69. Das Alles erfuhr nun Krösus, und schickte Abgesandte nach Sparta mit Geschenken und der Bitte um einen Waffenbund, wobei er ihnen aufgab, was sie zu sagen hätten. Sie gingen hin und sagten: "Im Namen Krösus, des Königs der Lydier und anderer Völker, höret, ihr Lacedämonier: Weil mir der Gott gesprochen hat, daß ich die Hellenen zu Freunden gewinnen soll, und wiefern ich vernehme, daß ihr voraustehet in Hellas, so spreche ich euch hiemit, gemäß dem Orakel, an, in der Absicht, Freund mit euch zu werden und Streitgenosse, sonder Trug und Falsch." Das also ließ ihnen Kröfus durch seine Herolde kund thun. Die Lacedämonier aber, die auch schon den Götterspruch gehört hatten, welcher dem Krösus geworden war, freuten sich über die Ankunft der Lydier und machten ein Bündniß auf Freundschaft und Streitgenossenschaft. Auch waren sie ja dem Krösus durch Dienste verbunden, die er schon früher ihnen erzeigt hatte; denn als die Lacedämonier nach Sardes geschickt hatten, um Gold zu einem Bilde zu kaufen, das jetzt in Lacouien auf dem Thornar steht, und den Apollo vorstellt, da schenkte ihnen Krösus den Kauf.
70. Deßwegen nahmen also die Lacedämonier den Waffenbund an, und weil er sie vorzugsweise vor allen Hellenen zu Freunden erkor. Nun standen sie ihm nicht nur zum Aufruf bereit, sondern ließen auch einen ehernen Mischkrug, der am äußern Rand voller Gebilde und von einer Größe war, daß er dreihundert Amphoren faßte, als ein Gegengeschenk an Krösus abgehen. Dieser Mischkrug kam nicht nach Sardes; wovon man zweierlei Ursachen hört, wie folgt. Die Lacedämonier sagen, wie man mit dem Mischkrug auf dem Wege nach Sardes gegen das Samische gekommen sey, hätten die Samier es erfahren, wären auf großen Schiffen herangeschifft, und hätten ihn weggenommen; die Samier selbst aber sagen, wie die Lacedämonier mit dem Mischkrug sich verspätet und erfahren hätten, Sardes und Krösus selber sey verloren, hätten sie den Mischkrug in Samos weggegeben; und bürgerliche Leute hätten ihn gekauft, und in's Heiligthum der Here geweiht. Vielleicht möchten denn wohl die Verkäufer, nach ihrer Ankunft in Sparta, gesagt haben, sie seyen von den Samiern beraubt worden. So verhielt es sich mit diesem Mischkruge.
71. Aber Krösus hatte den Sinn des Orakels verfehlt, und unternahm einen Heereszug nach Kappadocien, in der Hoffnung, den Cyrus sammt der Persischen Macht zu stürzen. Während nun Krösus sich zum Feldzug gegen die Perser bereitete, ertheilte ein Lydier, der auch zuvor schon für klug galt, aber von folgender Aeußerung hauptsächlich einen Namen unter den Lydiern bekommen hat (Sandanis war sein Name), dem Krösus solchen Rath: "Mein König, du bereitest dich, gegen Leute zu ziehen, welche lederne Beinkleider und überhaupt den ganzen Anzug von Leder haben; und zur Speise nehmen sie, nicht was sie eben wollen, sondern was sie haben, da sie ein rauhes Land bewohnen; auch genießen sie keinen Wein, sondern trinken Wasser; essen keine Feigen noch sonst etwas Gutes. Nun also, wenn du siegeft, was willst du ihnen nehmen, die ja gar Nichts haben? Wenn du aber besiegt werden solltest, so steh zu, um welche Güter du dich bringst. Denn haben sie einmal unsere Güter gekostet, so werden sie daran hängen bleiben, und nicht zu vertreiben seyn. Ich wenigstens weiß es den Göttern Dank, daß sie nicht den Persern in den Sinn geben, gegen die Lydier in's Feld zu ziehen." Mit diesen Worten fand er bei Krösus kein Gehör. Die Perser hatten nämlich vor ihrer Unterwerfung von Lydien nichts für den Genuß, noch sonst etwas Gutes.
72. Die Kappadocier werden von den Hellenen Syrier genannt; und diese Syrier waren vor der Perser Herrschaft den Mediern unterthan, damals aber der Cyrus. Die Grenze nämlich der Medischen Herrschaft und der Lydischen war der Halysstrom, welcher vom Armenischen Gebirge her durch der Cilicier Land fließt; hernach die Matiener zur Rechten seiner Strömung hat, auf der andern Seite aber die Phrygier, und über Diese hinaus weiter gegen den Nord auf jener Seite die Syrischen Kappadocier begrenzt, zur Linken aber die Paphlagonier. So schneidet der Halysstrom beinahe das ganze Vorderasien ab von dem Meere von Cypern bis zum Pontus Euxinus (schwarzen Meer). Dieß ist der schmalste Hals 28dieses ganzen Landes, - ein Stück Weges, wozu ein rustiger Mann fünf Tagereisen braucht.
