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Dagegen muss bei einem subjektiv fremdenGeschäft der Fremdgeschäftsführungswille hinreichend nach außen in Erscheinung treten[14]. Denn erst durch den Willen des Geschäftsführers wird das Geschäft zu einem fremden Geschäft.
Klausurtipp:
Wird in der Klausur das Vorliegen eines subjektiv fremden Geschäfts festgestellt, hat schon mit der Untersuchung dieses Punkts auch die Prüfung des Fremdgeschäftsführungswillens zu erfolgen, denn ein Geschäft wird allein durch den Fremdgeschäftsführungswillen von einem neutralen zu einem subjektiv fremden Geschäft.
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Der Geschäftsführer muss ohne Auftragoder ohne sonstige Berechtigung gegenüber dem Geschäftsherrn gehandelt haben. Ohne Auftrag handelt, wer dem Geschäftsherrn gegenüber weder aus Vertrag noch kraft Gesetzes verpflichtet ist. Nach Ansicht der Rechtsprechung handelt auch „ohne Auftrag“, wer aufgrund eines nichtigenAuftragsverhältnisses tätig wird[15]. Die auch im Gesetz verwendete Bezeichnung „ohne Auftrag“ ist insofern zu eng, als die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht nur bei fehlendem Auftrag, sondern auch immer dann Anwendung finden, wenn im Zeitpunkt der Wahrnehmung der Aufgaben, die zum Geschäftsbereich eines anderen gehören, keinrechtsgeschäftliches oder gesetzliches Rechtsverhältnisbesteht.
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Eine „sonstige Berechtigung“kann z.B. aus einer familienrechtlichen Beziehung (z.B. Eltern), aus einer Amtsstellung (z.B. Insolvenzverwalter) oder aus einer Organstellung (z.B. Vereinsorgan, Organ einer juristischen Person) folgen. Dagegen folgt aus öffentlich-rechtlichen Pflichten, die nur gegenüber der Allgemeinheit und nicht gegenüber dem Geschäftsherrn bestehen (z.B. allgemeine Hilfeleistungspflicht nach § 323c StGB), keine „sonstige Berechtigung“[16].
4. Interesse und Wille des Geschäftsherrn
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Die Übernahme des Geschäfts muss dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprechen (§ 683). Dem Interessedes Geschäftsherrn entspricht die Geschäftsführung, wenn sie für den Geschäftsherrn objektiv nützlichist, d.h. sich vorteilhaft auswirkt[17]. Bei der Beurteilung ist auf den Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung abzustellen. Auch z.B. ein letztlich erfolgloser Versuch der Lebensrettung ist interessen- und willensgemäß, wenn nicht von vornherein feststand, dass keinerlei Rettungsmöglichkeit mehr bestand[18].
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Willensgemäß ist die Übernahme des Geschäfts, wenn der Geschäftsherr sich mit dieser ausdrücklich oder konkludent einverstanden erklärt hat. Dabei ist primär auf den tatsächlich geäußerten Willendes Geschäftsherrn abzustellen, auch wenn dieser noch so unvernünftig ist[19]. Niemandem soll etwas gegen seinen Willen aufgezwungen werden. Unerheblich ist, ob der wirkliche Wille dem Geschäftsführer bekannt ist.
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Bleibt dem Geschäftsführer der wirkliche Wille des Geschäftsherrn verborgen, trägt er die mit der Geschäftsführung verbundenen Risiken. Sein Einwand, er habe sich an den von ihm angenommenen mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn gehalten, ist unerheblich, solange ein wirklicher Wille ausdrücklich oder konkludent geäußert wurde, ihm aber (wenn auch schuldlos) nicht bekannt war. Der Wille des Geschäftsherrn muss sich auch auf die konkrete Person des Geschäftsführers beziehen, sodass die Besorgung durch den einen Geschäftsführer willensgemäß, durch einen anderen willenswidrig sein kann.
