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Für unseren Zusammenhang ist wichtig, dass die Bestellung eines Betreuers für sich gesehen keinen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit des Betreutenhat. Dieser kann im Einzelfall nach § 104 Nr 2 geschäftsunfähig sein, doch ist dies weder notwendige Voraussetzung noch Folge der Bestellung eines Betreuers. Liegen die Voraussetzungen des § 104 Nr 2 nicht vor, so können sowohl der Betreute selbst als auch der Betreuer in dessen Namen handeln.
Droht der Betreute durch sein rechtsgeschäftliches Verhalten sich selbst zu schädigen, so ist das Gericht befugt, einen Einwilligungsvorbehaltanzuordnen (§ 1903). Dieser bewirkt, dass der Betreute in dem festgelegten Aufgabenkreis nur mit Einwilligung des Betreuers handeln kann. Die Rechtslage ist ähnlich wie beim beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen, sodass die hierfür geltenden Vorschriften entsprechend heranzuziehen sind (§ 1903 I 2 iVm §§ 108 ff, 131 II). Doch wäre es gleichwohl nicht richtig, den unter Einwilligungsvorbehalt stehenden Betreuten als „beschränkt geschäftsfähig“ zu bezeichnen; denn er befindet sich nicht insgesamt in einem rechtlichen Status dieser Art, sondern ist regelmäßig nur in einem näher umschriebenen Geschäftskreis an die Mitwirkung seines Betreuers gebunden.
Immer dort, wo die Gesetze von „beschränkt Geschäftsfähigen“etc sprechen, ist also nur der Minderjährige zwischen dem 7. und 18. Lebensjahr gemeint. Auf betreute, unter Einwilligungsvorbehalt stehende Volljährige sind diese Vorschriften nur anwendbar, wenn das Betreuungsrecht ausdrücklich auf sie verweist oder der Schutzzweck ihre Anwendung gebietet (zB bei § 165).
Zum Begriff „Vormundschaft“:Nach deutschem Recht gibt es seit 1.1.1992 keine Vormundschaft über Volljährige mehr. Die Vormundschaft als Rechtsinstitut bezieht sich nur noch auf Minderjährige , die nicht unter elterlicher Sorge stehen oder deren Eltern von der gesetzlichen Vertretung völlig ausgeschlossen sind, siehe § 1773 I, siehe ferner § 1773 II.
4. Die Fürsorgeperson: der „gesetzliche Vertreter“
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Wer Rechtsgeschäfte überhaupt nicht oder nicht selbstständig tätigen kann, benötigt eine Fürsorgeperson, die bei Bedarf in seinem Namen handelt oder seinem Handeln durch Zustimmung zur Wirksamkeit verhilft. Welcher Person diese Aufgabe und Rechtsmacht zukommt, wird in erster Linie durch das Gesetz bestimmt. In diesem Fall sprechen wir von „gesetzlicher Vertretung“. Gesetzlicher Vertreter ist diejenige Person, die kraft Gesetzes ermächtigt ist, im Namen einer anderen und mit Wirkung für diese rechtlich zu handeln. Die auf Gesetz beruhende Vertretungsmacht ist eingebettet in ein komplexeres Rechtsverhältnisses, dessen Kern die Aufgabe des Fürsorgers ist, die Angelegenheiten einer anderen Person in deren Interesse wahrzunehmen (Treuhand).
