Hinweis
Denken Sie daran, dass ein Diebstahl von Waffenauch immer ein Diebstahl mit Waffeni.S.v. § 244 Abs. 1 Nr. 1a sein kann.[39] Das setzt allerdings voraus, dass die entwendeten Waffen einsatzbereit sind, da sie nur dann die für § 244 Abs. 1 Nr. 1a erforderliche objektive Gefährlichkeit haben. § 244 Abs. 1 Nr. 1a muss also in diesen Fällen stets geprüft werden. Liegt er vor, so verdrängt er als Qualifikation § 242 und damit auch den an § 242 „hängenden“ besonders schweren Fall des § 243 (lesen Sie hierzu auch die Rn. 176).
2. Teil Straftaten gegen das Eigentum› C. Besonders schwere Fälle des Diebstahls› IX. Ausschluss eines besonders schweren Falles
IX. Ausschluss eines besonders schweren Falles
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Nachdem Sie in der Klausur die infrage kommenden Regelbeispiele durchgeprüft haben, müssen Sie sich – sofern es Anhaltspunkte im Sachverhalt gibt – nun mit der Frage auseinander setzen, ob der festgestellte besonders schwere Fall ausnahmsweise gem. § 243 Abs. 2 ausgeschlossen sein könnte.
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Ein solcher Ausschluss ist anzunehmen, wenn sich der Diebstahl auf eine geringwertige Sache „bezieht“. Nach überwiegender Auffassung genügt für dieses „Beziehungsverhältnis“ allerdings nicht, dass die Sache nur objektiv geringwertigist. Erforderlich ist vielmehr, dass sich analog § 15 auch der Vorsatzdes Täters auf die Wegnahme einer geringwertigen Sache bezieht. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, so greift die Ausschlussklausel nicht.[40]
Beispiel
A steigt wieder durch ein Seitenfenster in den Modeladen des C ein und entwendet dieses Mal eine Perlenkette, von welcher er annimmt, dass es sich um Modeschmuck handelt. Tatsächlich handelt es sich um die echte Perlenkette (Wert: 2000 €) der Großmutter, die diese dem C zu Dekorationszwecken geliehen hat.
Hier liegt objektiv keine geringwertige Sache vor, so dass die Ausschlussklausel nicht greift. Dasselbe würde im umgekehrten Fall gelten, wenn A also eine objektiv wertlose Sache wegnähme in der Annahme, es handele sich um eine wertvolle.
JURIQ-Klausurtipp
Da allerdings die Regelbeispiele nur indizielle Wirkung haben, ist es gleichwohl möglich, in den vorgenannten Beispielen aufgrund einer Gesamtwürdigung von Tat und Täter, in welche die Geringwertigkeit einfließen kann, einen besonders schweren Fall abzulehnen.[41] In der Klausur sollten Sie das wiederum nur in Betracht ziehen, wenn eindeutige Anhaltspunkte vorliegen, die Ihnen eine plausible Begründung ermöglichen. Grundsätzlich gilt: Liegen die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 243 Abs. 2 nicht vor, so greift der Ausschluss nicht.
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Die Wertigkeit der Sache bestimmt sich nach dem objektiven Verkehrswert, d.h. dem Verkaufswert der Sache. Im Hinblick auf die stetige Inflation kann die Geringwertigkeitsgrenzeinzwischen bei 50 €angesetzt werden.[42] Gegenstände, die keinen messbaren Verkaufswert haben, unterfallen nicht dem § 243 Abs. 2.
Beispiel
Gerichtsakten, EC-Karten, Personalausweise, Ihre Examensklausuren.
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Wie schon bei § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ausgeführt, ergeben sich auch bei der Anwendung des § 243 Abs. 2 Schwierigkeiten, wenn sich der Vorsatzdes Täters während der Tatausführung, also zwischen Versuch und Vollendung, ändert.
Beispiel
A steigt wieder in den Modeladen des C ein, um dieses Mal die Perlenkette der Großmutter zu entwenden. Im Laden entscheidet er sich jedoch um und nimmt eine wertlose Plastikuhr mit.
