Kompetenzen mitwirkungsverpflichteter Behörden bei einem Abschluss eines örV. Die Norm will sicherstellen, dass zum einen der Schutz in ihren Rechten berührter Dritter gewahrt bleibt sowie zum anderen die öffentliche Kompetenzordnung eingehalten wird[78]. Besteht das Recht zur Mitwirkung nur für einen Teil des Vertrags, so kann der nicht mitwirkungsbedürftige Teil des Vertrags von vornherein wirksam sein. Die Möglichkeit der Aufspaltung des Vertrags in einen mitwirkungsbedürftigen und einen nicht mitwirkungsbedürftigen Teil richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
761
Nach § 58 Abs. 1 wird ein örV, der in Rechte eines Dritten eingreift, erst dann wirksam, wenn der Dritte schriftlich zustimmt. § 58 Abs. 1 schließt damit einen örV zu Lasten Dritter aus. „Dritter“ i.S.d. Abs. 1 ist jedes beteiligungsfähige Privatrechtssubjekt, welches nicht Vertragspartei ist. Ein „Eingriff in Rechte eines Dritten“ liegt vor, wenn objektiv der rechtliche Status des Dritten durch den Vertragsabschluss verschlechtert oder beeinträchtigt wird. Das ist der Fall, wenn der rechtliche status quo ante des Dritten in einen status quo ante minus verwandelt wird[79]. Die praktische Bedeutung des § 58 Abs. 1 liegt insbes. in Verträgen, die an Stelle des Erlasses eines VA mit Doppelwirkung abgeschlossen werden.
Beispiel:
An Stelle des Erlasses einer Baugenehmigung, die Auswirkungen auf die Nachbarn hat, wird ein öffentlich-rechtlicher Vertrag abgeschlossen, der dem Bürger den Bau eines Vorhabens erlaubt.
762
Von § 58 Abs. 1 unzweifelhaft erfasst werden Verfügungsverträge. Nach hM können aber auch Verpflichtungsverträgedas Zustimmungserfordernis auslösen (zu den Begriffen s.o. Rn 743)[80]. Begründet wird dies überwiegend damit, dass § 58 Abs. 1 allgemein Verträge zu Lasten Dritter untersage und dass anderenfalls ein auf den Verpflichtungsvertrag gestützter VA rechtmäßig wäre. Bei genauerer Betrachtung erfolgt der eigentliche Eingriff aber (erst) mit dem Verfügungsvertrag. Und ein auf den Verpflichtungsvertrag gestützter VA ist nicht alleine aus diesem Grunde rechtmäßig, sondern nur nach Maßgabe des bei Erlass geltenden Rechts. Daher sprechen die besseren Gründe dafür, bei Verpflichtungsverträgen kein Zustimmungserfordernis nach Abs. 1 anzunehmen[81].
763
Die Zustimmung des Drittenmuss schriftlich erfolgen; die Erklärung muss also von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden; die Niederschrift einer Behörde oder eine gerichtliche Protokollierung ist nicht hinreichend. Eine konkludente Zustimmung muss deshalb entfallen. Schweigen bedeutet also Verweigerung der Zustimmung. Die Zustimmung des Dritten kann vor Abschluss des Vertrags (Einwilligung, § 183 BGB) oder nachträglich (Genehmigung, § 184 BGB) erteilt werden. Sowohl die Einwilligung als auch die Genehmigung haben ex-tunc-Wirkung; sie machen den Vertrag von Anfang an wirksam.
bb) Zustimmung von Behörden
764
Nach § 58 Abs. 2 wird ein Vertrag, der anstatt eines VA abgeschlossen wird, bei dessen Erlass nach einer Rechtsvorschrift die Genehmigung, die Zustimmung oder das Einvernehmen einer anderen Behörde erforderlich ist, erst dann wirksam, nachdem die andere Behörde in der vorgeschriebenen Form mitgewirkt hat. Von § 58 Abs. 2 werden lediglich die Genehmigung, die Zustimmung und das Einvernehmen erfasst und damit konsensabhängige Beteiligungsformen. Bei den sonstigen, nicht konsensabhängigen Beteiligungsformen, wie zB die Information, die Beratung, die Anhörung, die gutachterliche Stellungnahme oder die Herstellung von Benehmen, besteht demgegenüber kein Zustimmungserfordernis[82].
765
Die Mitwirkung muss durch Rechtsvorschriftzwingend vorgeschrieben sein. Rechtsvorschrift bedeutet Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung. Die Anordnung einer Mitwirkung durch Verwaltungsvorschrift ist demgegenüber nicht hinreichend. Die Formder Mitwirkung regelt das einschlägige Recht. Im Zweifel ist Schriftform als Mindestform notwendig. Für das Schweigen der zur Mitwirkung verpflichteten Behörde und die Verweigerung ihrer Mitwirkung gilt das zuvor zu § 58 Abs. 1 Dargestellte. Es ist allerdings möglich, dass die Gesetze eine mitwirkungsberechtigte Behörde verpflichten, ihre Mitwirkung innerhalb einer bestimmten Frist auszuüben; teilweise gehen die Gesetze davon aus, dass dann, wenn die Behörde innerhalb der Fristnicht „antwortet“, der notwendige Mitwirkungsakt fingiert wird (zum fiktiven VA s.o. Rn 406 ff).
Beispiel:
Nach § 6 BauGB bedarf der Flächennutzungsplan der Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde; nach Abs. 4 S. 1 1. HS ist über die Genehmigung binnen drei Monaten zu entscheiden; nach Abs. 4 S. 4 gilt die Genehmigung als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der Drei-Monats-Frist unter Angabe von Gründen abgelehnt wird.
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