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§ 3 Abs. 1 EGGVG, der unter anderem bestimmt, dass die Gerichtsbarkeit in denjenigen Strafsachen, für welche besondere Gerichte zugelassen sind, durch Landesgesetzgebung den ordentlichen Landesgerichten übertragen werden kann. Hieran anknüpfend[45] regelt § 3 Abs. 2 EGStPO, dass in diesen Fällen durch Landesrecht ein von der StPO abweichendes Verfahren vorgesehen werden kann. |
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§ 9 EGGVG, der unter anderem normiert, dass die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehörenden Entscheidungen in Strafsachen in einem Bundesland, in dem mehrere Oberlandesgerichte existieren, durch Landesrecht einem der Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zugewiesen werden können. |
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§ 3 Abs. 3 EGStPO, dem zufolge Landesgesetze anordnen können, dass Forst- und Feldrügesachen[46] durch die Amtsgerichte in einem besonderen Verfahren und ohne Zuziehung von Schöffen verhandelt und entschieden werden. In dieser Hinsicht wurde es beispielsweise als zulässig angesehen, auf landesgesetzlichem Wege die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsmitteln zu beschränken.[47] |
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§ 6 Abs. 2 Nr. 1 EGStPO, nach dem solche landesgesetzlichen Vorschriften unberührt bleiben, die die Voraussetzungen regeln, unter denen die Strafverfolgung gegen Mitglieder eines Organs der Gesetzgebung eingeleitet oder fortgesetzt werden kann.[48] |
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§ 6 Abs. 2 Nr. 2 EGStPO, der die Landeskompetenz aufrechterhält, das Verfahren bei Zuwiderhandlungen gegen bestimmte Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle gesetzlich zu regeln. |
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§ 380 Abs. 1 S. 1 StPO, in dem bestimmt wird, dass die Vergleichsbehörde, die für den Sühneversuch zuständig ist, durch die Landesjustizverwaltung[49] zu bezeichnen ist; der Wortlaut dieser Bestimmung („[. . .] zu bezeichnenden Vergleichsbehörde“) sowie der Umstand, dass der Sühneversuch in den Fällen des § 380 StPO eine Klagevoraussetzung bildet[50], sprechen dabei sogar für eine Regelungspflicht durch die Länder.[51] |
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§ 152 Abs. 2 GVG, durch den die Landesregierungen ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung die Ermittlungspersonen[52] im Sinne von § 152 Abs. 1 GVG zu bezeichnen. Dies impliziert auch die Befugnis zum Erlass eines formellen verordnungsvertretenden[53] Gesetzes (Art. 80 Abs. 4 GG). |
Eine landesrechtliche Legislativbefugnis ergibt sich zudem aus §§ 58 Abs. 1, 74d Abs. 1, 78 Abs. 1, 121 Abs. 3[54], 153 Abs. 4 S. 1 GVG und aus § 10 Abs. 1 EGGVG.
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Einen Sonderfall bildet das Strafvollzugsrecht, das allerdings überwiegend nicht zum Strafverfahrensrecht i.e.S., teilweise aber zum Strafverfahrensrecht i.w.S. gerechnet wird.[55] Das Strafvollzugsrecht wurde im Zuge der Föderalismusreform 2006 aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gestrichen[56], sodass die Gesetzgebungskompetenz für diese Materie mittlerweile bei den Ländern liegt.[57] Art. 125a Abs. 1 GG sieht hierzu ein Übergangsregelung vor, wonach das Bundesrecht so lange fortbesteht, bis es durch Landesrecht ersetzt wird. Das zum Strafvollzugsrecht Gesagte gilt für die Rechtsmaterie des Untersuchungshaftvollzugs[58] entsprechend.[59]
II. Katalog gesetzlicher Rechtsquellen
1. Zentrale Rechtsquellen
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Zentrale gesetzliche Rechtsquellen des Strafverfahrensrechts sind die Strafprozessordnung ( Rn. 13 f.) und das Einführungsgesetz hierzu ( Rn. 15), die Europäische Menschenrechtskonvention ( Rn. 16 ff.), der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte ( Rn. 22), das Gerichtsverfassungsgesetz ( Rn. 23) sowie das entsprechende Einführungsgesetz ( Rn. 24) und schließlich das Strafgesetzbuch ( Rn. 25 ff.).
