Gerhard Friedl
Was bringt mir das?
Sinnvoll lehren, motiviert lernen.
ISBN Print: 978-3-0355-0421-7
ISBN E-Book: 978-3-0355-0422-4
1. Auflage 2016
Alle Rechte vorbehalten
© 2016 hep verlag ag, Bern
www.hep-verlag.com
INHALT
Einleitung
Existenzanalyse
Ursprünge der Existenzanalyse und Logotherapie
Sinn – existenziell und ontologisch
Definition und Ziele der Existenzanalyse
Existenz
Existieren versus vegetieren
Existenzielle Situation und Dialog
Lebenshaltung: Wunsch oder Antwort?
Zustimmung
Zustimmung als Basis für die Hingabe
Person
Motivationstheorie
Charakteristiken für motiviertes Handeln
Gemeinsamkeiten von Motivationstheorien
Demotivation
Motive
Zuständigkeit für die Motivation
Die vier Grundmotivationen der Existenzanalyse
Die erste Grundmotivation – Sein können
Die zweite Grundmotivation – Leben mögen
Die dritte Grundmotivation – Sich selbst sein dürfen
Die vierte Grundmotivation – Handeln sollen
Die vier Grundmotivationen in der Übersicht
Fallbeispiele zur Verdeutlichung der Funktionen der Grundmotivationen
Existenzanalyse und Gruppendynamik
Definition der »Gruppe«
Beschreibung der Gruppendynamik
Der gruppendynamische Raum
Handlungsmöglichkeiten für Ausbildende für die Integration der Grundmotivationen
Phänomenologie als Grundlage für die Begegnung mit Lernenden
Wahrnehmung
Zu Begriff und Wesen der Phänomenologie
Phänomenologie in der Begegnung mit Lernenden
Aufbau der Methode
Hindernisse
Wirkung der Methode
Didaktik und Existenzanalyse
Eckpunkte für eine existenzielle Didaktik
Blick auf das Zielpublikum
Der Mensch rückt ins Zentrum
Handlungsorientierung
Offenheit
Prinzip der Teilnehmendenorientierung
Aus Erfahrungen Erlebnisse machen
Lernziele und Kompetenzorientierung
Vielseitigkeit bei Sozialformen, Methoden und Hilfsmitteln
Durchführung von offenen und Selbstständigkeit fördernden Lernformen
Eine mögliche Verlaufsform
Methoden und Instrumente
Personale Existenzanalyse (PEA)
Die Sinnerfassungsmethode (SEM)
Die Willensstärkungsmethode (WSM)
Kompetenzen-Ressourcen-Modell (Ko-Re)
Portfolio
Resonanzgruppen
Transfergruppen
Die Grundmotivationen zur Sprache bringen
Fragetechnik
Wertematrix
Das Contracting/der Gruppenvertrag
Über Viktor Frankl und Alfried Längle
Viktor Frankl
Alfried Längle
Adressen
Begriffe
Verwendete Literatur
Wie kommt der Mensch zum Wollen? Was braucht es, dass jemand in einem Lernprozess »Ich will« ausruft? Das sind die Fragen, denen diese Schrift gewidmet ist. Thema ist die Motivation, die zu den wichtigsten Voraussetzungen für einen gelingenden Lernprozess gehört. Und die zentrale These dazu lautet: Wenn die Lernenden in einem Lernprozess einen ganz persönlichen Sinn erfahren, dann ist eine kraftvolle intrinsische Motivation vorhanden.
Damit das aber möglich wird, muss der Unterricht von den Menschen her gedacht werden – und nicht vom Inhalt her. Im Zentrum der didaktischen Planung steht der Mensch.
Zuvor aber braucht es eine Vorstellung davon, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit sich intrinsische Motivation und Sinnerleben entwickeln können.
Meinen Ausführungen liegt das Sinnkonzept der Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor Frankl zugrunde, erweitert um die existenzielle Motivationstheorie von Alfried Längle. Die Existenzanalyse ist heute in Therapie, Beratung und Pädagogik weit verbreitet. Dieses Buch adaptiert sie auf die Erwachsenenbildung, die hier sehr weit gefasst wird und berufliche Grundbildung, alle Arten der beruflichen Weiter- und Fortbildung, ein Studium an einer Fachhochschule oder Universität ebenso umfasst wie sämtliche Typen von Weiterbildungen im Sport- und Freizeitbereich. Zielpublikum sind alle, die in den genannten Bereichen eine Lehr- und Betreuungsfunktion ausüben.
