Die Wegnahme war bereits vollendet, als A die Jeans anzog und seine eigene Hose darüber zog, da A damit die Jeans in seine Gewahrsamsenklave verbrachte. Der Kaufhausinhaber verlor zu diesem Zeitpunkt den bis dahin an der Jeans bestehenden Gewahrsam. Das Sicherungsetikett hat diese Wegnahme nicht verhindern können. Es hat lediglich die Aufdeckung des Diebstahls ermöglicht.
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Auch Verpackungenoder Verschnürungen, die lediglich den Inhalt zusammenhalten sollen, oder Behältnisse, die den Inhalt lediglich vor visueller Wahrnehmung schützen sollen, haben keine Sicherungsfunktion.[30]
Beispiel
Ein einfacher Briefumschlag dient lediglich der Verpackung und dem Schutz vor visueller Wahrnehmung durch Dritte und ist damit kein verschlossenes Behältnis. Anders hingegen ein versiegelter Briefumschlag: Dieser unterfällt der Nr. 2, da in dem Siegel eine besondere Schutzvorrichtung gesehen werden kann.[31]
Ein mit einem Zahlenschloss versehener Koffer ist hingegen ein verschlossenes Behältnis. Er dient zwar zum einen der Beförderung, aber zum anderen aufgrund des Schlosses auch der Sicherung des Inhalts vor unbefugter Wegnahme.
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Der Grund zur Strafschärfungliegt bei § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 in der größeren deliktischen Energie, die der Täter aufwenden muss, um an die zu stehlenden Sachen heranzukommen, und die Bedenkenlosigkeit, mit der der Täter sich über die Gewahrsamssicherung des Eigentümers hinwegsetzt.
So ist bei Schlüsseln, mithilfe derer ein verschlossenes Behältnis geöffnetwird, zu unterscheiden, wie der Täter in den Besitz des Schlüssels gelangt ist. Hat er den Schlüssel entwendet, dann liegt zumeist das Regelbeispiel vor. Das gilt auch dann, wenn der Schlüssel selber nicht gegen Wegnahme gesondert gesichert ist, da der Wortlaut des § 243 Abs. 1 Nr. 2 nur auf das Behältnis abstellt. Bei der Wegnahme des Schlüssels gilt etwas anderes nur dann, wenn der Schlüssel im Schloss steckt oder direkt neben z.B. dem Tresor hängt, da es in diesen Fällen an einer schutzbedürftigen Wegnahmesicherung des Behältnisses fehlt. Wurde dem Täter hingegen der Schlüssel überlassen und hat er ihn nur unberechtigt gebraucht, dann scheidet § 243 Abs. 1 Nr. 2 aus.[32]
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Umstritten ist, ob die Nr. 2 auch dann verwirklicht ist, wenn der Täter das Behältnis als Ganzesfortschafft, um es danach an einem sicheren Ort aufzubrechen und den Inhalt mitzunehmen. Teilweise wird unter Hinweis auf den o.g. Strafgrund die Annahme der Nr. 2 abgelehnt.[33] Die überwiegende Auffassung sieht es jedoch als unerheblich an, wie und wo das Behältnis aufgebrochen bzw. die Schutzvorrichtung überwunden wird. Dieser Auffassung zufolge liege in der Verbringung der Sache sogar eine noch höhere kriminelle Energie.[34]
2. Teil Straftaten gegen das Eigentum› C. Besonders schwere Fälle des Diebstahls› IV. Der gewerbsmäßige Diebstahl, § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
IV. Der gewerbsmäßige Diebstahl, § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
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Auch der gewerbsmäßige Diebstahl stellt regelmäßig einen besonders schweren Fall dar.
Gewerbsmäßighandelt der Täter, wenn er sich durch wiederholte Tatbegehung in Zukunft eine Haupt- oder Nebeneinnahmequelle verschaffen will.[35]
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Diese Einnahmequellemuss von gewisser Dauer und Erheblichkeit sein. Da es ausschließlich auf den Willen des Täters ankommt, können diese Voraussetzungen bereits bei der ersten Tat vorliegen.[36] Es ist also nicht erforderlich, dass der Täter zum Zeitpunkt seiner Ergreifung bereits mehrere Diebstähle begangen hat.
