63. Diesen Ausspruch that er gottbegeistert; und Pisistratus, der die Weissagung begriff, erklärte, er nehme an, was ihm geweissagt sey, und führte das Heer hinaus. Aber die Athener aus der Stadt waren jetzt gerade zum Frühstück gegangen, oder, Wer schon gefrühstückt hatte, hier zum Würfelspiel, dort zum Schlafen. Nun fiel sie Pisistratus mit den Seinigen an, und die Athener wurden geschlagen. Wie fie aber flohen, wandte Pisistratus einen klugen Kunstgriff an, damit sich die Athener nicht mehr sammelten, sondern zerstreut blieben. Er ließ seine Söhne zu Pferd steigen und voraneilen; und als sie die Flüchtigen einholten, sagten sie ihnen nach Pisistratus Auftrag, sie sollten getrost seyn, und ein Jeder seines Weges nach Haus gehen.
64. Diesem leisteten die Athener Folge; und so nahm denn Pisistratus Athen zum drittenmal ein, und wurzelte sich, nun erst in der Herrschaft fest durch viele Hülfstruppen und Zuflüsse von Mitteln, deren ein Theil aus dem Lande selbst, ein Theil vom Strymonfluß einging; auch durch Geisseln, wozu er für diejenigen Athener, die standhaft geblieben und nicht sogleich geflohen waren, ihre Söhne nahm, und auf Naxos versetzte (denn auch diese Insel hatte er sich gewaltsam unterworfen und dem Lygdamis übergeben); endlich durch Reinigung der Insel Delos kraft erhaltener Göttersprüche. Diese Reinigung vollzog er also: So weit der Gesichtskreis des Tempels reichte, grub er aus dem ganzen Feld die Todten aus und verlegte sie in ein anderes Feld der Insel. Pisistratus war also Herr zu Athen; ein Theil der Athener aber war in der Schlacht gefallen, und ein anderer mit dem Sohn Alkmäon's aus der Heimath geflohen.
(Lycurg, Gesetzgeber der Lacedämonier, 884.)
65. Ueber die Athener also vernahm Krösus solche Kunde von ihren dermaligen Umständen, über die Lacedämonier dagegen, daß sie aus großen Uebeln sich herausgezogen, und bereits in ihrem Kriege die Oberhand über die Tegeaten gewonnen hatten. Denn unter König Leon und Hegesikles von Sparta hatten die Lacedämonier, in ihren sonstigen Kriegen glücklich, bei den Tegeaten allein Anstoß gelitten. Und in der vorhergehenden Zeit waren sie beinahe unter allen Hellenen in der schlechtesten Verfassung, unverträglich sowohl unter sich, als gegen Fremde. Davon gingen sie nun so zur Ordnung über. Lycurgus, ein ehrenhafter Spartiate, kam nach Delphi vor das Orakel, und gleich bei seinem Eintritt in die Halle sprach die Pythia:
O Lycurgus, du kommst zu meinem gesegneten Tempel,
Theuer dem Zeus und Allen zumal den Olympusbewohnern.
Ob ich als Gott dich deute, befrag' ich mich, ob als Menschen;
Mehr doch findet in dir den Gott mein Sinn, o Lycurgus!
Nun sagen Einige, Pythia habe ihm überdieß die jetzt unter den Spartiaten bestehende Anordnung angegeben; wie aber die Lacedämonier selbst sagen, so hat Dieß Lycurgus, als Vormund des Leobotes, seines Bruderssohnes und Königs der Spartiaten, aus Kreta gebracht. Denn sobald er Vormund geworden war, setzte er alle Einrichtungen auf einen andern Fuß, und wachte darüber, daß sie nicht übertreten würden. Hernach setzte er im Kriegswesen die Geschwornenschaar, 26die Dreißigerzahl und die Mahlgemeinschaft 27fest. Und ausserdem stellte Lycurg die Aufseher (Ephoren) und Alten auf.
66. So trat bei ihnen eine bessere Ordnung ein. Dem Lycurgus stifteten sie aber nach seinem Tod ein Heiligthum, und verehren ihn hoch und heilig. Und bei der Güte des Landes und ihrer nicht geringen Bevölkerung wuchsen sie alsbald auf, and blühten in ihrer Kraft. Ja, es genügte ihnen schon nicht mehr, ruhig zu bleiben; sondern in hoher Meinung, sie seyen der Arcadier Meister, fragten sie bei'm Orakel in Delphi um das ganze Land der Arcadier an; worauf die Pythia ihnen den Ausspruch that:
Um Arcadien bittest du mich? Ist viel. Ich versag' es.
In Arcadien sind viel eichelspeisende Männer,
Welche dir Einhalt thun. Doch ich bin dir ferne von Mißgunst.
Tégea geb' ich: du wirst reih'nweise den Fuß drauf pressen,
Wirst mit der Feldschnur dort das schöne Gefild ausmessen.
