Das ist ein ganz entscheidender Gesichtspunkt, um die eigentliche und erste Aufgabe des Alters im Entwicklungsgang des Menschseins zu verstehen. Sind die bisher gelebten 42 Jahre ganz der eigenen Entwicklung, der Gestaltung des Selbst gewidmet gewesen, wendet sich nun dieser Blick vom Ich zum Wir, vom Selbst zur Welt. Mitverantwortung, Mitgestaltung der Welt und vor allem ein Blick auf zukünftige Zeiten und Generationen und deren Leben, das wir in vielfältiger Weise vorbereitend beeinflussen können und müssen, prägen nun den weiteren Lebensgang jedes einzelnen Menschen. Wie eindrücklich ist doch das Bild für diesen Lebensabschnitt, einen Baum zu pflanzen, unter dessen Schatten man selbst nicht mehr ruhen wird.
individuelle Zukunftskräfte
Aber auch für sich selbst hat der Mensch jetzt neue Verantwortung und Aufgaben. Bildet er doch in diesem dritten großen Lebensabschnitt seines Erdenganges an den persönlichen und individuellen Zukunftskräften, die er einmal über die Schwelle des Todes hinaus in ein Jenseits tragen wird, in welchem er geistig-seelisch ebenso real sein und leben wird wie zwischen Geburt und Tod leiblich-seelisch-geistig. In dem Bild zweier gegensinnig gerichteter Kurven der geistigen und leiblichen Existenz des Menschen kann der jeweilige Ab- und Aufschwung beider Entitäten sehr einfach veranschaulicht werden (siehe die Abbildung auf der folgenden Seite). Es gehört zu den wichtigsten Schnittstellen des menschlichen Lebens, ob sich um das 42. Lebensjahr herum die geistige Entwicklung von der nun absteigenden Linie der körperlichen Entwicklung abheben und mehr und mehr unabhängig von dieser verlaufen kann.
leibliche und geistige Entwicklung
Die Dissoziation leiblicher und geistiger Weiterentwicklung jenseits des 42. Lebensjahres bildet das ganze Problemfeld dieses Lebensabschnittes, wobei ja die Seele und das seelische Leben so etwas wie das Bindeglied, das Vermittelnde von beiden darstellt.

zwei Entwicklungsrichtungen
Wir werden also im weiteren Gang der Darstellung auf diese zwei Entwicklungsrichtungen gesondert schauen müssen, um ihnen die jeweilige Berechtigung zuzuschreiben und nicht die eine oder die andere Richtung als das Wesentliche zu vereinseitigen. Das soll in den folgenden Kapiteln zu den drei Jahrsiebten vom 42. bis zum 63. Lebensjahr erfolgen. Für die Zeit nun schwerpunktmäßig geistiger Entwicklung hat der schwäbische Theologe und Mystiker Friedrich Christoph Oetinger (1702–1782) folgendes Epigramm hinterlassen:
Gott gebe mir
den MUT, das zu ändern, was ich ändern kann,
die GELASSENHEIT, Dinge zu ertragen, die ich nicht ändern kann,
und die WEISHEIT, das eine von dem anderen zu unterscheiden.
Diese drei Seelenfähigkeiten sind wie Überschriften für die nun folgenden drei Jahrsiebte vom 42. bis zum 63. Lebensjahr.
Jahrsiebte und Planetenwirkungen
Vielleicht kann für den an einem solchen Thema Interessierten noch der Zusatz angefügt werden, dass der Mensch in seiner Verbindung mit den Kräften der Welt, zu denen vor allem auch die Wandel- und Fixsterne gehören, in diesen neun Schritten der jeweiligen Jahrsiebte unter dem besonderen Einfluss jeweils eines Planeten steht. Im 1. Jahrsiebt sind es die Kräfte des Mondes, mit deren Hilfe das Ich die stoffliche Seite des »Modellleibs« individualisiert, im 2. Jahrsiebt Merkur, durch den im Besonderen die Lebenskräfte verwandelt werden, im 3. dann Venus, die die empfindende Leiblichkeit für den individuellen Anteil der Seele aufnahmebereit macht. Das 4. bis 6. Lebensjahrsiebt werden dann ganz durchdrungen, ja, durchwärmt von der Kraft der Sonne. Die letzten drei Jahrsiebte, die uns nun im Speziellen beschäftigen werden, stehen unter den Einflüssen von Mars, Jupiter und Saturn. 29Dabei ist der Blick auf die leibliche Entwicklung in ihrem Durchdrungensein von Seele und Ich gerichtet. Schaut man auf die mehr geistige Seite der Entwicklung, so könnte auch eine umgekehrte Reihenfolge der planetarischen Wirksamkeiten aufgezeigt werden.
