Beachte:
Die schwere Folge braucht als objektive Bedingung der Strafbarkeit nicht von Vorsatz oder Fahrlässigkeit eines Beteiligten umfasst zu sein.[33]
Aufbauhinweis:
Bei der Fallbearbeitung kann dies dadurch deutlich gemacht werden, dass die objektive Strafbarkeitsbedingung erst nach dem subjektiven Tatbestand erörtert wird.[34] Wegen der Nähe zum objektiven Tatbestand kommt aber auch eine an diesen anschließende Prüfung in einem gesonderten Gliederungspunkt in Betracht. Das Vorliegen der objektiven Bedingung der Strafbarkeit sollte aus prüfungsökonomischen Gründen stets vor Rechtswidrigkeit und Schuld diskutiert werden.[35]
C. Täterschaft und Teilnahme, Versuch sowie Konkurrenzen
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Jeder i.S. des § 231 Abs. 1 Beteiligte ist Täter. Für die Anstiftung und Beihilfe gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln der §§ 26, 27. Beihilfe kann etwa in einem allgemeinen Fördern einer Schlägerei bestehen, ohne dass für eine Seite Partei ergriffen wird.[36]
Beispiele:
Indem A fernab der Schlägerei die alarmierte Polizei daran hindert, sich an den Ort der Auseinandersetzung zu begeben, macht er sich der Beihilfe (§ 27) zum § 231 schuldig.
B schlägt C vor, sich an einer auf der gegenüberliegenden Straßenseite stattfindenden Schlägerei zu beteiligen. Kommt C dem Vorschlag nach, ist B wegen Anstiftung (§ 26) zu bestrafen.
18
Die nur versuchte Beteiligung an einer Schlägerei ist nicht strafbar. Auf der Konkurrenzebene kann § 231 infolge seines speziellen Rechtsguts (vgl. Rn. 1) grundsätzlich mit Tötungs- und Körperverletzungsdelikten in Tateinheit stehen (§ 52).[37] Gleiches gilt im Verhältnis zu den §§ 113, 125.[38]
19
1. |
Welche Kriterien sind für die Prüfung der Vorwerfbarkeit i.S. des § 231 Abs. 2 heranzuziehen? → Rn. 11 |
2. |
Wie ist die in § 231 Abs. 1 vorgesehene schwere Folge dogmatisch einzuordnen? → Rn. 13 ff. |
3. |
Welche Auswirkung hat diese Einordnung auf den subjektiven Tatbestand und den Prüfungsaufbau? → Rn. 12, 16 |
Aufbauschema (§ 231)
1. |
Tatbestand a) Objektiver Tatbestand (1) Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 Abs. 1 1. Alt.) oder Beteiligung an einem von mehreren verübten Angriff (§ 231 Abs. 1 2. Alt.) (2) Ohne dass dies vorzuwerfen ist (§ 231 Abs. 2) b) Subjektiver Tatbestand – Vorsatz c) Objektive Bedingung der Strafbarkeit – Verursachung des Todes eines Menschen oder einer schweren Körperverletzung durch die Schlägerei oder den Angriff |
2. |
Rechtswidrigkeit |
3. |
Schuld |
Empfehlungen zur vertiefenden Lektüre:
Leitentscheidungen:BGHSt 31, 124 – „Jockelfall“ ; BGHSt 33, 100 – „Gastwirtfall“ ; BGHSt 39, 305 – „Notwehrfall“
Aufsätze: Bock , Beteiligung an einer Schlägerei (oder an einem von mehreren verübten Angriff), § 231 StGB, Jura 2016, 992; Eisele , Die „unverschuldete“ Beteiligung an einer Schlägerei, ZStW 110(1998), 69; Gottwald , Die objektive Bedingung der Strafbarkeit, JA 1998, 771; Henke , Beteiligung an einer Schlägerei (§ 227 StGB), Jura 1985, 585; Montenbruck , Zur „Beteiligung an einer Schlägerei“, JR 1986, 138; Rönnau , Grundwissen – Strafrecht: Objektive Bedingungen der Strafbarkeit, JuS 2011, 697; Rönnau/Bröckers , Die objektive Strafbarkeitsbedingung im Rahmen des § 227 StGB, GA 1995, 549; Wolters , Die Neufassung der Körperverletzungsdelikte, JuS 1998, 582
Übungsfallliteratur: Kretschmer , Übungsklausur Strafrecht: „Ein folgenschweres letztes Bier“, Jura 1998, 244; Kunz , Der praktische Fall – Strafrecht: Eine Schlägerei mit üblen Folgen, JuS 1996, 39; Laubenthal , Klausur Strafrecht: „Eine Festzeltprügelei“, JA 2004, 39
[1]
BGHSt 60, 166, 182; Lackner/Kühl § 231 Rn. 1; Bock Jura 2016, 992.
