Der Bebauungsplan wird entsprechend dem Entwicklungsgebot (§ 8 Abs. 2 S. 1 BauGB) in der Regel jedoch aus dem Flächennutzungsplan entwickelt. In diesem Fall hat die Anpassungspflicht gemäß § 1 Abs. 4 BauGB primär Auswirkungen auf den Flächennutzungsplan.
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Lediglich in Fällen in denen kein Flächennutzungsplan gegeben ist ( einstufige Bauleitplanung, s.o. Rn. 67 f.) kommt der Anpassungspflicht eine eigenständige Bedeutungzu. Die Anpassungspflicht setzt insbesondere voraus, dass
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es sich begrifflich um Ziele der Raumordnung handelt, |
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diese rechtmäßig bzw. nicht unwirksam sind und |
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keine Zielabweichung (§ 6 Abs. 2 ROG) möglich ist bzw. in Anspruch genommen wird. |
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Unter Anpassenwird zunächst verstanden, dass im Aufstellungsverfahren der Bebauungspläne die Ziele der Raumordnung zu beachtensind. Der zulässige Abweichungsspielraum der Gemeinde richtet sich nach dem Konkretisierungsgrad der Ziele, d.h. nach ihrer inhaltlichen Dichte. Innerhalb dieser Grenzen ist die Gemeinde strikt an die landesplanerischen Ziele gebunden. Sie kann diese nicht im Wege der Abwägung gemäß § 1 Abs. 7 BauGB überwinden. Dies ist damit zu begründen, dass den Zielen der Raumordnung selbst ein Abwägungsvorgang zugrunde liegt. An diesem sind die Gemeinden zu beteiligen, um ihre örtlichen Belange in die überörtlichen Ordnungsvorstellungen der Landesplanung einbringen zu können. Weitere gemeindliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die Landesplanung bestehen nicht. Weiterhin resultiert eine Anpassungspflicht, d.h. bestehende Bebauungsplänemüssen bei einer nachträglichen Zieländerung angepasstwerden.[135]
Hinweis
Das Raumordnungsrecht zählt, wie sich aus § 8 Abs. 2 Nr. 9 JAPrO ergibt, nicht zum Pflichtfachstoff in der Ersten Juristischen Prüfung, so dass von Ihnen Kenntnisse in diesem Bereich nicht erwartet werden. Etwas anderes kann sich jedoch aus den Anforderungen im universitären Schwerpunktbereich ergeben.
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Wiederholen Sie das Bestimmtheitsgebot.
Bebauungspläne werden gemäß § 10 Abs. 2 BauGB als Satzung erlassen und stellen somit Rechtsnormen dar. Die Festsetzungen eines Bebauungsplanes betreffen sowohl die unmittelbar von den Festsetzungen betroffenen Grundstücke, wie auch die benachbarten Grundflächen.[136] Daher müssen sie dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheitgenügen.
Das Bestimmtheitsgebot verlangt zunächst inhaltliche Normenklarheit. Dies bedeutet, dass der Inhalt der planerischen Festsetzungen im Bebauungsplan in größtmöglichem Maße eindeutig ist. Dies ist erforderlich, damit die Betroffenen erkennen können, welchen Beschränkungen ihr Grundstück unterworfen bzw. welchen Belastungen es ausgesetzt ist.[137] und inwieweit die öffentliche Gewalt in seinen Rechtskreis eingreifen darf. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist zulässig, wenn durch Auslegung ermittelt werden kann, welche konkreten Pflichten dem Bürger auferlegt werden bzw. was dieser zu erwarten hat.
