1 ...7 8 9 11 12 13 ...26 Hinweis für die Fallbearbeitung:
Gleichgültig wie man sich in dieser Frage entscheidet, ist aber zu beachten, dass die GmbH auf keinen Fall das negative (Architektenhonorar i. H. v. € 50.000) und das positive Interesse (entgangener Gewinn der GmbH gem. § 252 BGB i. H. v. € 750.000) gleichzeitig erhalten kann. Diese Kumulation stellt denklogisch einen groben Fehler dar.
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Fraglich erscheint, inwieweit sich die GmbH ein Mitverschulden des GF an der Formunwirksamkeit des Vertrags gem. § 254 BGB anrechnen lassen muss. Immerhin hätte GF den L von dem Erfordernis der notariellen Form überzeugen können und sich nicht auf ein bloß mündliches Versprechen einlassen müssen. Hier spiegelt sich die obige Argumentation zur unzulässigen Rechtsausübung und zur Pflichtverletzung wider. Geht man von einer Schutzwürdigkeit der GmbH und damit einer Haftung des L aus, sprechen die besseren Argumente dafür, dieses Ergebnis nicht durch die Annahme eines Mitverschuldens wieder aufzuweichen.
III. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB
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Ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB scheitert bereits an der fehlenden Rechtsgutsverletzung, da das Vermögen als solches kein sonstiges Recht ist.
IV. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. § 263 StGB
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Ein Anspruch der GmbH gegen L auf Schadensersatz aus § 823 II BGB ist fernliegend. Hierfür bedarf es der Verletzung eines Schutzgesetzes. Schutzgesetze i. S. v. § 823 II BGB sind alle Rechtsnormen, die nicht nur dem Schutz allgemeiner öffentlicher Interessen dienen, sondern zumindest auch Individualinteressen schützen sollen. § 263 StGB ist zwar ein solches Schutzgesetz; L hat aber mit dem Geben seines Ehrenworts nicht über eine Tatsache i. S. d. § 263 StGB getäuscht. Zu diesem Zeitpunkt war er noch willens, den Grundstückskaufvertrag auch ohne Vorliegen der notariellen Form zu erfüllen. Später hat er zwar GF für einige Zeit im Glauben gelassen, dass er auch weiterhin zur Erfüllung bereit sei. Dadurch hat er die GmbH jedoch nicht zu einer Vermögensverfügung veranlasst. Außerdem fehlt es L an der Bereicherungsabsicht.
V. Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB
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Auch ein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB muss zwingend verneint werden. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wollte L noch sein Rittergut verkaufen. Ihm fehlte deshalb der Schädigungsvorsatz. Später hielt L den GF dann zwar bewusst hin, zu diesem Zeitpunkt war das Architekturbüro aber schon beauftragt. Der Schaden war bereits entstanden, so dass die Hinhaltetaktik des L nicht kausal war.
[1]
S. hierzu im Überblick Palandt- Grüneberg , § 242 Rdnr. 15 f. Vgl. auch Westermann/Bydlinski/Arnold , Schuldrecht AT, Rdnr. 34 ff., insb. auch mit wertvollen Hinweisen zu den Vor- und Nachteilen von Fallgruppenbildungen.
[2]
Palandt- Ellenberger , § 125 Rdnr. 25.
[3]
Palandt- Ellenberger , § 125 Rdnr. 25.
[4]
Siehe zu möglichen anderen Fallgruppen: Medicus/Petersen , Bürgerliches Recht, Rdnr. 180 ff.; Medicus /Petersen , Allgemeiner Teil des BGB, Rdnr. 631 ff.; vgl. auch Grundfall und Abwandlung in Bitter /Röder , BGB Allgemeiner Teil, § 15 Fall Nr. 30.
[5]
RGZ 117, 124.
[6]
Flume , Allgemeiner Teil des BGB Bd. 2, S. 279 f. Vgl. auch Soergel- Hefermehl , § 125 Rdnr. 37; Erman- Arnold , § 125 Rdnr. 32; Medicus/Petersen , Bürgerliches Recht, Rdnr. 181. In einer neueren Entscheidung wiederholt der BGH diese Aussage, ohne dass es im konkreten Fall darauf ankam, da eine Kenntnis der Formnichtigkeit verneint wurde, BGH NJW-RR 2017, 596 Rdnr. 15 f.
[7]
BGHZ 48, 396, 397 ff.; ablehnend: Reinicke in seiner Anmerkung NJW 1968, 43.
[8]
Palandt- Ellenberger , § 125 Rdnr. 22, 26.