Hier war bei Versuchsbeginn der Vorsatz des A auf die Wegnahme einer wertvollen Sache gerichtet. Dieser Vorsatz änderte sich jedoch bei fortbestehendem Stehlwillen und bezog sich schließlich auf eine wertlose Sache, die auch tatsächlich mitgenommen wurde, so dass man § 243 Abs. 2 für anwendbar halten könnte.
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Nach herrschender Ansichtwird das Geschehen als eine Einheitangesehen, sofern der Täter zwischenzeitlich nicht seinen Vorsatz aufgibt und einen neuen Vorsatz fasst. War der Vorsatz des Täters zunächst bei Eintritt der Tat in das Versuchsstadiumauf eine hochwertige Sache gerichtet, dann greift die Ausschlussklausel des Abs. 2 nicht, da der Handlungsunwert des Täters erhöht war. Wäre der Täter zu diesem Zeitpunkt unverrichteter Dinge abgezogen, wäre eine Bestrafung nach den §§ 242, 243, 22, 23 erfolgt. Eine Änderung der Beurteilung kann dann nicht dadurch hervorgerufen werden, dass der Täter tatsächlich später eine geringwertige Sache mitnimmt.[43]
Beispiel
Hätte A nach dem Einsteigen erkannt, dass die Perlenkette gar nicht mehr da ist und unverrichteter Dinge den Laden des C verlassen, so wäre er, da er in den Laden eingestiegen ist, wegen versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall verurteilt worden. Der Umstand, dass im obigen Fall A tatsächlich etwas mitnimmt, was geringwertig ist, würde ihn, wenn man Abs. 2 nun anwenden würde, im Gegensatz zur Versuchskonstellation ungerechtfertigt privilegieren.
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Eine gegenteilige Auffassung spaltet das Geschehen aufund bestraft wegen Versuchs in Tateinheit mit Vollendung – je nachdem in einem besonders schweren Fall.[44] Dieser Ansicht wird entgegengehalten, dass die Aufspaltung dem einheitlichen Charakter des Geschehensablaufes widerspräche,[45] der unter anderem darin zum Ausdruck kommt, dass der Vorsatz des Täters während der Tatbegehung durchgängig auf die Begehung eines Diebstahls gerichtet war.
Beispiel
Im obigen Fall wäre A nach dieser Ansicht wegen versuchten Diebstahls an der Perlenkette in einem besonders schweren Fall und einfachen Diebstahls an der Uhr (hier würde Abs. 2 des § 243 greifen) zu verurteilen.
JURIQ-Klausurtipp
Wie bereits oben unter Rn. 111ausgeführt kann auch nach herrschender Auffassung eine Aufspaltung des Geschehensin Betracht kommen, allerdings nur, wenn es eine Zäsur beim Vorsatzgibt. Lesen Sie insofern Ihren Sachverhalt sorgfältig!
2. Teil Straftaten gegen das Eigentum› C. Besonders schwere Fälle des Diebstahls› X. Versuch und Regelbeispiel
X. Versuch und Regelbeispiel
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Das Zusammenspiel von Versuch und Regelbeispielkann in der Klausur problematisch werden. Dabei sind 3 Konstellationen zu unterscheiden:
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Der Täter hat den Diebstahl nur versucht, aber dabei eines der Regelbeispiele verwirklicht. |
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Der Täter hat den Diebstahl nur versucht und auch das Regelbeispiel nur „versucht“. |
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Der Täter hat den Diebstahl vollendet, aber das Regelbeispiel nur „versucht“. |
Die erste Konstellation ist unproblematisch und nicht umstritten. Anders die beiden anderen Fallkonstellationen, die aufgrund des Streits zwischen Rechtsprechung und Literatur zu den Klausurklassikern gehören.
1. Der Täter hat den Diebstahl nur versucht, aber dabei eines der Regelbeispiele verwirklicht
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Ist der Diebstahl im Versuchstecken geblieben, das Regelbeispiel aber voll verwirklichtworden, so liegt ein versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall vor.
Beispiel
Im obigen Beispielsfall ist A durch das Seitenfenster in den Modeladen des C eingestiegen, hat nun aber nichts Stehlenswertes gefunden und ist unverrichteter Dinge wieder nach Hause gegangen.
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