104. Vom Mäotischen See 39an den Phasisstrom und nach Kolchis ist ein Weg von dreißig Tagen für einen rüstigen Mann; und von Kolchis braucht's nicht viel, hinüber in's Medische zu kommen; sondern es liegt ein einziges Volk, die Saspiren, 40dazwischen; hat man Diese hinter sich, so ist man im Medischen. Indessen drangen doch die Scythen nicht von dieser Seite ein, sondern schlugen sich auf den obern Weg, der viel weiter ist, wobei sie das Kaukasische Gebirg zur Rechten hatten. Dort stießen die Medier mit den Scythen zusammen, unterlagen in der Schlacht, und verloren ihre Herrschaft. Die Scythen aber überwältigten ganz Asien.
105. Von da gingen sie auf Aegypten los, und wie sie im Palästinischen Syrien waren, kam ihnen Psammitichus, Aegypten's König, entgegen, und hielt sie mit Geschenken und Bitten von weiterem Vordringen ab. Und wie darauf die Scythen auf ihrem Rückzug in der Syrischen Stadt Askalon waren, blieben, während die Reisten ruhig durchzogen, einige Wenige zurück und plünderten das Heiligthum der Aphrodite Urania. Dieses Heiligthum ist aber, wie ich nach meinen Erkundigungen finde, von allen Heiligthümern dieser Gottheit das älteste. Denn auch das Cyprische Heiligthum ist von dorther gekommen, wie die Cyprier selbst sagen, und das auf Cythéra hat Phönicier aus eben diesem Syrien zu Gründern. Diejenigen Scythen nun, welche das Heiligthum in Askalon plünderten, und ihre jederzeitigen Nachkommen, schlug die Göttin mit einer weiblichen Krankheit; wie denn die Scythen selbst sagen, daher komme ihre Krankheit, und Wer in das Scythenland komme, könne bei ihnen sehen, welche Bewandtniß es habe mit den von den Scythen so genannten Enareern.
(Scythen aus Asien vertrieben 596 v. Chr.)
106. Ueber Asien herrschten indeß die Scythen achtundzwanzig Jahre lang, und Nichts blieb von ihrem Hohn und Trotz verschont. Denn außer den Abgaben trieben sie von Allen eigene Lasten ein, und außer dieser Abgabe raubten sie auf Umzügen, was nur Einer hatte. Hierauf wurden sie zum größten Theil von Cyaxares und den Mediern bei einem Gastmale trunken gemacht und ermordet. Und so gewannen die Medier ihre Herrschaft wieder, und kamen zu ihrer vorigen Obermacht über die Andern. Auch nahmen sie die Stadt Ninus ein (wie sie dieselbe einnahmen, werde ich in andern Geschichten anzeigen 41, und machten die Assyrier sich unterwürfig, außer dem Babylonischen Gebiet. Nach Diesem endigte Cyaxares, als er vierzig Jahre, zum Theil während die Scythen herrschten, König gewesen war.
(Astyages, 585 v. Chr.)
107. Darauf folgte dem Cyaxares sein Sohn Astyages auf dem Königsthron. Derselbe bekam eine Tochter, welcher er den Namen Mandane gab. Von Dieser kam es dem Astyages im Schlafe vor, sie lasse so viel Wasser, daß sie damit seine Stadt anfüllte, ja ganz Asien überschwemmte. Nun legte er den Traumdeutern unter seinen Magiern das Nachtgesicht vor und erschrack, als er von ihnen alles Einzelne vernahm. Hierauf gab er diese Mandane, da sie bereits mannbar war, keinem der Medier, die seiner würdig gewesen wären, ans Furcht vor dem Gesicht; sondern einem Perser gab er sie, mit Namen Kambyses, den er von einem guten Hause und von friedliebender Weise fand, während er ihn tief unter jeden Medier aus dem Mittelstand herabsetzte.
108. Als nun Mandane mit Kambyses zusammenlebte, sah Astyages im ersten Fahre ein anderes Gesicht. Es kam ihm vor, aus dem Schoos derselben Tochter wachse ein Weinstock, und der Weinstock überdecke ganz Asien. Das sah er, legte es den Traumdeutern vor, und ließ nun seine Tochter aus dem Perserland holen, die einer Geburt nahe war. Und wie sie da war, bewachte er sie, entschlossen, ihre Leibesfrucht umzubringen; denn nach seinem Gesicht hatten ihm die traumverständigen Magier gewahrsagt, daß der Sprößling seiner Tochter König werden solle an seiner Statt. Eben darüber wachte Astyages, und ließ daher, als Cyrus geboren war, den Harpagus rufen, der aus seinem Hause und sein Vertrautester unter den Mediern, auch der Verwalter war von Allem, was er hatte. Zu Diesem sprach nun Astyages: "Sieh zu, daß du mir das Geschäft, das ich dir jetzt auflegen will, ja nicht schlecht machst, mich nicht hintergehst, Andern folgst und hinterher dich selbst verfängst! Nimm da das Kind, das Mandane geboren hat, trag' es in dein Haus und tödte es; hernach begrabe es auf welche Art du willst." Und Jener antwortete darauf: "Mein König, du haft wohl sonst zu keiner Seit an Harpagus etwas Mißfälliges gesehen; und auch in's Künftige werde ich mich hüten, jemals gegen dich zu fehlen. Nein, wenn es dir beliebt, daß Dieses so geschehe, so ziemt so mir, daß mein Dienst mit Fleiß geleistet werde."