[9]
S. hierzu mit unterschiedlichen Akzentuierungen in der Fallgruppenbildung und zu einer weiteren, hier nicht näher zu thematisierenden Fallgruppe zum Höferecht, z. B. Palandt- Ellenberger , § 125 Rdnr. 27 ff.; MüKo- Einsele , § 125 Rdnr. 57 ff.; Staudinger- Hertel , Neubearbeitung 2017, § 125 Rdnr. 111 ff.
[10]
Palandt- Ellenberger , § 125 Rdnr. 28.
[11]
Kriterien bietet z. B. Westermann/Bydlinski/Arnold , Schuldrecht AT, Rdnr. 37 ff.
[12]
BGH NJW-RR 2017, 596 Rdnr. 12 f.
[13]
BGH WM 1979, 458, 461. Das Kriterium der Existenzgefährdung ist fragwürdig, weil es zu weit und unspezifisch gefasst ist. Die BGH-Entscheidung ist vereinzelt geblieben.
[14]
MüKo- Einsele , § 125 Rdnr. 67.
[15]
Siehe hierzu Palandt- Grüneberg , § 311b Rdnr. 2.
[16]
Palandt- Ellenberger , § 119 Rdnr. 29.
[17]
Palandt- Grüneberg , § 313 Rdnr. 9.
[18]
Vgl. zur Abgrenzung auch Westermann/Bydlinski/Arnold , Schuldrecht AT, Rdnr. 982 ff.
[19]
Palandt- Grüneberg , § 311 Rdnr. 25.
[20]
S. hierzu den Überblick bei Palandt- Grüneberg , § 311 Rdnr. 29 ff.
[21]
Erman- Kindl , § 311 Rdnr. 37; Westermann/Bydlinski/Arnold , Schuldrecht AT, Rdnr. 43.
[22]
Staudinger- Feldmann , Neubearbeitung 2018, § 311 Rdnr. 143; MüKo- Ruhwinkel , § 311b Rdnr. 80.
[23]
Staudinger- Hertel , Neubearbeitung 2017, § 125 Rdnr. 119.
[24]
BGH NJW 1996, 1884, 1885.
[25]
Näher zu den Begriffen des positiven und negativen Interesses siehe Brand , Schadensersatzrecht, S. 11 ff.
[26]
Palandt- Grüneberg , Vorb v § 249 Rdnr. 19.
[27]
BGH NJW 1965, 812, 814; zustimmend Gernhuber , Das Schuldverhältnis, 1989, S. 203 f.
[28]
Medicus , FS Lange, 1992, S. 539 f.
[29]
Medicus , FS Lange, 1992, S. 539, 544 f.
[30]
Flume , Allgemeiner Teil des BGB, Bd. 2, S. 283.
[31]
So auch Westermann/Bydlinski/Arnold , Schuldrecht AT, Rdnr. 1002.
Fall 2 Oldtimer
Inhaltsverzeichnis
Überblick
Gliederung
Lösungswege
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Teil 1: Garage
Der autobegeisterte Abraham Adler (A) träumt seit Jahren von der Teilnahme an einer 14-tägigen Rundfahrt für Oldtimer, die von München über Wien nach Rom und zurück führt. Er besitzt aber kein geeignetes Fahrzeug. Eines Tages lernt er den 74-jährigen Bernhard Brahmer (B) kennen. B ist Eigentümer eines verkehrstüchtigen VW-Cabriolets Baujahr 1957, das er wegen einer altersbedingten Körperbehinderung nur noch auf kurzen Strecken selbst benutzen kann. Das Fahrzeug bewahrt er in einer Garage auf, in der er auch Werkzeug und Gartengeräte lagert. A versucht vergeblich, B zum Verkauf des Cabriolets zu bewegen. Der vermögende B erklärt sich jedoch großzügig bereit, dem A das Fahrzeug für die ersehnte Rundfahrt unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
A genießt die Rundfahrt, die im Juli 2009 stattfindet, in vollen Zügen. Nach seiner Rückkehr fährt er das Cabriolet am späten Abend zu B zurück. B befindet sich zu dieser Zeit in einem Kuraufenthalt in Österreich. Er hat A den Garagenschlüssel überlassen, damit dieser das Cabriolet absprachegemäß an seinen angestammten Platz zurückstellen kann.
A manövriert den Wagen vorwärts in die unbeleuchtete, ziemlich enge Garage. Danach steigt er aus. In der Dunkelheit entgeht ihm, dass in der Nähe der Garagentür ein mit den Zacken nach oben gerichteter scharfer Gartenrechen aus Metall an der Wand lehnt. A stößt den Rechen so unglücklich um, dass ihm ein Zacken tief in das rechte Auge dringt. Das Auge erblindet.
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