b) Gesetzliche Vertreter für Minderjährige
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Gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen sind die sorgeberechtigten Eltern (§ 1629 I), in Ausnahmefällen ein Vormund (§ 1773) oder – bezogen auf einen beschränkten Aufgabenkreis – ein Pfleger (§ 1909). Die gesetzliche Vertretung der Elternist eine Befugnis im Rahmen des ihnen verbürgten Rechts, für Person und Vermögen ihrer minderjährigen Kinder zu sorgen (elterliches Sorgerecht, § 1626 BGB; Art. 6 II GG). Die gesetzliche Vertretungsmacht kann in zweifacher Form betätigt werden:
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entweder indem die Elternselbst im Namen des Kindeshandeln (§ 164 I); |
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oder indem sie einem Rechtsgeschäft des beschränkt geschäftsfähigen Kindes durch Zustimmungzur Wirksamkeit verhelfen (Näheres Rn 718). Dabei sind die Eltern verpflichtet, zum Besten des Kindes und seiner Interessen zu handeln (Kindeswohl). |
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Die gesetzliche Vertretungsmacht räumt den Eltern eine weit reichende Bestimmungsbefugnis über die Rechte und Interessen ihrer Kinder ein. Von Ausnahmen abgesehen sind sie umfassend zu Erklärungen mit Wirkung für das vertretene Kind ermächtigt. Es entsteht mithin ein Verhältnis des Unterworfenseins, das – anders als sonst im Zivilrecht – nicht auf freiwilliger Vereinbarung beruht. Deshalb erlegt das Grundgesetz dem Staat die Pflicht auf, über die Ausübung der elterlichen Sorge zu wachen (Art. 6 II 2 GG). Es geschieht dies in doppelter Weise: repressiv durch gerichtliche Maßnahmen gegenüber Eltern, die das Kindeswohl gefährden (§ 1666); präventiv zB dadurch, dass die Eltern für bestimmte Geschäfte, die sie als Vertreter der Kinder tätigen wollen, einer gerichtlichen Genehmigung bedürfen (§ 1643).
Nach einer Entscheidung des BVerfG(BVerfGE 72, 155) geht die gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern nicht so weit, dass sie das Kind mit erheblichen, in Ausübung der gesetzlichen Vertretung begründeten Schulden in die Selbstständigkeit entlassen dürfen. Dieser Entscheidung trägt das Gesetz zur Beschränkung der Haftung MinderjährigerRechnung, das zum 1.1.1999 in Kraft getreten ist. Der eingefügte § 1629a BGBbeschränkt die Haftung des Kindes für Verbindlichkeiten, welche die Eltern als gesetzliche Vertreter für das Kind begründet haben, auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Kindesvermögens.
c) Gesetzliche Vertreter für Volljährige
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Gesetzlicher Vertreter eines unter Betreuung stehenden Volljährigen ist sein rechtlicher Betreuer(§ 1902). Für geschäftsunfähige Volljährige muss ein Betreuer bestellt werden, wenn im konkreten Fall für bestimmte Angelegenheiten (Aufgabenkreis) eine Vertretung erforderlich ist (§ 1896 II 1). Die Bestellung eines rechtlichen Betreuers ist auch erforderlich, wenn für den Betroffenen zur Abwendung einer Gefahr ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden muss (§ 1903, s. Rn 140); Geschäftsunfähigkeit ist dafür nicht Voraussetzung.
Keiner gesetzlichen Vertretung und daher auch keines Betreuers bedarf es, soweit die betroffene Person im Zustand der vollen Geschäftsfähigkeit einen anderen bevollmächtigthat, ihre Angelegenheiten zu besorgen. Solche Vollmachten können so erteilt werden, dass ihre Geltung den Zustand der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers überdauert (Vorsorgevollmachten). Das Problem der Fürsorge kann somit auch privatautonom gelöst werden. Soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch den Bevollmächtigten ebenso gut wahrgenommen werden können wie durch einen Betreuer, darf ein Betreuer nicht bestellt werden (§ 1896 Abs. 2 S. 2), insoweit kommt es zu keiner gesetzlichen Vertretung. Gleiches gilt, soweit zur Besorgung der betreffenden Angelegenheit anderweitige Hilfen – z.B. faktische Hilfen, bei denen kein rechtliches Handeln notwendig ist – ausreichen.
Teil II Die Person› Kapitel 3 Vereinigungen und sonstige Organisationen als rechtsfähige Personen
Kapitel 3 Vereinigungen und sonstige Organisationen als rechtsfähige Personen
Inhaltsverzeichnis
1. Zum Verständnis
2. Die Deutung der juristischen Person
3. Typen der juristischen Person; der eingetragene Verein insbesondere
4. Gesellschaft und nichtrechtsfähiger Verein
5. Teilrechtsfähigkeit
6. Zusammenfassung: Die Rechtsfähigkeit von Vereinigungen
7. Das Handeln der juristische Person – am Beispiel des rechtsfähigen Vereins
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Rechtsfähigkeit kommt nicht nur dem einzelnen Menschen, sondern auch bestimmten Personenvereinigungen und sonstigen Organisationen zu. Welche Bewandtnis es damit hat, mag das folgende Beispiel anschaulich machen.
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