57. Welch eine Sprache aber die Pelasger redeten, bin ich nicht im Stand bestimmt anzugeben; doch wenn es erlaubt ist, einen Schluß zu ziehen nach den noch jetzt vorhandenen Pelasgern, den Einwohnern der Stadt Kreslon oberhalb der Tyrrhener 23(die einst Grenznachbarn der jetzt so genannten Dorier waren und damals das Land bewohnten, das jetzt Thessaliotis heißt), so wie nach den Pelasgern, die Pracia und Scylace am Hellespont angebaut haben (welche einst Mitwohner der Athener geworden), 24und überhaupt nach all den Pelasgischen Städten, deren Namen in andere übergingen: wenn man nach Diesen seinen Schluß ziehen soll, so hatten die Pelasger eine Barbarische Sprache. Und wenn nun Dieses bei dem ganzer Pelasgischen Stamm also war, so hat der Attische, als zum Pelasgischen gehörig, mit Feinem Uebergang zu den Hellenen auch eine andere Sprache erlernt. Stimmen doch wirklich die Krestoniaten mit keinen ihrer jetzigen Nachbarn in der Sprache zusammen, und auch die Placianer nicht, während sie untereinander darin zusammen stimmen; und es ist offenbar, daß sie die Mundart, welche sie bei ihrer Uebersiedlung in jene Gegenden mitbrachten, noch ebenso bewahren.
58. Was nun den Hellenischen Stamm und seine Sprache Betrifft, so hat er wohl, wie mir einleuchtet, seit seiner Entstehung immerdar dieselbe beibehalten. Nämlich geschieden vom Pelasgischen und an sich schwach, ist er aus einem kleinen Ursprung angewachsen zu einer Gesammtheit vieler Völker, vornämlich durch starten Hinzutritt anderer Barbarischer Völkerschaften. Dagegen hat, wie es mir wiederum scheint, der Pelasgische Stamm, ein Barbarischer, niemals großen Anwachs bekommen.
(Pisistratus, Tyrann von Athen, 561 - 528.)
59. Von diesen Völkern nun war das Attische, wie Krösus vernahm, unterdrückt und in Spaltungen getheilt durch Pisistratus, Hippocrates Sohn, der zu dieser Zeit Herr von Athen war. Dem Hippocrates nämlich, einem bürgerlichen Manne, geschah an den Olympischen Spielen, wo er zuschaute, ein großes Zeichen. Wie er nämlich seine Opfer schlachtete, fingen die, aufgestellten Kessel, die von Fleisch und Wasser voll waren, ohne Feuer zu sieden an und überzulaufen. Nun gab Chilon, ein Lacedämonier, der gerade dabei war und das Zeichen schaute, dem Hippocrates für's Erste den Rath, Bein fruchtbares Weib heimzuführen, wofern er Das aber schon habe, für's Andere, das Weib zu verstoßen; endlich, wofern er schon einen Sohn habe, sich von demselben loszusagen. Allein auf dieses Anrathen des Chilon habe Hippocrates nicht hören wollen; darauf sey ihm Pisistratus geboren worden. Und als in Athen das Küstenvolk die Plattländer sich wider einander zusammenrotteten (Jenes mit Megables, Alkmäon's Sohn, die Plattländer mit Eycurgus, Aristolaides Sohn, an der Spitze), trachtete eben dieser Pisistratus nach der Herrschaft und stiftete eine dritte Rotte. Als er diese zusammengebracht und dem Namen nach dem Bergvolke vorstand, stellte er Folgendes an. Er verwundete sich und seine Maulthiere; dann fuhr er mit seinem Gespann auf den Markt, als wäre er seinen Feinden entflohen, die ihn nur eben auf dem Weg nach dem Felde hätten ermorden wollen ; und nun bat er das Volk, es möchte ihm eine Wache zukommen lassen. Freilich hatte er sich auch zuvor, als Anführer gegen die Megareer, Ehre erworben, Nisäa eingenommen und andere große Thaten ausgeführt. Das Athenische Volk ließ sich täuschen und wählte ihm eigene Männer von der Stadt aus, die nun zwar keine Lanzenträger, aber doch Keulenträger des Pisistratus wurden; denn mit Holzkeulen folgten sie hintennach. Jetzt lieben sich Diese von Pisistratus mit aufwiegeln und nahmen die Burg; und sofort herrschte Pisistratus über die Athener, ohne jedoch die vorhandenen Würden umzustoßen, noch die Satzungen abzuändern; sondern verwaltete die Stadt nach dem bestehenden Recht in der schönsten Ordnung.