JURIQ-Klausurtipp
Beachten Sie, dass Nr. 3 ausschließlich subjektiv geprüftwird. Für diese Absicht müssen im Sachverhalt Anhaltspunkte vorhanden sein. Allein der Umstand, dass der Täter in der Vergangenheit gelegentlich Diebstähle begangen hat, reicht dabei noch nicht aus. Vielmehr müssen Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass er auch in Zukunft weitere Diebstähle begehen möchte.
Die Gewerbsmäßigkeit muss sich auf den konkret weggenommenen Gegenstandbeziehen, es bedarf also eines inneren Zusammenhangs. Handelt ein Täter z.B. bezüglich einzelner Gegenstände gewebsmäßig, bedeutet das nicht zwingend, dass er auch bezüglich eines dafür evtl. erforderlichen Transportbehältnisses gewerbsmäßig handelt.
Beispiel
In unserem obigen Beispielsfall ( Rn. 81) hat der BGH [37] hinsichtlich der sich auf den Paletten befindlichen, zuvor entwendeten Waren die Gewerbsmäßigkeit des Handelns bejaht. Hinsichtlich des Aufliegers, den die Täter nur einmal zum Abtransport verwendeten, hat er jedoch die Gewerbsmäßigkeit wegen des fehlenden inneren Zusammenhanges verneint. Der Auflieger diente ausschließlich und einmalig der besseren Verwertung der bereits erlangten Tatbeute.
2. Teil Straftaten gegen das Eigentum› C. Besonders schwere Fälle des Diebstahls› V. Kirchendiebstahl, § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 4
V. Kirchendiebstahl, § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 4
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Bei diesem Regelbeispiel stiehlt der Täter aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude einen Gegenstand, der der religiösen Verehrung dient. Hierzu können etwa Madonnen oder Kruzifixe gehören.
2. Teil Straftaten gegen das Eigentum› C. Besonders schwere Fälle des Diebstahls› VI. Der gemeinschädliche Diebstahl, § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 5
VI. Der gemeinschädliche Diebstahl, § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 5
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Ein besonders schwerer Fall des Diebstahls liegt regelmäßig auch vor, wenn der Täter eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlungbefindet oder öffentlich ausgestelltist.
Als Tatobjekt kommen hier insbesondere Gegenstände in Betracht, die in Museen oder Ausstellungen untergebracht sind und entweder, wie solche der Kunst, der Erbauung, oder, wie die der Wissenschaft oder Geschichte, der wissenschaftlichen Erkenntnis dienen.
Entsprechend dem Gesetzeswortlaut genießen Privatsammlungen nicht den Schutz des § 243. Jedoch wird das Regelbeispiel dann relevant, wenn die Gegenstände der Öffentlichkeit – etwa durch Leihgabe an ein Museum – zugänglich gemacht werden.
2. Teil Straftaten gegen das Eigentum› C. Besonders schwere Fälle des Diebstahls› VII. „Schmarotzerdiebstahl“, § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6
VII. „Schmarotzerdiebstahl“, § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6
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Dieses Regelbeispiel zeichnet sich durch die verwerfliche Begehungsweise aus, die darin zum Ausdruck kommt, dass der Täter die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfalloder eine gemeine Gefahrausnutzt.
Hilflos können Menschen z.B. wegen Krankheiten, Behinderungen, Blindheit oder wegen Suizidversuchs oder Rauschzustandes sein.[38] Unter einem Unglücksfall versteht man jede Art von Unfällen. Eine Gemeingefahr liegt vor, wenn eine größere Anzahl an Menschenleben oder erhebliche Sachwerte gefährdet sind.
Der Täter muss diese Umstände dazu nutzen, unter erleichterten Bedingungen den Diebstahl zu vollziehen.
2. Teil Straftaten gegen das Eigentum› C. Besonders schwere Fälle des Diebstahls› VIII. Diebstahl von Waffen, § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 7
VIII. Diebstahl von Waffen, § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 7
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Wer eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt, macht sich regelmäßig auch wegen eines besonders schweren Falles des Diebstahls strafbar.
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