Thomas Niggenaber - Gungo Large - Spiel mir das Lied vom Troll

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Tolkien meets Leone, High-Fantasy im Wilden Westen. Ein abgedrehter, ungewöhnlicher und actionreicher Genre-Mix. Kiffende Elfen, Sombrero tragende Orks und arrogante Yankee-Magier das ist die Welt von Gungo Large, dem versoffenen, zu groß geratenen Zwerg, der für eine handvoll Mithril-Dollar jeden noch so dreckigen Job übernimmt. In dieser aberwitzigen Symbiose aus Fantasy und Western, in der blaue Bohnen ebenso aus der Hüfte abgefeuert werden wie unzählige Referenzen und Seitenhiebe auf alle Bereiche der Popkultur, muss sich der eigensinnige Revolverheld durch unzählige Abenteuer und Gefahren schießen, prügeln und lamentieren.

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Thomas Niggenaber

Gungo Large Spiel mir das Lied vom Troll

Impressum

Texte: © Thomas Niggenaber

Cover: © breakermaximus / Adobe Stock

Verantwortlich für den Inhalt:

Thomas Niggenaber

Stockumer Str.12

44225 Dortmund

Vertrieb: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

1

»Blöde Prärie!«, knurrte der Ork. »Öde, blöde Prärie!«

Merluzo Fuerte de la Raqueta – so der Name des grobschlächtigen, grünhäutigen Burschen – saß auf dem Gatter, welches die südlichen Weideflächen der Tolemak-Ranch begrenzte. Übellaunig und gelangweilt beobachtete er, wie langsam die Sonne hinter den Bergen weit im Westen unterging.

Die Schönheit dieses Naturschauspiels – die wundervollen Farben, die das Abendrot in den Himmel malte und die glutrot leuchtenden Berggipfel – beeindruckte den Ork allerdings herzlich wenig. Auch die faszinierenden, vielförmigen Schatten, welche sich ganz gemächlich über die endlos weiten Grasflächen ausbreiteten, waren ihm völlig schnuppe.

Er war halt, so wie die meisten Angehörigen seiner Rasse, weit davon entfernt, ein Schöngeist zu sein. Sein Interesse galt eher den einfachen Dingen des Lebens: Essen, Trinken, Schlafen und in besonderem Maße der exzessive Konsum von Kautabak. Nahezu ständig kaute er mit leidenschaftlichem Eifer auf dem schwarzen, in harte Riegel gepressten Kraut herum. Wenn er sich im Freien befand, war er meist schon nach wenigen Minuten von schwarzen, klebrigen Speichelflecken umgeben, die er achtlos in die Gegend gespuckt hatte. Meistens blieb dabei ein Großteil der nikotinhaltigen Masse an einem seiner beiden Hauer hängen. Wie bei all seinen männlichen Artgenossen ragten diese aus seinem weit vorgeschobenen Unterkiefer über seine Oberlippe hinaus und waren daher beim Spucken oftmals im Weg. Üblicherweise Stolz und Zierde eines jeden männlichen Orks waren seine Hauer deshalb auch eher unansehnliche, fleckige und kariöse Zahnruinen.

Doch das störte Merluzo Fuerte nicht. Er war ohnehin nicht das attraktivste Mitglied seiner Gattung. Obendrein gehörte Zahnpflege zu den unendlich vielen Dingen, an die er in seinem Leben noch nie einen Gedanken verschwendet hatte. Nachdenken gehörte generell nicht zu seinen bevorzugten Tätigkeiten. Es strengte ihn viel zu sehr an und nach einer Weile bereitete es ihm meist üble Kopfschmerzen.

An diesem Abend jedoch, welcher sich nun schwül-warm über das Land legte und bald schon von einem vollen, tief stehenden Mond erhellt wurde, verlangte Merluzo sich diese große Mühsal ab.

Warum er hier Wache schieben musste, das begriff er nämlich ganz und gar nicht. Wieso durfte er nicht wie die anderen Cowboys in den Unterkünften um seinen spärlichen Lohn pokern oder sich mit billigem Whisky betrinken? Noch nie hatte es eine Nachtwache auf der Tolemak-Ranch gegeben, weshalb war sie jetzt vonnöten? Wilde Tiere, die den Rindern hätten gefährlich werden können, gab es in diesem Teil des Landes kaum und wer sonst hätte es wagen sollen, sich am Eigentum von Colonel Don Athuro zu vergreifen? Einen der vermögendsten, einflussreichsten und mächtigsten Zwerge der verbündeten Reiche zu bestehlen, auf die Idee wäre wohl kein Viehdieb gekommen, der auch nur das geringste Interesse an seinem Weiterleben hegte.

Es gab also keinerlei Veranlassung für diese Vorsichtsmaßnahme – zumindest keine, die Merluzo mit seinen bescheidenen geistigen Fähigkeiten hätte erkennen können. Auch sein Vorarbeiter hatte ihm keine triftigen Gründe genannt, als er ihm diesen Auftrag erteilt hatte.