60. Es dauerte aber nicht lange, so wurde die Rotte des Megakles und die des Lycurg eines Sinnes, und sie vertrieben ihn. So hatte Pisistratus Athen zum erstenmal gewonnen, und so verlor er die Herrschaft, noch ehe sie recht festgewurzelt war. Aber die Vertreiber des Pisistratus roteten sich wieder auf ein Neues gegen einander zusammen. Da ließ Megakles, als ihn der Parteizwist allenthalben umtrieb, durch einen Herold dem Pisistratus anbieten, ob er seine Todter zur Frau nehmen wolle, mit Einbeding der Herrschaft. Und als Pisistratus den Vorschlag annehmlich fand und auf die Bedingung einging, stellten sie zum Behuf seiner Rückkehr bei weitem die einfältigste Geschichte an, die ich mir denken kann; während doch schon vorlängst der Hellenische Stamm vom Barbarischen, als geschichter und weiter entfernt von thörichter Einfalt, unterschieden wurde. Und nun haben Jene damals gar bei den Athenern, welche an Klugheit die Ersten unter den Hellenen heißen, Folgendes angestellt: In dem Päanischen Sau war ein Weib mit Namen Phya, in der Größe von vier Eden, weniger drei Finger, und sonst wohlgebildet. Dieses Weib thaten sie mit völliger Waffenrüstung an, setzten sie auf einen Wagen, und wiesen ihr die Haltung, in der sie sich am würdigsten ausnehmen möchte. So fuhren sie in die Stadt unter dem Vorausgang anmeldender Herolde, welchen aufgegeben war, mit ihrer Ankunft in die Stadt aufzurufen: "Athener, empfanget mit guter Gesinnung den Pisistratus, den die Göttin von Athen selbst am höchsten unter allen Menschen ehrt und in eure Burg wieder einführt." Dieß riefen sie allenthalben aus; und alsbald kam in die Gauen ein Gerücht: Athene führt den Pisistratus wieder ein; die Städter aber glaubten wirklich, das Weib sey die Göttin selbst, beteten das Menschenbild an, und nahmen den Pisistratus auf.
61. Als auf die besagte Art Pisistratus wieder zur Herrschaft gelangt war, heirathete er, nach seiner Uebereinkunft mit Megakles, dessen Tochter. Weil er aber herangewachsene Söhne schon hatte, und es auch von den Alkmäoniden hieß, sie stünden im Fluch, 25wollte er keine Kinder von der neuvermählten Frau bekommen, und wohnte ihr nicht nach der Ordnung bei. Nun verbarg es zuerst die Frau; hernach aber, vielleicht auf Befragen, vielleicht ohne Das, verräth sie es ihrer Mutter, und diese ihrem Manne. Den griff es arg an, von Pisistratus so verunehrt zu werden; und in seinem Zorn ging er hin und söhnte sich mit der feindlichen Rotte aus. Pisistratus merkte aber, was man auf ihn anlege, und entwich völlig aus dem Lande. Ja Eretria, wohin er kam, berathschlagte er sich nun mit seinen Söhnen; und da Hippias die Meinung durchsetzte, daß sie die Herrschaft wieder erwerben sollten, so sammelten sie nun Beisteuern aus den Städten, wo solche ihnen irgend aus Dank ergeben was sey; da denn unter Vielen, welche große Mittel darreichten, die Thebaner mit ihrer Gabe Alle überboten. Hernach, um nicht viel Worte zu machen, verging einige Zeit: da hatten sie Alles zur Heimkehr zugerichtet. Denn nicht nur kamen Argivische Söldner aus dem Peloponnes; es war auch freiwillig ein Naxier gekommen, Lygdamis mit Namen, welcher für sie allen Eifer anwandte mit Herbeischaffen von Mitteln und Männern.
62. Es war im eilften Fahr, daß sie von Eretria aus zurückkamen; und das Erste, was sie in Attika nahmen, war Marathon. In das Lager, welches sie daselbst hatten, kamen auch aus der Stadt die Leute von ihrer Rotte, und andere strömten aus den Gauen herzu, welchen die Herrschaft willkommener war, als Freiheit. Diese kamen also zu Hauf. Aber die Athener in der Stadt, welche, so lange Pisistratus die Mittel sammelte, und auch, als er schon Marathon nahm, nichts darnach gefragt hatten, erfuhren jetzt, er breche schon von Marathon nach der Stadt auf; und nun erst zogen sie gegen ihn zur Wehre. Sie gingen mit dem Heerbann auf die Heimkehrenden los; und Pisistratus mit den Seinigen, welche von Marathon her gegen die Stadt anrückten, traf am Heiligthum der Pallenischen Athene mit ihnen zusammen, und lagerte sich, ihnen gegenüber. Da erschien vor Pisistratus, durch göttliche Sendung, Amphilytus, der Acarnane, ein Wahrsager, der zu ihm trat und im sechsgliedrigen Versmaße folgenden Spruch that: Ausgehängt ist das Netz und gespannt in die Breite das Fanggarn; Bald schießt Thunfischvolk einher in der leuchtenden Mondnacht.
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