1 ...7 8 9 11 12 13 ...18 Auch wenn das Mädchen nicht den Wunsch hegte, einen Mann zu finden, so wollte die Tochter doch der Mutter gehorchen und machte sich schweren Herzens früh am nächsten Morgen auf den Weg.
Wie es durch den Wald schritt, verstellte sich ihr plötzlich ein Zwerg den Weg. „Mädchen, wie dein Haar glänzt und strahlt. Als trügest du Gold anstelle von Haar.“
Das Mädchen antwortet ehrlich: „Mein lieber Zwerg, tatsächlich habe ich Haare aus Gold.“
Kaum dass der Zwerg dies hörte, glühte die Habgier in seinen Augen, denn es liegt in der Natur der Zwerge, dass sie nichts so sehr begehren wie Gold. Und so sprang der Zwerg auf das Mädchen zu und riss und zerrte an seinen Haaren. Das Mädchen schrie und versuchte, den Zwerg zu fassen, doch dieser war flink, riss ihr die goldenen Haare vom Kopf und verschwand.
Wie elend war dem Mädchen zumute. „Ach, hätte Mutter mir mein schönes braunes Haar gelassen, dann wäre mir solcher Kummer erspart geblieben“, dachte es. Dennoch machte es sich gehorsam auf in die Stadt. Die Sonne stieg indes immer höher hinauf. Wie es funkelte und glitzerte, wenn einer der Sonnenstrahlen die Augen des Mädchens traf. Angelockt von diesem Lichterspiel flogen ein paar Vögel heran. Sie legten ihre Köpfe schief und stierten die funkelnden Saphire an. Wie von der Mutter gewünscht, bezauberten die Steine selbst die Vögel. Und so flogen sie mit einem Mal hinab und pickten dem Mädchen die Augen aus.
„Ach, hätte Mutter mir meine alten Augen gelassen, dann wäre mir solcher Kummer erspart geblieben“, dachte es. „Nun bin ich blind und finde nicht mehr aus dem Wald heraus.“ Doch so verzweifelt das Mädchen auch war, es wollte das Beste aus seiner Lage machen und so irrte es durch den Wald in der Hoffnung auf Hilfe.
Nach Stunden endlich hörte es Stimmen. Tatsächlich hatte es die Stadt fast erreicht und zwei Bauersfrauen kreuzten vor der Stadtmauer seinen Weg. „Schau nur“, sprach die eine, „keine Haare und keine Augen hat das Ding, aber sieh ihr Gewand! Wie edel und fein.“
So gut das Herz des Mädchens war, so schlecht war das der Bäuerinnen und so lockten sie das Mädchen an den Straßenrand und raubten ihm die Kleidung vom Leib. Eine der beiden, in deren Herz noch ein wenig Mitleid steckte, ließ ihm eine zerschlissene Decke zurück, mit der sich das Mädchen bedecken konnte.
„Ach, hätte Mutter mir mein altes Kleid gelassen, dann wäre mir solcher Kummer erspart geblieben. Nun muss ich bitterlich frieren.“
Und so saß das Mädchen frierend vor den Mauern der Stadt, eingehüllt in eine Decke, ohne Augen, ohne Haar und vom Glück verlassen, wie es schien. Der Sternenhimmel senkte sich herab und das Mädchen spürte die Kälte der Winternacht.
„Mädchen, bist du es?“ Es war die Stimme des alten Mütterchens.
„Liebes Mütterchen, verzeih, dass ich dein Geschenk nicht besser zu nutzen wusste.“
„Sprich, was ist dir widerfahren?“
Und es erzählte der Alten die ganze Geschichte.
Die Alte sah das Mädchen lange an und sprach schließlich. „Es ist nicht deine Schuld, sondern die deiner Mutter.“
„Ach, bitte, sag das nicht. Meine Mutter tat es aus Liebe und wusste es nicht besser.“
Die Alte überlegte.
„Du magst recht haben. Dann tragen die Schuld daran der Zwerg, die Vögel und die Bauernmägde.“
„Ach, liebe Alte, der Zwerg und die Vögel handelten, wie sie handeln mussten. Welchen Vorwurf kann ich ihnen machen? Und wer weiß, was den Frauen widerfahren ist, das sie hat grausam werden lassen.“
Wieder überlegte die Alte.