73. Warum aber Krösus gegen Kappadocien zu Felde zog, das geschah nicht nur aus Verlangen nach Landesbesitz und dem Wunsch, seinen Antheil zu vermehren, sondern vornämlich auch im Vertrauen auf das Orakel und in der Absicht, an Cyrus wegen Astyages Rache zu nehmen. Den Astyages nämlich, Cyaxares Sohn, Schwager des Krösus und König der Medier, hielt Cyrus, des Kambyses Sohn, unter seinem Joch. Schwager des Krösus war er auf folgende Art geworden. Ein Haufe nomadischer Scythen entwich bei einem Aufstand in's Medische Land. Zu dieser Zeit war Herr in Medien Cyaxares, Sohn des Phraortes, des Sohnes von Dejoces, welcher diese Scythen zuerst gut behandelte, als seine Schützlinge, auch so viel auf sie hielt, daß er ihnen Knaben übergab zum Unterricht in ihrer Sprache und in der Bogenkunst. Mit der Zeit aber, während die Scythen immer auf die Jagd ausgingen und immer Etwas heimbrachten, traf es sich einstmals auch, daß sie Nichts fingen. Wenn sie nun mit leeren Händen zurückkehrten, behandelte sie Cyaxares, nach seiner, wie er bewies, jähzornigen Art, sehr hart und schimpflich. Jene, welchen Cyaxares so begegnet war, beschloßen um dieser unwürdigen Begegnung willen, einen ihrer jungen Lehrlinge abzuschlachten, ihn eben so anzurichten, wie sie mit dem Wilde gewohnt waren, und dem Cyaxares für ein Wildpret zu überbringen; darauf aber schleunigst zu Alyattes, dem Sohn des Sadyattes, nach Sardes aufzubrechen. Das geschah denn auch. Denn wirklich genoß Cyaxares und die anwesenden Gäste von diesem Fleisch, und die Scythen kamen nach dieser That als Schützlinge zu Alyattes.
(Cyaxares und Alyattes Krieg, v. 590 - 585.)
(Sonnenfinsterniß den 28. Merz 585.)
74. Nach Diesem, als Alyattes die Scythen auf die Ausforderung des Cyaxares nicht auslieferte, gab es Krieg zwischen den Lydiern und den Mediern auf fünf Jahre; in denen oft die Lydier von den Mediern, oft auch die Medier von den Lydiern besiegt wurden. Und einst kam es auch zu einer nächtlichen Schlacht. Indem sie nämlich den Krieg auf beiden Seiten gleich, fortführten, trug es sich bei einem Treffen im sechsten Jahre zu, daß mit dem Ausbruch der Schladit der Tag, plötzlich zur Nacht ward. Diese Umwandlung des Tages hat auch Thales von Milet den Ioniern vorausgesagt, mit Vorherbestimmung dieses nämlichen Jahres, in welchem die Veränderung wirklich erfolgte. Als nun die Lydier und Medier die Nacht an die Stelle des Tages treten sahen, gaben sie nicht nur die Schlacht auf, sondern trieben auch um so mehr von beiden Seiten zu einem Friedensschluß. Wer sie aber zusammenbrachte, das war Syennesis, 29der Cilicier, und Labynetus, der Babylonier. Diese betrieben den Bundeseid, und stifteten auch eine Heirathsverbindung. Den Alyattes nämlich hießen sie seine Tochter Aryénis dem Astyages, Sohne des Cyaxares, geben. Denn ohne ein zwingendes Band mag eine erzwungene Vereinigung nicht fest bleiben. Ihre Bundesschwüre thun diese Völker auf dieselbe Art, wie die Hellenen. Ueberdieß aber machen sie an den Armen einen Einschnitt in die Oberfläche der Haut, und lecken einander das Blut auf.
75. Diesen Astyages also, seinen mütterlichen Großvater, hatte sich Cyrus unterworfen; wovon ich die Ursache in den nachfolgenden Geschichten anzeigen werde; und Dieß war Krösus Vorwurf gegen Cyrus, weßhalb er an die Orakel sandte, ob er einen Feldzug gegen die Perser machen solle, und dann auch wirklich, auf einen zweideutigen Spruch hin, in der Hoffnung, der Spruch sey für ihn, einen Feldzug in das Gebiet der Perser unternahm. Als nun Krösus an den Halysstrom kam, so brachte er sein Heer hinüber, wie ich sage, mit Hülfe der vorhandenen Brücken; nach der gewöhnlichen Sage der Hellenen aber hat es ihm Thales von Milet hinübergebracht. Denn bei der Verlegenheit des Krösus, wie sein Heer durch den Strom kommen möge (die Brücken hätten nämlich zu der Zeit noch gar nicht gestanden) soll Thales von Milet und im Lager gewesen seyn und gemacht haben, daß der Strom, der zur linken Hand des Heeres floß, auch rechts zu fließen kam, und zwar folgendermaßen. Oberhalb des Lagers habe er einen tiefen Rinngraben gestochen und in Mondesform gezogen, damit er dem Lagerplatz in den Rücken käme, und so der Fluß, in diesen Rinngraben aus seiner alten Bahn abgeleitet, auch wieder am Lager vorbei, in's alte Bett sich ergöße. Durch diese Vertheilung des Stromes sey es denn möglich geworden, auf beiden Seiten überzusetzen. Andere sagen gar, das alte Bett sey ganz ausgetrocknet. Allein Das heißt mir nichts; wie wären sie denn nachher auf dem Rückweg hinüber gekommen?
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