Eine existenzanalytisch geprägte Erwachsenenbildung leistet einen Beitrag zu einem eigenständigen, in bewusster Verantwortung geführten Leben, in dem sich der Mensch als Mitgestaltender erlebt. Es geht um die Realisierung einer sinnvollen Existenz. Eine Weiterbildung betrifft immer nur einen kleinen Lebensausschnitt, aber was in ihr getan wird, hat immer auch symbolischen und modellhaften Charakter, der auch in alle anderen Lebensbereiche hineinwirken kann.
Wesentlich dabei ist, die Unterrichtsthemen mit dem Leben der Lernenden zu verbinden. Denn dies weckt positive Emotionen und führt zu einem motivierteren und manchmal lustvolleren Lernen. Das Lernen in einer Weiterbildung ist immer auch eine Chance, die eigene Existenz zu leben. Die Existenzanalyse zeigt einen Weg auf, wie Lernende zu dem in sich drin vorstoßen können, was sie als Person einmalig macht. Damit ist es möglich, einen Rahmen zu setzen, in dem die Lernenden ihre individuellen Lern- und Entwicklungsschwerpunkte setzen können, mit denen sie ihren existenziellen Sinn zu finden in der Lage sind. Immer wieder geht es beim Lernen darum, dass die Lernenden »Ich will« sagen können. Also nicht »Ich muss« oder »Ich sollte« – beides steht für eine nicht freie Entscheidung. Mithilfe der Existenzanalyse kann das Freie, das hinter dem »Ich will« steht, entwickelt oder weiter gefördert werden.
Werfen wir noch einen Blick auf den Aufbau des Buches: Nach einer Einführung in die Ziele und zentralen Elemente der Existenzanalyse folgt zunächst ein allgemeines Kapitel zum Thema »Motivation«. Daran schließt das Kernstück dieser Schrift an, das den vier Grundmotivationen gewidmet ist. Da habe ich mich eng an die Texte aus den Lehrbüchern und Fachartikeln von Alfried Längle gehalten. Nebst der Adaption in die Erwachsenenbildung geht es mir auch um ein möglichst originäres Bekanntmachen dieser Theorie. Im letzten Teil geht es um die praktische Umsetzung – erst um das Leiten von Lerngruppen anhand der Gruppendynamik, dann um die Phänomenologie als Methode zur Begegnung mit Lernenden. Schließlich werden didaktische Grundelemente zur Gestaltung von Unterricht vorgestellt. Abgerundet wird das Ganze mit Methoden und Instrumenten. Zur Veranschaulichung der Theorie habe ich immer wieder Beispiele aus meiner Praxis einfließen lassen. Im praktischen Teil werden die Instrumente teilweise in den Grundmotivationen verankert, um diese noch einmal anschaulich zu machen.
► Wer ein Wozu zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.◄ Friedrich Nietzsche
Ursprünge der Existenzanalyse und Logotherapie
Der Wiener Psychiater und Neurologe Viktor E. Frankl (1905–1997) ist der Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse. Sie gilt als die dritte Wiener Schule der Psychotherapie.
Frankl hat die Logotherapie ursprünglich als Ergänzung zu gängigen Theorien wie der Psychoanalyse nach Freud (erste Wiener Schule) oder der Individualpsychologie nach Adler (zweite Wiener Schule) gesehen. Den Begriff »Logotherapie« erwähnte er erstmals 1926, den der Existenzanalyse 1933, beide wurden 1938 zum ersten Mal publiziert. »Logo-« bezieht sich auf das griechische logos, was »Sinn« bedeutet. Bei der Logotherapie geht es um eine Sinnberatung.
Frankl hat seine Theorie aus der Philosophie abgeleitet; die Wurzeln der Existenzanalyse liegen in der Existenzphilosophie und der Phänomenologie. Dabei stützte er sich unter anderem auf Martin Heidegger und Edmund Husserl.
Читать дальше