Wie Dieses den Lacedämoniern ausgerichtet wurde, ließen sie von den andern Arcadierg sich zurückhalten; aber gegen die Tegeaten zogen sie mit Fesseln in's Feld, im Vertrauen auf den zweideutigen Spruch, als würden sie gewiß die Tegeaten zu Knechten machen. Da sie aber im Treffen unterlagen, mußten Alle, die lebendig gefangen wurden, Arbeit thun, und dabei die Fesseln tragen, die sie selbst mitgebracht hatten, wie auch mit der Feldschnur das Gefild der Tegeaten ausmessen. Und eben diese Fesseln, mit denen sie gebunden wurden, waren noch zu meiner Zeit aufbehalten in Tegea, wo sie rings am Heiligthum der Athene Alea hingen.
67. In diesem frühern Krieg also kämpften sie beständig mit Unglück gegen die Tegraten; zu Krösus Zeit aber, unter den Königen in Lacedämon, Anaxandrides und Ariston, hatten bereits die Spartiaten die Oberhand im Kriege gewonnen, und Das auf solche Art. Weil sie immer in diesem Krieg den Tegeaten unterlagen, schickten sie heilige Gesandte nach Delphi, mit der Frage, welches Gottes Gunst sie erwerben müßten, um im Kriege die Oberhand über die Tegeaten zu gewinnen. Da gab ihnen die Pythia den Spruch: "wenn fie Orestes Gebeine, des Sohnes von Agamemnon, sich verschafften." Nun konnten sie aber die Grabstätte des Orestes nicht finden, sandten also des alten Weges an den Gott, um das Feld zu erfragen, in welchem Orestes liege. Und auf diese Frage der Gesandten antwortete Pythia Dieses:
Wo die Arcadische Tégea liegt auf räumigem Blachfeld,
Allda brausen der Winde zwei in gewaltigem Nothbann;
Schlag und erwiedernder Schlag ist da, und Uebel auf Ueber.
Allda birgt Agamemnon's Sohn die Beleberin Erde.
Holst du ihn wieder, so wird dein Arm in Tegea stark seyn.
Auch durch diese Antwort waren die Lacedämonier um nichts weniger ferne von seiner Auffindung, trotz allem Nachforschen; bis endlich Lichas, ein Spartiate von den sogenannten Braven, zu dem Funde kam. Diese Braven sind Bürger aus der Stadt und ie die Aeltesten vom Ritterstande, aus welchem sie alljährlich zu Fünfen austreten. Dieselben müssen, in diesem Jahr ihres Austritts aus dem Ritterstande, vom Spartanischen Staat sich verschicken lassen, ohne daß Einer da oder dort weilen dürfte.
68. Einer von Diesen also war Lichas, welcher in Tegea den Fund that, sowohl durch Glück, als durch Verstand. Et hatte nämlich zu dieser Zeit Verkehr mit den Tegeaten Statt; da kam er in eine Schmiede und schaute zu, wie das Eisen getrieben wurde, und verwunderte sich dessen. Als nun der Schmied seine Verwunderung bemerkte, hörte er an seiner Arbeit auf und redete ihn an: "Höre, Freund Laconier, ich meine wohl, hättest du gesehen was ich, du würdest dich wohl stark verwundert haben; wenn du dir hier schon ein solches Wunder aus der Schmiedearbeit machst. Ich wollte nämlich da in dem Hof einen Brunnen machen, und stieß unter'm Graben auf einen Sarg von sieben Ellen Länge. Und wegen des Unglaubens, den ich hatte, daß die Menschen keiner Zeit größer gewesen, als die jetzigen, öffnete ich, denselben und sah den Todten, daß er an Länge dem Sarge gleich kam. So habe ich's gemessen und dann zugeschüttet."Der sagte also, was er gesehen hatte; der Andere aber faßte zu Sinn, was er hörte und schloß, das sey Orestes nach dem Gottesspruch. Und er schloß es daraus, weil er bei dem Schmied zwei Bälge sah, worin er die Winde fand, im Ambos und Hammer aber den Schlag und den erwiedernden Schlag, und in dem Eisen, wie es getrieben ward, das Uebel auf Uebel; insofern er erwog, wie das Eisen zum Unglück des Menschen aufgefunden sey. Das war sein Schluß, und nach Sparta zurückgekehrt, erzählte er den Lacedämoniern die ganze Sache. Diese brachten aus erdichtetem Vorwand Klage wider ihn vor, und verstießen ihn. Da kam er nach Tegea, wo er sein Schicksal dem Schmied erzählte und von ihm seinen Hof miethen wollte, der ihn aber nicht hergab. Indessen mit der Zeit beredete er ihn doch, und kam da in Wohnung. Nun grub er das Grab auf, sammelte die Gebeine und ging damit fort nach Sparta. Und so oft sie seit dieser Zeit sich im Kriege aneinander versuchten, hatten die Lacedämonier bei weitem die Oberhand. Bereits war ihnen auch der größte Theil des Peloponnes unterworfen.
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