„Mein liebes Kind, du hast ein Herz aus Gold. Ich kann nicht dulden, dass dir ein solches Unglück widerfährt. Ich will dir abermals ein Geschenk machen.“ Da rief die Alte fremde und kehlige Laute zum Himmel empor. Einer der Sterne wurde größer und größer und seine Strahlen senkten sich auf das Mädchen hinab und gossen es in silbriges Licht. Und da stand es in seinem alten roten Kleid, mit seinem braunen Haar und seinen blauen Augen. „Folge dem Stern, mein Kind. Er wird dich nach Hause leiten.“
Und so kehrte das Mädchen nach Hause zurück und dort im Wald lebte es ohne Mann glücklich bis an sein Ende.
Kerstin Jauer
*
Der Schnee fällt aus den Wolken
Ich stehe draußen in warmen Socken
Es ist Nacht und das Schweigen ist da
Der Wald ist dunkel und die Tiere schlafen
Ich laufe durch den Schnee, sehe die Sterne
Februar ist mein Leben, mein Herz und meine Seele.
Josefina González Edelhof, 3. Klasse.
*
Das Mädchen auf dem Stern
Noch eine Woche bis zum Vollmond. Es war der Monat Februar. In Glücksstadt hatte es den ganzen Tag geregnet. Die kleine Aylin sah verträumt aus dem Fenster und schaute den Regentropfen zu. Sie war gerade einmal neun Jahre alt. Ihre langen roten Haare hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden. Auf der Nase hatte sie kleine süße Sommersprossen. Die Augen hatten ein wunderschönes Grün. Sie war ein sehr schlaues Mädchen. Viele Menschen im Ort aber belächelten sie, nur weil sie den Wunsch hatte, einmal auf dem schönsten Stern am Himmel zu sein. Aylin glaubte daran, dass der Stern mit ihr reden könne.
Die Woche verging und der Mond wurde immer runder. Am Abend des Vollmondes leuchtete der Stern immer am hellsten. Das lag daran, weil er vom Mond angestrahlt wurde. Sie konnte sehen, dass ein Zacken vom Stern fehlte.
„Mama, ich gehe mit meinem Fernglas nach draußen und schaue mir den Stern an“, sagte Aylin.
„Ja, ist gut!“, erwiderte ihre Mama.
Aylin schnappte sich ihr Fernglas und den Fotoapparat und lief schnell nach draußen. Mit dem Fernglas konnte sie erkennen, dass dem Stern immer noch ein Zacken fehlte. Das konnte aber nicht sein. Eigentlich hätte der Stern alle haben müssen.
„Stern, warum fehlt dir ein Zacken?“, fragte Aylin.
Der Stern schaute sie mit traurigen Augen an. „Ich habe ein Stück verloren. Es flog ein Himmelskörper an mir vorbei und streifte mich. Dabei brach ein Stück ab.“ Der Stern war so traurig, dass Tränen kullerten und auf die Erde fielen. Dabei krachte es ganz laut und die Bewohner von Glücksstadt erschraken. Sie dachten, es sei ein Erdbeben, und kamen aus ihren Häusern.
Aylin sagte zu dem Stern: „Wenn ich zu dir nach oben kommen könnte, würde ich dir helfen.“
Der Stern nickte.
„Warte, ich muss erst was holen, damit wir deinen Zacken machen können.“ Aylin lief nach drinnen und holte einen großen Eimer mit Knete. Allerdings war diese weiß, sie musste aber gelb sein. „Mama, ich brauche gelbe Knete, meine ist weiß. Dem Stern fehlt ein Zacken und ich möchte ihm helfen, dass er wieder alle hat und leuchten kann.“
„Aber Kind, das geht doch gar nicht. Du kannst nicht einfach so auf den Stern“, sagte Mama.
„Doch, Mama, ich kann und ich habe auch mit dem Stern gesprochen. Er würde sich sehr freuen, wenn ich ihm helfe!“
„Du bist eine Träumerin, Aylin.“
„Aber, Mama, so glaube mir. Ich werde es beweisen!“
„Na gut, ich will dir mal glauben. Gib mir mal deinen Eimer und wir färben mit Lebensmittelfarbe die Knete so lange, bis sie gelb ist.“ Mama gab die ganze Farbe in die Masse und beide kneteten kräftig, bis sie überall gelb war.
Aylin schnappte sich den Eimer und lief mit Mama nach draußen. Mama hielt den Fotoapparat in der Hand und wollte alles aufnehmen.
„Hallo, Stern, holst du mich jetzt nach oben?“, fragte Aylin.
„Oh, hast du was gefunden?“, fragte der Stern.
„Ja, jetzt kann ich dir helfen!“
Der Stern streckte seine langen Arme aus und Aylin setzte sich auf seine Hände. Sie waren groß genug, denn der Stern konnte seine Arme und Hände so groß machen, wie er es wollte.
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