a) Strafprozessordnung (StPO)
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Die StPO[60] ist die bedeutsamste Rechtsquelle des Strafverfahrensrechts. Das Gesetz ist in acht Bücher unterteilt, deren Systematik jedoch verbesserungsbedürftig ist.[61] Regelungsgegenstände der StPOsind unter anderem:
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Gerichtsstand (also örtliche Zuständigkeit in erster Instanz[62]) (§§ 7 ff. StPO). |
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Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen (§§ 22 ff. StPO). |
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Fristen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 42 ff. StPO). |
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Zeugenbeweis (§§ 48 ff. StPO), Sachverständigenbeweis (§§ 72 ff. StPO), Augenscheinsbeweis (§§ 86 ff. StPO), Urkundenbeweis (§§ 249 ff. StPO). |
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Ermittlungs- und Zwangsmaßnahmen (§§ 94 ff. StPO). |
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Verteidigung (§§ 137 ff. StPO). |
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Ablauf des Strafverfahrens in erster Instanz (§§ 151 ff. StPO). |
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Rechtsmittel (§§ 296 ff. StPO). |
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Wiederaufnahmeverfahren (§§ 359 ff. StPO). |
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Beteiligung des Verletzten im Strafverfahren (§§ 374 ff. StPO). |
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Besondere Strafverfahrensarten (§§ 407 ff. StPO), wie z.B. Strafbefehlsverfahren, Beschleunigtes Verfahren. |
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Strafvollstreckung (§§ 449 ff. StPO). |
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Kosten des Strafverfahrens (§§ 464 ff. StPO). |
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Erteilung von Auskünften und Akteneinsicht (§§ 474 ff. StPO). |
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An einigen Stellen verweistdie StPO auch auf andere gesetzliche Rechtsquellen: So normiert etwa § 1 StPO, dass die sachliche Zuständigkeit der Gerichte durch das GVG[63] bestimmt wird. Verschiedentlich werden auch die Regelungen der ZPO[64] in Bezug genommen, so etwa in § 37 StPO (hinsichtlich des Verfahrens bei Zustellungen), in § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO (zur Bestimmung der notwendigen Auslagen eines Beteiligten) und in § 464b StPO (bezüglich der Kostenfestsetzung).[65] Eine Konkretisierung der StPO findet sich in der VerwaltungsvorschriftRiStBV (vgl. hierzu unten Rn. 58 ff.).
b) Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung (EGStPO)
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Das EGStPO[66] normiert unter anderem den sachlichen Anwendungsbereich der Strafprozessordnung (§ 3 EGStPO)[67] und Mitteilungspflichten bei Strafverfahren gegen Parlamentsabgeordnete (§ 8 EGStPO).[68] Darüber hinaus enthalten die §§ 11–13 EGStPO Übergangsregelungen, die für bestimmte Gesetzesänderungen gelten.
c) Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
aa) Rechtsnatur und innerstaatliche Geltung
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Die EMRK ist ein völkerrechtlicher Vertrag[69], der im Jahre 1950 von den Regierungen der Mitgliedstaaten des Europarates unterzeichnet wurde und der 1953 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist.[70] Gemäß Art. 1 EMRK ist die Bundesrepublik verpflichtet, allen ihrer Jurisdiktion unterstehenden Personen die in Art. 2–18 EMRK niedergelegten Rechte und Freiheiten zuzusichern.[71] Mittlerweile wurde die EMRK durch diverse Zusatzprotokolle ergänzt bzw. modifiziert.[72]
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Innerhalb der Bundesrepubliksteht die EMRK prinzipiell im Rangeines einfachen Bundesgesetzes[73] (Art. 59 Abs. 2 GG).[74] Allerdings lässt sich aus einer Gesamtschau der Präambel[75] und verschiedener Vorschriften des Grundgesetzes[76] das Prinzip der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung herleiten.[77] Im Hinblick auf die EMRK folgt hieraus das grundsätzliche Gebot einer konventionsfreundlichen Auslegung deutschen Rechts.[78] Der Bundesgerichtshof konkretisiert dies dahin gehend, dass die „Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch den EGMR […] bei der Anwendung des deutschen Strafprozessrechts zu berücksichtigen“ ist.[79] Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beeinflussen die Gewährleistungen der EMRK sowie die Rechtsprechung des EGMR auch die Auslegung der Grundrechte und rechtstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes, sofern dies nicht zu einer Beschränkung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt.[80] In der Görgülü -Entscheidung aus dem Jahre 2004 stellte das Bundesverfassungsgericht präzisierend fest: „Sowohl die fehlende Auseinandersetzung mit einer Entscheidung des […] [EGMR] als auch deren gegen vorrangiges Recht verstoßende schematische ‚Vollstreckung‘ können […] gegen Grundrechte in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstoßen“.[81] Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung wird in der Literatur nachvollziehbar von einem faktisch gegebenen „‚weichen‘ Vorrang der EMRK vor deutschem Verfassungsrecht“[82] gesprochen.
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