Das 42. bis 49. Lebensjahr – Marszeit
Hinwendung des Ichs zu kosmischen Regionen
Es wurde schon angesprochen, dass am Schnittpunkt des 42. Lebensjahres der individuelle Geist (Ich), der nun Leib und Seele durchdrungen und individualisiert hat, sich von den Erdkräften des Leibes ganz allmählich abwendet und sich den kosmischen Regionen, die seine eigentliche, »ewige« Heimat sind, wieder zuwendet, wobei er die sich immer mehr verjüngende Seele mitnimmt (siehe Seite 53f.). Das künstlerische Bild dieser den kosmischen Kräften (die das Kind auch einfach Himmel nennt) zugewandten Seite von Ich und Seele sind durch alle Zeiten die Flügel gewesen. Das Ich hebt sich also mit seinen kosmischen Flügeln aus den irdischen Bedingungen der leiblichen Gestaltung, an der es ganz maßgeblich mitgewirkt hat, und wendet sich mehr und mehr den kosmischen und damit auch geistigen Gesetzmäßigkeiten zu.
Zeit der individuellen geistigen Entwicklung
Jetzt beginnt die Zeit der individuellen geistigen Entwicklung des Menschen. Natürlich ist jeder Mensch von der Geburt an geistdurchdrungen, doch sind – wie wir gesehen haben – diese geistig-individuellen Kräfte im Menschen primär auf den Leib und später auf die Seele gerichtet. Erst nach dem 42. Lebensjahr kann sich das Ich ganz seiner eigenen Natur widmen und drei eigenständige Geistglieder ausbilden, die Rudolf Steiner Geistselbst, Lebensgeist und Geistesmensch nennt. 30Wenn diese wiederum ganz individualisierende geistige Gestaltung von »Hüllen« oder Werkzeugen des Ichs heute auch erst anfänglich möglich ist – es wurde ja schon darauf hingewiesen, dass die eigentliche, sich über etwa 2000 Jahre erstreckende Aufgabe unserer Zeit die individuelle Entwicklung einer Bewusstseinsseele ist (siehe Seite 33) –, so werden doch diese in jedem Menschen keimhaft angelegten »höheren Glieder« mit weiteren keimhaften Kräften beladen, die ihre Entwicklung in der Zukunft neuer Inkarnationen immer stärker möglich sein lassen.
In dem vorausgehenden Jahrsiebt hat sich der Mensch intensiv der selbstständigen Entwicklung seiner in ihm allgemein veranlagten, nun aber durch das Ich herauszuarbeitenden Bewusstseinsseele gewidmet. Dieser Vorgang hat zur leiblichen Voraussetzung, dass das Ich noch einmal ganz in die Tiefen des Leibes hinabtaucht und die Faszination dieser der Natur nachgebildeten Stoffeswelt erlebt.
Naturreiche als Aussonderungen aus der menschlichen Entwicklung
Es gehört zu den zentralen Forschungsergebnissen Rudolf Steiners, dass die gesamte Evolution von Erde und Mensch gemeinsam verlief und die Naturreiche eigentlich wie Aussonderungen der menschlichen Entwicklung gesehen werden müssen. 31Diese evolutionäre Tatsache begründet die moralische Verantwortung des Menschen für die Natur. Wir erlangten unsere Entwicklung zu immer größerer Vollkommenheit nur dadurch, dass wir bestimmte wesenhafte Kräfte aus uns heraussonderten und in eine zunächst absteigende, erdgerichtete Entwicklung bannten. Diese Anschauung begründet auch den christlichen Erlösungsgedanken dieser Naturreiche und -wesen durch den Menschen.
Wenn wir uns jetzt auch nicht mit dieser so umfassenden, für Mensch und Erde zentralen Frage so auseinandersetzen können, dass diese für den Leser auch begründet anschaubar wird, so muss dieser Gedanke doch ausgesprochen werden, um die Besonderheit der Entwicklung der Bewusstseinsseele als Zeitenfrage auch in tieferen Dimensionen verständlich zu machen.
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