109. Nach dieser Antwort ging Harpagus, als ihm das Knäblein, geschmückt zum Tode, übergeben war, weinend nach Hause. Dort eröffnete er seiner Frau Alles, was Astyages mit ihm geredet hatte. Da sprach sie zu ihm: "Und was hast du jetzt im Sinn zu thun?". Er aber antwortete: "Nicht nach dem Auftrag des Astyages! Und wenn er noch mehr verrückt und noch ärger toll wird, als er jetzt schon toll ist, so will ich doch nicht auf seinen Gedanken eingehen und zu solchem Mord den Dienst leisten. Aus vielen Gründen will ich nicht der Mörder desselben seyn, weil das Kind mit mit selbst verwandt ist, und weil Astyages selber alt und ohne einen männlichen Nachkommen ist. Wenn also nach seinem Ende die Herrschaft auf diese Tochter übergehen soll, deren Sohn er jetzt durch mich tödten läßt, was anders bleibt mir alsdann übrig als die höchste Gefahr? Jedoch um meiner Sicherheit willen muß dieser Knabe um's Leben kommen, sein Mörder aber muß Einer von des Astyages Leuten seyn, und keiner von den Meinen."
110. So redete er, und schickte sogleich einen Boten nach demjenigen Kinderhirten des Astyages, dessen Waiden seines Wissens hiezu am tauglichsten und an den wildesten Bergen waren. Derselbe hatte den Namen Mithradates, und hauste mit seiner Nebenmagd. Und das Weib, mit dem er hauste, hatte den Namen Cyno (Hündin) nach der Hellenischen Sprache, nach der Medischen aber Spako; bei den Mediern nämlich heißt der Sund Spat. Jene Niederungen der Berge aber, wo eben dieser Kinderhirt seine Viehwaiden hatte, liegen von Agbatana gegen den Nord und zwar gegen den Pontus Enrinus (das schwarze Meer.) Denn dort ist das Medische Land gegen die Saspiren hin sehr gebirgig, hoch und mit Waldungen überdeckt; das übrige Medische Land dagegen ist durch aus eine Ebene. Nachdem nun der Kinderhirt in größter Eile herbeigeholt war, sagte Harpagus zu ihm: "Astyages befiehlt dir, dieses Knäblein zu nehmen und auszusetzen in die ärgste Gebirgswüste, damit es so schnell, als möglich, umkomme. Und Das befahl er, dir anzusagen: "wo du es nicht umbrächtest, sondern irgendwie erhieltest, sollst du des härtesten Todes sterben;" und ich selbst bin aufgestellt, nach dem ausgesetzten Kinde zu sehen."
111. Als der Kinderhirt Dieß gehört und das Kind in Empfang genommen hatte, ging er wieder seines Weges zurück, und kam auf sein Gehöfte. Nun wollte es aber der Himmel, daß auch sein Weib, die jeden Tag der Geburt nahe war, gerade jetzt niederkam, während der Kinderhirt in die Stadt eilte. Und Beide waren in Sorgen um einander, er aus Bangigkeit wegen der Geburt seines Weibes, das Weib, weil Harpagus, was er doch sonst nicht gewohnt war, ihren Mann holen ließ. Sobald er nun wieder daheim vor ihr stand, und so dem Weibe, wie unverhofft, erschien, that sie zuerst die Frage, weßhalb ihn Harpagus so angelegentlich habe rufen lassen? Darauf sagte er: "O Weib, ich habe in der Stadt gesehen und gehört, was ich nicht hätte sehen und was niemals über unsere Gebieter hätte kommen sollen. Im ganzen Haus des Harpagus war Nichts als Wehklagen; Das machte mich schon betroffen, als ich hineinging. Kaum bin ich aber eingetreten, so seh' ich ein Kindlein daliegen, zappelnd und schreiend, dabei geschmückt mit Gold und buntem Gewand. Harpagus aber, wie er mich erblickte, befahl mir, im Augenblick das Kind zu nehmen, und es gleich fortzutragen und im Gebirg auszusetzen, wo es am wildesten sey, mit dem Bedeuten, es sey Astyages, der mir Das auferlege, und mit schwerer Drohung, wenn ich's nicht so machen würde. So nahm ich's mit mir fort, in der Meinung, es sey von Einem der Hausleute; denn ich hatte nimmer errathen, von Wem es ist. Doch stutzte ich, weil ich es mit Gold und Gewanden geschmückt sah, und dazu über das Wehklagen, das man laut anstellte bei Harpagus. Und alsbald erfuhr ich unterwegs die ganze Geschichte von einem Diener, der mich vor die Stadt hinaus begleitete, wo er mir das kleine Kind einhändigte, daß es von Mandane ein Sohn sey, der Tochter des Astyages, und von Kambyses, Cyrus Sohn; und Der läßt Astyages umbringen. Und da er jetzt.
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