90. An dieser Rede hatte Cyrus großen Gefallen; so gut schien ihm, was er angab; und er lobte ihn sehr, und trug den Lanzenträgern auf, zu vollziehen, was Krösus angegeben hatte, und sprach zu ihm: "Krösus, da du dich angelassen hast, als ein königlicher Mann, zu gutem Dienst und Rath, so bitte von mir, was du irgend willst; es soll dir Augenblicks werden." Und Dieser sprach: "Herr, möchtest du mich (was mir die größte Gunst wäre) den Gott der Hellenen, den ich über alle Götter geehrt habe, befragen lassen, mit Uebersendung dieser Fesseln: "ob Betrug an Wohlthätern Brauch ist bei ihm"?Cyrus aber fragte, welche Klage er führen wolle, indem er Dieß aus bitte. Nun erzählte ihm Krösus von Anfang an seinen ganzen Rathschlag, und die Antworten der Orakel, insbesondere auch seine Weihgeschenke, und daß er aufgeregt von der Weissagung den Feldzug gegen die Perser gemacht habe; kam aber von dieser Geschichte wieder auf die Bitte zurück, ihm zu erlauben, das er dem Gott Dieses-vorwerfe. Da sprach Cyrus mit Lachen: "Ja, Dieses sollst du jetzt von mir erhalten, Krösus; wie auch künftig alles Andere, dessen du begehren wirst." Auf diese Antwort sandte Krösus. Lydier mit dem Auftrag nach Delphi, die Fesseln auf die Schwelle des Tempels zu legen und zu fragen, ob er sich doch nicht schäme mit seinen Weissagungen, den Krösus aufgeregt zu haben zu einem Feldzug gegen die Perser, als würde er der Macht des Cyrus ein Ende machen, von der ihm nun solche Erstlingsopfer zugefallen seyen; wobei sie die Fesseln zeigen sollten. Dazu gab er noch die andere Frage, ob Undank Brauch sey bei den Hellenischen Göttern?
91. Zu den Lydiern aber, als sie angekommen waren und ihren Auftrag gesagt hatten, sprach, wie man sagt, die Pythia also: "Dem bestimmten Verhängniß ist unmöglich zu entgehen, selbst für einen Gott. Krösus hat die Schuld seines fünften 33Stammvaters bezahlt, der, ein Lanzenträger bei den Heracliden, verleitet von der List eines Weibes, seinen Gebieter ermordete und die Würde desselben genommen hat, die ihm nicht zustand. Wie sehr auch Loxias 34den Willen dazu hatte, daß auf die Kinder des Krösus das Schicksal von Sardes faule und nicht auf Krösus selbst: er war nicht vermögend, die Verhängnißmächte zu bewegen. So viel sie aber zugaben, hat er bewirkt und zu seinen Gunsten gethan. Drei Jahre nämlich hat er den Sturz von Sardes hinausgeschoben; und so wisse denn Krösus, daß er um diese drei Jahre später gestürzt ward, als ihm bestimmt war. Zum Zweiten ist er gegen das Feuer ihm zu Hülfe gekommen. Und über jene Weissagung hält sich Krösus mit Unrecht auf. Denn was ihm Loxias vorhersagte, war: ziehe er gegen die Perser zu Feld, so werde er eine große Macht vernichten. Auf Das hin hätte Krösus, wenn er sich gut berathen wollte, wieder sollen fragen lassen, ob die Rede von seiner, oder von Cyrus Macht sey. Nun er aber den Spruch nicht begriffen, noch wieder angefragt hat, so messe er sich selber die Schuld bei; wie er denn auch den Spruch, welchen ihm bei seinem lebten Besuch Loxias gab, den Spruch vom Maulthier eben so wenig begriffen hat. Denn gerade Cyrus war dieses Maulthier, sofern er aus zwei ungleichen Stämmen entsprossen ist, von einer vornehmern Mutter und einem geringern Vater. Denn sie war eine Medierin und Tochter des Astyages, Königs der Medier, er war ein Perser, und Unterthan der Medier; also stand er unter diesen Allen, und hatte seine Herrin zur Hausfrau." Das war die Antwort der Pythia an die Lydier, die sie auch nach Sardes brachten und an Krösus ausrichteten. Nun hörte es Dieser und sah ein, daß die Schuld sein, und nicht des Gottes war. Also ging es mit der Herrschaft des Krösus und mit der ersten Unterjochung Ionien's.