Des Weiteren muss der Bebauungsplan eine hinreichende Regelungsdichteaufweisen. Die hinreichende Regelungsdichte fehlt, wenn die Gemeinde als Satzungsgeber offen oder verdeckt die ausschließlichen Entscheidungsbefugnisse auf die normvollziehende Verwaltung oder auf Personen, die den Bebauungsplan anzuwenden haben, überträgt.[138]
Beispiele
Zu unbestimmt sind folgende Festsetzungen:[139]
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Festsetzung einer Fläche für den Gemeinbedarf ohne jede nähere Konkretisierung |
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Festsetzung der Gebäudehöhe auf etwa 7,5 m |
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Ausweisung einer identischen Fläche als Gewerbegebiet und zugleich als Fläche für den Gemeinbedarf (widersprüchliche Festsetzungen) |
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Fehlende Abgrenzung verschiedener Baugebiete |
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in zwei ausgefertigten Exemplaren eines Bebauungsplans sind die Grenzen des Baugebietes unterschiedlich eingezeichnet |
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Festsetzung eines Erholungsgebietes ohne nähere Konkretisierung |
d) Beachtung des Planungsrahmens (Vorgaben der BauNVO)
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Die zulässigen Inhalte eines Bebauungsplanes regelt § 9 BauGB abschließend (s. Rn. 106). Die BauNVO, die als Rechtsverordnung des Bundes auf § 9a Nr. 1–3 BauGB basiert, ergänzt und konkretisiert die Vorschriften zur Bauleitplanung (§§ 1–13 BauGB) und die Vorschriften hinsichtlich der Zulässigkeit von Vorhaben (§§ 29–38 BauGB). Die BauNVO regelt, das BauGB ausführend, die Artder baulichen Nutzung, wie die Gliederung in Bauflächen (§ 1 Abs. 1 BauGB) und Baugebiete (§§ 1 Abs. 2, 2–14 BauNVO), und das Maßder baulichen Nutzung (§§ 16–21a BauGB), sowie die Bauweiseund die überbaubaren Grundstücksflächen, § 22 f. BauNVO. In einem qualifizierten Bebauungsplan müssen gemäß § 30 Abs. 1 BauGB zumindest diese Festsetzungen zumindest enthalten sein (s.o. Rn. 99).
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Ein qualifizierter Bebauungsplanist fehlerhaft, wenn die in §§ 9, 9a Nr. 1–3 BauGB i.V.m. der BauNVO genannten zulässigen Möglichkeitenüberschritten wurden (s. ausführlich Rn. 104 ff.).
Dies ist insbesondere der Fall, wenn
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die Art der baulichen Nutzung (§ 1 Abs. 3 S. 2, §§ 2–14 BauNVO unter Beachtung der Ausnahmen in § 1 Abs. 4–9 BauNVO), |
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das Maß der baulichen Nutzung (§§ 16–21a BauNVO) oder |
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die Bauweise der überbaubaren Grundstücksflächen (§ 22 f. BauNVO) |
nicht eingehalten wurde.
Hinweis
Im Hinblick auf ihre planerische Gestaltungsfreiheit wird die Gemeinde durch § 9 Abs. 1–3 BauGB beschränkt. Trifft der Bebauungsplan Festsetzungen, die über die abschließend aufgezählten zulässigen Festsetzungen hinausgehen, so ist dieser unwirksam.
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Gemäß § 9 Abs. 4 BauGB können die Länder durch Rechtsvorschrift bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften des BauGB Anwendung finden. Dies sind örtliche Bauvorschriften i.S.d. § 9 Abs. 4 BauGB i.V.m. § 74 LBO (s. Rn. 93).
e) Interkommunales Rücksichtnahmegebot, § 2 Abs. 2 BauGB
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§ 2 Abs. 2 BauGB normiert, dass Bauleitpläne, also auch Bebauungspläne, benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen sind (interkommunales Rücksichtnahmegebot). Das interkommunale Rücksichtnahmegebot wird relevant, wenn erkennbar wird, dass durch eine Bauleitplanung auch berechtigte und relevante Interessen der Nachbargemeindenbetroffen sein können.[140] Es begründet zugunsten benachbarter Gemeinden einen Anspruch auf materielle Abstimmung, der auf Rücksichtnahme und Vermeidung unzumutbarer Auswirkungen auf die Nachbargemeinde gerichtet ist.[141] Die Grundlage des interkommunalen Rücksichtnahmegebots ist die Planungshoheit der benachbarten Gemeinde gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Hiernach braucht keine Gemeinde hinzunehmen, dass ihre Planungshoheit durch fremde Planungen rechtswidrig verletzt wird.[142] Benachbarte Gemeinden stehen sich mit ihrer Planungsbefugnis im Verhältnis der Gleichordnung gegenüber.[143]
Hinweis
Benachbartist eine Gemeinde bereits dann, wenn sie von den Auswirkungender jeweiligen Planung betroffenist. Ein unmittelbares räumliches Aneinandergrenzenist daher also nicht erforderlich.[144] Dies stellt jedoch ein wichtiges Indizdar.[145] Je nach der Bedeutung der Planung kann sich die Abstimmungspflicht auch auf Gemeinden erstrecken, die räumlich weit von der planenden Gemeinde entfernt sind.
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