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Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland
Erzählungen, Märchen und Gedichte
zur Advents- und Weihnachtszeit
Band 3
Martina Meier (Hrsg.)
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Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2020 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR
Mühlstr. 10, 88085 Langenargen
Alle Rechte vorbehalten - Taschenbuchausgabe erschienen 2020
Titelbild: Heike Georgi
Herstellung: Redaktions- und Literaturbüro MTM
ISBN: 978-3-86196-025-6 - Taschenbuch
ISBN: 978-3-96074-321-7 - E-Book
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Inhalt
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Der Weihnachtsmann aus dem Stadtpark
Es war kurz vor Weihnachten und ich nutzte einen der seltenen freien Vormittage, an denen ich nicht als Anwalt am Gericht meine Mandanten vertreten musste, um meinen Sprössling zur Schule zu bringen. Mein Sohn heißt Maximilian, ist acht Jahre alt, doch alle sagen nur Max zu ihm.
In der Nacht hatte es geschneit. Wir gingen durch den Stadtpark und bewarfen uns unterwegs mit Schneebällen. Es machte riesigen Spaß, so ausgelassen zu sein. Ich ahnte nicht, welch denkwürdiges Weihnachtsfest uns die Ereignisse dieses Morgens bescheren sollten ...
Als wir um eine Ecke des Weges bogen, sahen wir auf einer Bank einen Obdachlosen liegen – mit Zeitungen zugedeckt und laut schnarchend. Er hatte einen dichten, weißen Bart, war wohlbeleibt und steckte in abgetragener, geflickter Kleidung.
Max blieb neugierig stehen, dabei fest meine Hand haltend. Es war mir etwas unangenehm und so zog ich ihn sanft aber bestimmt weiter.
„Wer war denn das?“, fragte er mich, als wir uns einige Meter von der Parkbank entfernt hatten.
Ich weiß, eigentlich hätte ich meinem Sohn die Wahrheit sagen sollen, ihm erklären, dass es ein Obdachloser war, doch irgendwie brachte ich das nicht fertig. Also belog ich ihn und setzte damit eine Kette von Ereignissen in Gang, die ich mir nie hätte vorstellen können.
„Das war der Weihnachtsmann. Er ist bestimmt die ganze Nacht herumgelaufen und hat die Wunschzettel der Kinder eingesammelt. Jetzt ist er müde und ruht sich dort aus“, sagte ich, bemüht, überzeugend zu klingen.
Offensichtlich hatte ich Erfolg damit, denn Max nickte nur und bald darauf erreichten wir seine Schule. Auf dem Rückweg bemerkte ich, dass der alte Mann verschwunden war.
Es war am Tag vor dem Weihnachtsfest und ich hatte die Sache im Stadtpark längst vergessen. Meine Frau und ich tanzten gerade herrlich albern zu irgendeinem Lied im Radio, während die letzten Plätzchen buken, als es an der Haustür klingelte.
„Machst du bitte auf, Schatz? Das ist bestimmt Max. Diesmal sogar pünktlich vom Spielplatz zurück. Man merkt, morgen ist Weihnachten, da will er bestimmt auf Nummer sicher gehen, was die Geschenke anbelangt“, meinte meine Frau lachend, während sie den Backofen öffnete, um ein Blech mit wunderbar duftendem Gebäck herauszunehmen.
Nichts ahnend öffnete ich die Tür und sah zu meinem Erstaunen nicht nur Max davor stehen, sondern auch den alten obdachlosen Mann aus dem Stadtpark. Da stand ich, in Hausschuhen, überall mit Mehl bestäubt und heruntergeklappter Kinnlade.
„Papa, stell dir vor, ich habe den Weihnachtsmann getroffen!“, erzählte mir mein kleiner Sohn mit sich vor Begeisterung überschlagender Stimme.
„Den Weihnachtsmann?“, sagte ich, noch immer ein Bild absoluter Verblüffung abgebend.
