M. Schmoeckel (Hg.), Demenz und Recht, 2010; F. Wedemann , Die Rechtsfolgen der Geschäftsunfähigkeit, AcP 209, 668; St. Lorenz , JuS 2010, 11.
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Minderjährige, dh Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind entweder geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig.
Geschäftsunfähig sind Kinder vor Vollendung des 7. Lebensjahres (§ 104 Nr 1), ferner altersunabhängig solche Personen, die sich in einem „die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit“ befinden, sofern dieser Zustand seiner Natur nach nicht bloß vorübergehend ist (§ 104 Nr 2).
Der Geschäftsunfähige kann überhaupt keine gültige Willenserklärung abgeben(§ 105 I); er kann eine Willenserklärung auch nicht selbst wirksam empfangen(§ 131 I). Gleichgültig ist dabei, ob die Erklärung für den Geschäftsunfähigen ausschließlich rechtliche Vorteile bringt oder nicht und ob er mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters handelt.
b) Beschränkt Geschäftsfähige
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Beschränkt geschäftsfähig sind Minderjährige zwischen dem vollendeten 7. und dem vollendeten 18. Lebensjahr.
Anders nur, wenn bei einem jungen Menschen dieses Alters ausnahmsweise die Voraussetzungen des § 104 Nr 2 gegeben sind; dann ist Geschäftsunfähigkeit anzunehmen.
Der beschränkt Geschäftsfähige vermag grundsätzlich Willenserklärungen abzugeben, deren Wirksamkeit jedoch in der Regel von der Zustimmung (vorherige Einwilligung oder nachträgliche Genehmigung) seines gesetzlichen Vertreters abhängt (§§ 107–113). Er kann also rechtsgeschäftlich handeln, steht dabei aber unter der Kontrolle seines gesetzlichen Vertreters (Eltern, Pfleger oder Vormund). Zum Empfang von Willenserklärungen beachte § 131 II.
Die beschränkt Geschäftsfähigenkönnen also auf doppelte Weise rechtsgeschäftlich handeln:
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entweder selbst, soweit nötig mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters |
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oder durch ihren gesetzlichen Vertreter, der in ihrem Namen handelt (Näheres unten Rn 710). |
3. Volljährige
a) Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit
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Die Lage bei Volljährigen ist durch das Betreuungsgesetz gegenüber der ursprünglichen Fassung des BGB neu geregelt.
Nach dem früher geltenden Rechtkonnte eine Person aus bestimmten Gründen entmündigt werden. Geschah dies wegen Geisteskrankheit , war der Betreffende geschäftsunfähig. Erfolgte die Entmündigung wegen Geistesschwäche, Verschwendung, Trunksucht oder Rauschgiftsucht , so hatte sie die beschränkte Geschäftsfähigkeit zur Folge. Gesetzlicher Vertreter war der vom Gericht bestellte Vormund.
Das Rechtsinstitut der Entmündigung ist seit 1.1.1992 abgeschafft. Ein Volljähriger kann gleichwohl geschäftsunfähig sein, aber nicht kraft einer gerichtlichen Entscheidung, sondern auf Grund seines tatsächlichen geistig-seelischen Zustands („natürliche Geschäftsunfähigkeit“). Die Geschäftsunfähigkeit eines Volljährigenkann sich also nur aus § 104 Nr 2ergeben: Geschäftsunfähig ist sonach, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern dieser Zustand seiner Natur nach nicht bloß vorübergehend ist.
Die Rechtsprechung nimmt Geschäftsunfähigkeit zutreffend nur dann an, wenn jemand nicht im Stande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden oder nach rationalen Einsichten zu handeln (Definition in Anlehnung an BGH NJW 1996, 918). Die Geschäftsunfähigkeit bildet die extreme Ausnahme. Wer die Geschäftsunfähigkeit einer Person behauptet, muss dies im Streitfall beweisen.