»Dieser Job ist wie geschaffen für so eine hässliche Hohlbirne wie dich«, hatte er stattdessen in seiner gewohnt freundlichen Art erklärt. »Also schieb deinen grünen, runzligen Hintern hinaus und halt die Augen offen.«

Merluzo tat fast immer, was man ihm sagte – Befehle befolgen ersparte ihm die unnötig anstrengende Denkarbeit. Deshalb saß er nun hier, ohne zu wissen warum und in Gesellschaft unzähliger Longhorn-Rinder, die hinter ihm auf der Koppel friedlich grasten, schliefen und hin und wieder ein leises Muhen von sich gaben.

»Blöde Rinder«, knurrte der Ork. »Öde, blöde Rinder.« Beinahe schon liebevoll tätschelte er dabei seine doppelläufige Schrotflinte, die in seinem Schoß ruhte. Diese Waffe bedeutete dem Ork sehr viel, wesentlich mehr als eine Waffe seinem Besitzer normalerweise bedeutet. Schon seit Generationen befand sich diese Flinte im Besitz der de la Raquetas. Sein Urgroßvater – seinerzeit einer der besten Büchsenmacher Enchicos – hatte sie einst aus Zwergenstahl gefertigt. Er hatte sie mit einem Kolben aus weißem, echtem Drachenknochen versehen und mit zahlreichen Ornamenten verziert, die sich über die zwei Läufe bis hin zum Schaft erstreckten.

Ein ebenso durchschlagskräftiges wie schönes Meisterstück hatte er so erschaffen, das die meisten anderen Waffen vergleichbarer Art in allen Belangen übertraf. Nach seinem Ableben hatte sein Sohn, Merluzos Großvater, die Flinte geerbt. Dieser wiederum hatte sie dann kurz vor seinem Tod Merluzos Vater vermacht.

Merluzo letztendlich hatte sie seinem Vater schlichtweg gestohlen. Die Angst vor der Vergeltung seines Vaters hatte ihn im Anschluss an diese Tat dazu bewogen, sein Heimatland Enchico zu verlassen und ein neues Leben in den verbündeten Reichen von Avaritia zu beginnen. Dass er sich seitdem für einen kargen Lohn als Hilfsarbeiter auf einer Ranch verdingen musste, das schien ihm ein angemessener Preis für den Besitz dieser Waffe zu sein. Denn sie verlieh ihm jene Selbstsicherheit, an der es ihm aufgrund seines Aussehens und seines arg begrenzten Denkvermögens oftmals mangelte. Außerdem konnte man mit ihr so wunderbar Dinge wegballern.

Merluzo grinste. Wegballern – dieses Wort gefiel ihm außerordentlich gut und er benutzte es bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

Er spuckte einen weiteren Klumpen rabenschwarzen Speichels in das Präriegras. Dann erhob er seine Schrotflinte und tat so, als würde er irgendwelche Dinge wegballern. Die Schussgeräusche imitierte er dabei so voller Inbrunst, dass er das seltsame Geräusch glatt überhörte, welches sich wie das Rauschen des Windes in den Bäumen anhörte. Es gab hier im Umkreis von vielen Meilen jedoch keinen einzigen Baum. Den Schatten, der kurz darauf über ihn hinwegglitt, bemerkte er hingegen schon. Zu groß für einen Vogel und mit hoher Geschwindigkeit streifte dieser den Ork nur für den Bruchteil einer Sekunde. Das reichte jedoch schon aus, um dessen Argwohn zu erwecken.

Verwundert legte er seine wulstige Stirn in Falten und sah nach oben. Er stellte fest, dass der bunte Sombrero auf seinem Kopf seine Sicht in diese Richtung stark einschränkte, schob selbigen deshalb in den Nacken und blickte erneut in den Himmel. Natürlich gab es dort mittlerweile nur noch die unzähligen Sterne zu sehen, die friedlich auf ihn herabschienen. Der Schatten war schon längst nach Norden in Richtung Ranchgebäude entschwunden.

Merluzo stieg vom Zaun herab, wobei seine ledernen Chaps, die er über seiner alten, speckigen Jeans trug, ein lautes Knirschen und seine Sporen ein leises Klingeln verursachten. Ansonsten war es plötzlich völlig Still.

Selbst die Rinder gaben keinerlei Laute mehr von sich. Sie standen wie versteinert herum, zeigten keinerlei Regung mehr und glotzten allesamt mit starrem Blick in Richtung Ranch.

Solch ein Verhalten kannte der Ork von den Longhorns nicht. Sie schienen in eine Art Angststarre verfallen zu sein, so wie das Meerschweinchen, dem Merluzo als Kind eine Freude hatte machen wollen. Da sein kleiner, pelziger Freund einen etwas einsam Eindruck gemacht hatte, war er auf die Idee gekommen, ihm eine Schlange als Spielgefährten in den Käfig zu legen. Anstatt mit seinem neuen Freund zu spielen, hatte das undankbare Nagetier allerdings ein ähnlich merkwürdiges Gebaren gezeigt wie die Rinder. Das anschließende Verschwinden des Nagers – am nächsten Tag hatte nur noch eine träge und übersättigt wirkende Schlange im Käfig gelegen – war für Merluzo stets ein Rätsel geblieben.

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