„Ja. Er kam am Spielplatz vorbei und da habe ich ihn einfach gefragt, ob er nicht bei uns zu Abend essen will. Das geht doch in Ordnung, oder Papa?“
Wenn Sie sich schon immer gefragt haben, wie die perfekte Zwickmühle aussieht, ich hatte gerade das Gefühl, in einer solchen zu stecken. Mir standen genau zwei Möglichkeiten zur Auswahl. Entweder erklärte ich meinem vor Freude strahlenden Sohn, dass es nicht der Weihnachtsmann war, der da vor der Tür stand, sondern ein übel riechender Obdachloser, mit dem wir nichts zu schaffen haben wollten, was natürlich pädagogisch und politisch absolut inkorrekt wäre, oder aber ich machte gute Miene zum bösen Spiel und tat so, als wäre es wirklich der Weihnachtsmann und bat ihn in unser Haus.
Was macht man in so einer Situation? Ich musste mich schnell entscheiden und natürlich kam es nicht infrage, Max so zu enttäuschen. Ich hoffte nur, dass der alte Mann mitspielen würde, doch irgendwie war ich mir ziemlich sicher, dass er für ein Gratisessen auch eines der Rentiere gespielt hätte, warum nicht also den Weihnachtsmann?
„Tja, dann nur immer herein“, sagte ich mit vorgespielter Fröhlichkeit. „Max, bring doch den Weihnachtsmann bitte ins Esszimmer. Ich werde Mama Bescheid sagen, wen wir zu Besuch haben.“ Dabei blickte ich den Obdachlosen bedeutsam an und hoffte, die Botschaft wäre angekommen.
Der nickte mir grinsend zu und schien einen Heidenspaß an der Sache zu haben. Hätte ich sicher auch, wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre. In meiner Lage allerdings sahen die Dinge weniger lustig aus. Schließlich musste ich gleich meiner Frau erklären, wer da mit an unserem Tisch sitzen würde.
Sie nahm es überraschend gelassen auf, wenn man mal davon absah, dass sie die Keksdose fallen ließ.
Das Abendessen war dann verblüffenderweise wirklich schön. Der alte Mann erzählte lustige Weihnachtsgeschichten und Max musste ständig laut lachen. Auch ich stimmte gelegentlich mit ein und selbst meine Frau konnte sich ein Lächeln ab und an nicht verkneifen. Unser Gast hatte hervorragende Tischmanieren und verblüffte mich ein ums andere Mal, als er seine wirklich fundierte Meinung zu aktuellen Tagesereignissen zum Besten gab. Vermutlich las er vorher die Zeitungen, mit denen er sich zudeckte.
Gerade als wir schon dachten, dass mit dem Essen alles erledigt wäre, brachte Max uns in die nächste missliche Lage.
„Darf der Weihnachtsmann heute Nacht auf dem Sofa schlafen? Vor dem Kamin, da hat er es schön warm, und wenn seine Rentiere ihn abholen kommen, dann kann er gleich durch den Schornstein raus“, sagte Max treuherzig.
Meine Frau und ich, wir verstehen uns auch ohne viele Worte und so reichte ein Blickkontakt, um das Für und Wider abzuwägen. Sie nickte mir zu und ich erwiderte die Kopfbewegung.
„Also gut, dann lass dir noch ein wenig von den Rentieren erzählen, während Mama und ich schnell das Bettzeug für den Weihnachtsmann holen, das heißt, falls er denn bei uns schlafen möchte?“
Ich schaute unseren Gast an, doch der lächelte nur und verkündete, wie sehr es ihn freuen würde, bei einer so netten und gastfreundlichen Familie übernachten zu dürfen.
Das glaubte ich ihm aufs Wort.
Im Nebenzimmer, während wir die Bettwäsche heraussuchten, kamen wir zu dem Schluss, dass wir keine andere Wahl hatten, wollten wir unserem Sohn nicht das Weihnachtsfest kaputtmachen.
„Hoffentlich ist das Silberbesteck morgen früh noch da“, sagte meine Frau sorgenvoll.
„Du glaubst doch nicht etwa, dass der Weihnachtsmann uns bestehlen würde?“
Wir kehrten ins Wohnzimmer zurück und bereiteten unserem Gast sein Nachtlager. Dann verabschiedete sich Max ins Bett und auch wir gingen nach oben, denn es war schon spät und unser Gast hatte verkündet, dass er sehr müde wäre und nachher ja noch die Geschenke mit dem großen Schlitten ausfahren müsse.
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