92. Von Krösus sind noch viele andere Weihgeschenke in Hellas, und nicht nur die angeführten: im Böotischen Theben nämlich ein Dreifuß von Gold, dem Ismenischen Apollo geweiht; in Ephesus die goldenen Kühe und die meisten der Säulen, und bei der Athene Pronäa (der Minerva vom Vortempel) in Delphi ein großer, goldener Schild. Diese Weihgeschenke waren noch zu meiner Zeit übrig; ein anderer Theil ist verloren gegangen. Ferner die Weihgeschenke von Krösus an die Branchiden im Milesischen sind, wie ich höre, von demselben Gewicht und gleicher Art, wie die Delphischen. Was er nun nach Delphi und an den Amphiaraus weihte, das war aus seinem Hause und ein Erstlingszoll des väterlichen Erbgutes; die andern Weihgeschenke aber kamen vom Vermögen eines. Feindes her, welcher ihm, eh' er König ward, als Widersacher sich entgegengestellt und dafür gearbeitet hatte, daß an Pantaleon die Herrschaft der Lydier käme, welcher Pantaleon ein Sohn des Alyattes, also ein Bruder des Krösus, aber nicht von derselben Mutter war. Den Krösus nämlich hatte Alyattes von einem Karischen Weibe, den Pantaleon von einer Ionierin. Sobald nun Krösus, kraft väterlicher Bestimmung, der Herrschaft sich bemächtigt hatte, richtete er diesen seinen Gegner auf der Stachelfolter hin, und sein Vers mögen, das er schon vorher gelobt hatte, weihte er damals auf die besagte Art an besagte Orte. So viel denn vor den Weihgeschenken.
93. Wunder zur Aufzeichnung enthält der Lydische Boden nicht besonders, wie sonst andere Länder, außer dem vom Tmolus herabtreibenden Goldsande. Aber ein Werk beut er dar von der höchsten Größe, mit Ausnahme der Aegyptischen Werke und derer zu Babylon. Es ist das dortige Mal des Alyattes, des Vaters von Krösus, mit einer Grundlage von großen Steinen; im Uebrigen ein Dammhügel. Dieses haben die Marktleute, die Handwerker und die gewerbsmäßigen Dirnen aufgestellt. Auch standen noch zu meiner Zeit Denksäulen, fünf an der Zahl, oben auf dem Male, worein Inschriften gehauen waren, was jeder Theil aufgestellt habe. Und bei der Messung zeigte sich, daß das Werk der Dirnen am größten ist. Nämlich bei den Lydiern huren überhaupt alle Töchter aus dem Volk, legen sich damit eine Aussteuer an, und treiben Das fort, bis sie hausen wollen, und da statten sie sich selber aus. Der Umfang nun von diesem Male ist sechs Stadien und zwei Prethren, seine Breite dreizehn Plethren. 35An das Mal stößt ein großer See, von dem die Lydier sagen, er sey unversiegbar. Er heißt der Gygäische, So ist Dieses beschaffen.
94. Die Lydier haben nahezu dieselben Bräuche, wie die Hellenen, mit Ausnahme dessen, daß sie ihre Kinder weiblichen Geschlechts zu Huren machen. Sie haben zuerst unter den Menschen, von denen wir wissen, geprägte Gold- und Silbermünzen gehabt, und bei ihnen gab es die ersten Krämer. Noch ragen die Lydier selbst, die Spiele, welche unter ihnen und unter den Seltenen bestehen, wären ihre Erfindung. Zu gleicher Zeit, sagen sie, seyen von ihnen diese erfunden und Tyrrhenia angebaut worden, worüber ihre Erzählung folgende ist. Zur Zeit des Königs Atys, Sohnes von Manes, sey gewaltiger Kornmangel durch gang Lydien gewesen, und Das hätten die Lydier eine Weile standhaft ausgehalten; hernach aber, als dessen kein Ende ward, auf Abhülfe gesonnen, und Jeder etwas Anderes ausgemittelt. So seyen damals auch die Würfel und die Wurfknöchel, das Ballspiel und alle andere Spielarten erfunden worden; nur das Brettspiel nicht. Denn die Erfindung von diesem eignen sich die Lydier nicht zu. Sie hätten es aber folgendermaßen gemacht, um dem Hunger zu begegnen: allemal den einen Tag hätten sie immerfort gespielt, damit sie nur nicht an's Essen dächten, und am andern gegessen und das Spiel eins gestellt. Auf solche Art hätten sie achtzehn Jahre ausgehalten. Als aber das Uebel nicht gelinder, vielmehr seine Gewalt immer heftiger ward, habe endlich ihr König sämmtliche Lydier in zwei Abtheilungen gesondert und durch's Loos die eine zum Bleiben, die andere zur Auswanderung bestimmt. Und bei der einen Abtheilung, welche da zu bleiben erlooste, habe sich der König selbst an die Spitze gestellt, bei der aus: ziehenden aber sein Sohn, dessen Name Tyrrhenus sey. Diejenigen nun, welche es traf, ihr Land zu verlassen, seyen herabgezogen nach Smyrna, wo sie Fahrzeuge gefertigt, und was sie nur an fahrenden Gütern hatten, hinein genommen, sodann sich einschifften, um Lebensunterhalt und einen neuen Boden zu suchen. Endlich seyen sie, au vielen Völkern vorbei, zu den Umbriern gekommen, hätten dort eigene Städte gegründet und wohnten daselbst bis jetzt. Anstatt Lydier aber hätten sie sich umgenannt nach dem Königssohne, welcher sie hingeführt, indem sie seinen Namen annahmen, sich also Tyrrhener 36nannten. So waren denn die Lydier Knechte der Perser geworden.
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