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Kann der wirkliche Wille nicht festgestellt werden, so ist die Übernahme des Geschäfts dann willensgemäß, wenn sie dem mutmaßlichen Willendes Geschäftsherrn entspricht. Zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens ist darauf abzustellen, welchen Willen der Geschäftsherr bei objektiver Beurteilung aller Umstände geäußert hätte, wäre er bei Übernahme des Geschäfts gefragt worden. Regelmäßig ist hierbei davon auszugehen, dass ein objektiv nützliches Geschäft auch dem (mutmaßlichen) Willen des Geschäftsherrn entspricht[20].
c) Differenz zwischen Interesse und Wille
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Im Einzelfall können das Interesse und der wirkliche Wille differieren. Die h.M.lässt zur Bejahung einer berechtigten GoA ausreichen, dass das Geschäft dem wirklichen Willenentspricht, auch wenn das objektive Interesse zu verneinen ist, weil die Geschäftsführung nicht objektiv nützlich ist[21]. Dies folge aus dem Gedanken der Privatautonomie. Der Geschäftsherr hätte dem Geschäftsführer auch einen Auftrag über ein objektiv interessenwidriges Geschäft erteilen können und wäre diesem dann zum Ersatz seiner Aufwendungen verpflichtet.
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Differieren also das Interesse und der verlautbarte wirkliche Wille, ist allein der wirkliche Wille und nicht das objektive Interesse maßgebend. Unerheblich ist, ob dem Geschäftsführer der Wille des Geschäftsherrn bekannt ist[22]. Äußert ein Geschäftsherr einen bestimmten Willen nur zum Scherz, gilt nach dem Grundgedanken des § 116 S. 1das Erklärte und nicht das vom Erklärten abweichend Gewollte.
d) Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Willens
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Ausnahmsweise kann der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn auch unbeachtlichsein. Das ist nach § 679dann der Fall, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt[23], oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Erbrechts (vgl. § 1969) oder Familienrechts (vgl. §§ 1360 f., 1601 ff.) nicht erfüllt werden würde. Allein auf Vertrag beruhende Unterhaltspflichten sind hiervon nicht erfasst. Ist der Geschäftsherr geschäftsunfähig (§ 104) oder beschränkt geschäftsfähig (§§ 106, 107), wird hierbei auf den Willen des gesetzlichen Vertreters abgestellt[24].
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Im öffentlichen Interesse liegen nicht nur öffentlich-rechtliche Pflichten (z.B. Pflichten des Störers nach Polizei- und Ordnungsrecht), sondern auch privatrechtliche Pflichten, die der Allgemeinheit dienen (z.B. Verkehrs(sicherungs)pflichten). Es muss eine spezielle, gesteigerte Pflicht vorliegen, sodass allgemeine Pflichten wie etwa die Hilfspflicht nach § 323c StGB zur Außerachtlassung des entgegenstehenden Willens nicht ausreichen[25].
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Umstrittenist, welche Bedeutung der entgegenstehende Wille eines Suizidentenhat. Dieser Wille ist nicht schon nach § 679 unbeachtlich, denn es gibt keine Rechtspflicht des Einzelnen, am Leben zu bleiben. Eine bloße sittliche Pflicht ist nicht ausreichend[26]. Die h.M.sieht den entgegenstehenden Willen des Suizidenten als unbeachtlich an. Allerdings ist die Begründung uneinheitlich. Teilweise wird die Unbeachtlichkeit mit der entsprechenden Anwendung der §§ 104 Nr. 2, 105 begründet[27]. Andere halten den Willen für unbeachtlich, da der Geschäftsführer als Retter eine „Menschenpflicht“ erfülle[28].
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Nur wenige gehen davon aus, dass der entgegenstehende Wille beachtlich ist, da sich der Suizident in einer extremen Notlage befinde, die frei von rechtlichen Sanktionen sein müsse und keinem sittlichen Unwerturteil zugänglich sein dürfe. Überzeugender erscheint jedoch die h.M., denn mit der Heranziehung der Vorschriften der GoA soll kein Werturteil verbunden sein, vielmehr geht es lediglich um eine Risikoabwägung hinsichtlich der Verteilung von Aufwendungen und Schäden.
e) Berechtigtheit der GoA
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