[2]
BGHSt 16, 130, 132.
[3]
BGHSt 60, 166, 180.
[4]
BGHSt 33, 100, 103 f. – „Gastwirtfall“ ; s. auch 39, 305, 308 – „Notwehrfall“ .
[5]
Henke Jura 1985, 585, 586: Schaffen einer „Gefährdungsquelle“.
[6]
BGHSt 31, 124, 125 – „Jockelfall“ ; BGH NStZ 2014, 147, 148; NStZ-RR 2015, 274; Lackner/Kühl § 231 Rn. 2.
[7]
SK/ Wolters § 231 Rn. 6; Otto § 23 Rn. 2.
[8]
BGHSt 15, 369, 371.
[9]
MüKo/ Hohmann § 231 Rn. 15.
[10]
Differenzierend Lackner/Kühl § 231 Rn. 3.
[11]
A.A. unter Hinweis auf Art. 103 Abs. 2 GG MüKo/ Hohmann § 231 Rn. 9; Bock Jura 2016, 992, 994.
[12]
SK/ Wolters § 231 Rn. 8; Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 320; s. auch MüKo/ Hohmann § 231 Rn. 7.
[13]
BGHSt 31, 124, 126 – ,,Jockelfall“ ; 33, 100, 102 – ,,Gastwirtfall“ .
[14]
BGHSt 33, 100, 102 f. – „Gastwirtfall“ ; Lackner/Kühl § 231 Rn. 2.
[15]
Henke Jura 1985, 585, 587.
[16]
BGHSt 2, 160, 163; 31, 124, 126 f. – „Jockelfall“ ; 33, 100, 102 – „Gastwirtfall“ .
[17]
BGH Urteil vom 24. Mai 2017 – 2 StR 219/16; Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 322; Henke Jura 1985, 585, 586 m. Beispielen; s. auch Wolters JuS 1998, 582, 585.
[18]
BGHSt 39, 305, 308 f. – „Notwehrfall“ ; 43, 15; SK/ Wolters § 231 Rn. 11.
[19]
SK/ Wolters § 231 Rn. 9; Laubenthal JA 2004, 39, 44; Bock Jura 2016, 992, 1003.
[20]
Ausführlich Eisele ZStW 110(1998), 69, 74 ff.; Henke Jura 1985, 585, 588; unentschieden Lackner/Kühl § 231 Rn. 4.
[21]
MüKo/ Hohmann § 231 Rn. 20; vgl. zum § 227 a.F. Eisele ZStW 110(1998), 69, 76.
[22]
BGHSt 2, 160, 163.
[23]
Gottwald JA 1998, 771, 773; Kretschmer Jura 1998, 244, 246.
[24]
SK/ Wolters § 231 Rn. 4.
[25]
BGHSt 60, 166, 180; Lackner/Kühl § 231 Rn. 5; Gottwald JA 1998, 771; Kunz JuS 1996, 39, 42; Rönnau JuS 2011, 697; kritisch Roxin/Greco AT I, § 23 Rn. 12.
[26]
Vgl. Rönnau/Bröckers GA 1995, 549, m.w.N.
[27]
Wessels/ Hettinger/Engländer Rn. 325.
[28]
Eisele ZStW 110(1998), 69, 70.
[29]
BGHSt 14, 132, 134; 16, 130, 132; BGHR StGB § 231 Angriff 1; a.A. Lackner/Kühl § 231 Rn. 5; Otto § 23 Rn. 6; Rengier BT II, § 18 Rn. 11: keine Strafbarkeit sich nachträglich Beteiligender; Krey/Hellmann Rn. 323: Strafbarkeit nur bei Beteiligung während der Zeit der Verursachung.
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