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Die Geschäftsunfähigkeit kann sich auf bestimmte Geschäftskreise beschränken (partielle Geschäftsunfähigkeit). Es kann also jemand zB in Bezug auf die Führung von Rechtsstreitigkeiten geschäftsunfähig (zB „Querulantenwahn“), im Übrigen aber zur freien Selbstbestimmung in der Lage sein. Ebenso kann eine partielle Geschäftsfähigkeit in Bezug auf eine Eheschließung gegeben sein, auch wenn in anderen Lebensbereichen die Fähigkeit zur freien Selbstbestimmung zweifelhaft erscheint (BVerfG NJW 2003, 1382). Der BGH hat auch erwogen, dass jemand aufgrund einer Abhängigkeit von einem „Telefonsexpartner“ partiell geschäftsunfähig sein kann (NJW-RR 2002, 1424).
Die Geschäftsunfähigkeit ist kein Merkmal, das einer Person unveränderlich anhaftet. So kann bei einem psychisch Kranken durch Heilungsmaßnahmen die Geschäftsfähigkeit wieder erlangt werden. Für die Wirksamkeit einer Erklärung kommt es darauf an, ob der Handelnde gerade zur Zeit der Rechtshandlung geschäftsfähig war.
b) Folgen der Geschäftsunfähigkeit
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Folge der Geschäftsunfähigkeit ist die Nichtigkeit der von der betreffenden Person abgegebenen Willenserklärung (§ 105 I). Auch wird eine dem Geschäftsunfähigen gegenüber abgegebene Willenserklärung nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht (§ 131 I).
Die Regelung des § 105 I, wonach ein Geschäftsunfähiger keinerlei Willenserklärung wirksam abgeben kann, selbst wenn sie ihm ausschließlich rechtliche Vorteile bringen würde, wurde von einigen Autoren als unverhältnismäßiger Eingriff in die rechtsgeschäftliche Freiheit der Person gewertet und für verfassungswidrig angesehen. Durch ein Gesetz aus dem Jahre 2002 ist die Vorschrift des § 105a BGBhinzugefügt worden, der auch gewisse Rechtsgeschäfte geschäftsunfähiger Personen unter bestimmten Voraussetzungen wirksam sein lässt: Wenn eine volljährige Person, die geschäftsunfähig ist, ein Geschäft des täglichen Lebenstätigt, das mit geringwertigen Mitteln bewirkt werden kann, so gilt der von ihm geschlossene Vertrag hinsichtlich der bedungenen Leistungen als wirksam, sobald Leistung und Gegenleistung bewirkt sind. Nach § 105a S. 2 gilt dies nicht bei einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Geschäftsunfähigen.
Literatur zu § 105a:
M. Casper , NJW 2002, 3425; V. Lipp , FamRZ 2003, 721; H.-M. Pawlowski , JZ 2003, 66; M. Löhnig/Chr. Schärtl , AcP 204 (2004), 25; H. Köhler , JuS 2010, 665. Zur Problematik allgemein: C.-W. Canaris , JZ 1987, 993.
c) Vorübergehende Störungen und Bewusstlosigkeit
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Störungen, die ihrer Art nachvon vornherein vorübergehendsind, begründen den Zustand der Geschäftsunfähigkeit nicht, ebenso nicht der Zustand der Bewusstlosigkeit. Jedoch ist eine in solchen Zuständen abgegebene Willenserklärung nach § 105 II nichtig.
d) Rechtliche Betreuung und Einwilligungsvorbehalt
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Unabhängig davon, ob eine volljährige Person nach § 104 Nr 2 geschäftsunfähig ist oder nicht, kann es sein, dass sie wegen einer geistigen, seelischen oder auch nur körperlichen Behinderung oder einer psychischen Krankheit der Fürsorge durch andere bedarf. Für solche Fälle wurde das Rechtsinstitut der rechtlichen Betreuung geschaffen. Kann der Betreffende aus einer der genannten Ursachen „seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen“, so erhält er auf Antrag oder von Amts wegen durch Beschluss des Betreuungsgerichts einen Betreuer(§ 1896 I 1), der diese Angelegenheiten treuhänderisch wahrnimmt. Zu diesem Zweck ist er ermächtigt, den Betreuten in dem vom Gericht bestimmten Aufgabenkreis bei Rechtshandlungen zu vertreten (§ 1902).
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