Katie Volckx - Erkläre mir das Leben

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Erkläre mir das Leben: краткое содержание, описание и аннотация

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Nach dem Umzug in ein Kaff an der Nordsee ist der achtzehnjährige Cedric ganz und gar nicht davon überzeugt, dass er eines Tages Frieden mit seinem neuen Zuhause schließen wird. Bis er an seine neue Schule kommt und ihm ein Mädchen vor die Füße fällt. Es scheint sie ein Geheimnis zu umgeben – irgendwie sogar mehrere –, was sein Interesse an ihr weckt. Er möchte sie kennenlernen, aus ihr schlau werden und vergisst dann ziemlich schnell, dass er eigentlich gar nicht hier in der niedersächsischen Kleinstadt sein möchte, sondern in Hamburg bei seiner gewohnten Clique. Auch wenn sie ihm hin und wieder zu viel wird, dazu ein Desaster dem anderen folgt, verliert er nicht den Mut und versucht, bei Kräften zu bleiben, für diejenigen, die ihn am meisten brauchen.

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Sigmund Freud

In dem Augenblick,

in dem ein Mensch den Sinn

und den Wert des Lebens bezweifelt,

ist er krank.

1

Meine Eltern und ich waren gerade erst hierhergezogen.

Wo Hierher war? Eine kleine Ortschaft, dessen Name auf keiner Landkarte verzeichnet war, befürchtete ich, aber Gerüchten zufolge irgendwo im tiefsten Norden Deutschlands lag. Bis zur Nordsee war es nur ein Katzensprung. Das war auch schon alles, was die Gegend für mich attraktiv machte. Ich mochte das Wasser. Aber ein Leben hier war für mich unvorstellbar. Ich war ein Stadtmensch.

Dafür war das Haus, das meine Eltern sich vor einigen Wochen angeeignet hatten, eine richtige Perle. Es war ein altes Bauernhaus. Aber es war nicht so alt, dass es aufwendig saniert werden musste. Es waren nur einige Handgriffe erforderlich gewesen, um es bezugsfertig zu machen. Und natürlich war ich rundherum eingespannt worden. Zuerst war ich in den Ausstand getreten, schließlich war ich gegen den Kauf des Hauses gewesen, da das bedeutete, Hamburg hinter mir lassen zu müssen. Aber irgendwann musste ich ja nachgeben. Was hatte ich denn schon für eine Wahl?

Letzten Endes kam mir der Einzug in das Haus ja auch zugute, denn es war gigantisch. Es hatte eine Wohnfläche von zweihundertzehn Quadratmetern und stand auf etwa zweitausend Quadratmetern Land. Allein mein Zimmer maß knapp vierzig Quadratmeter. Es lag im Obergeschoss und war verbunden mit einer Dachterrasse, die man durch ein Panoramafenster erreichte. Sogar ein eigenes Badezimmer besaß ich. Einziges Manko: ich musste alles eigenhändig sauber halten. Da ich jeden Tag einen Handschlag tat, artete es jedoch gar nicht so sehr in Arbeit aus.

Anfänglich hatte mir die Größe des Anwesens ein echtes Rätsel aufgegeben, denn mir wollte nicht in den Kopf, was meine Eltern mit so viel Platz anfangen wollten. Später erklärten sie, es hätte sich angeboten und wäre gar nicht so viel teurer als andere, wesentlich kleinere Häuser gewesen. Außerdem hätten sie in weiser Voraussicht gehandelt und sich vorgenommen, das Obergeschoss nach meinem Auszug zu einer Ferienwohnung umzufunktionieren. Es wäre rentabel, hätte der Immobilienmakler bei der ersten Besichtigung beteuert. Na ja, das Haus lag in einem Feriengebiet, da könnte er recht haben.

Am Ende zählte jedoch, dass meine Eltern glücklich waren. Und das waren sie. Vor allem Mama. Sie war stolz wie Oskar, insbesondere auf die große, chic eingerichtete Küche. Hier konnte sie wild und munter wüten und ihrer größten Leidenschaft – das Kochen und Backen – frönen. Endlich hatte sie auch genug Stauraum für ihr ganzes Küchenequipment, das sie über Jahrzehnte angehäuft hatte. Ihr größter Tick waren Tassen. Und besonders stolz war sie auf jene, die sie von unseren Auslandsreisen mitgebracht hatte. Früher einmal, da hatte ich versehentlich eine Tasse aus Schottland kaputt geschmissen. Doch statt mich anzuschreien und dramatisch nach Luft zu ringen, hatte sie sich an die Planung unserer nächsten Schottlandreise gemacht, um sich exakt dieselbe Tasse noch einmal besorgen zu können. Mama war eine verrückte, aber großartige Frau – ein großartiger Mensch. Papa biss sich nur an verrückt fest. Der hatte mir geraten, künftig die Finger ganz von den ihr so heiligen Tassen zu lassen, denn Schottland gehörte nicht gerade zu seinen bevorzugten Reisezielen. Er war mehr der Karibiktyp. Ein drittes Mal überlebe ich das nicht, Junge. Der klägliche Tonfall hing mir noch heute in den Ohren. Darum war ich seinem Rat gefolgt und sehr gut damit gefahren.

Bei dieser Gelegenheit fiel mir gerade, als ich den letzten Rest des hausgemachten Schokoladenpuddings aus meinem Keramikschälchen kratzte, wieder ein, dass auch Schalen jeder Art zu ihrem Steckenpferd gehörten und jenes in meiner Hand aus Tschechien stammte. Und auch Tschechien war Papa ein Graus. Aber ich wollte mich nicht beirren lassen und legte meine Konzentration noch ein letztes Mal auf den Pudding. Der war immer wieder ein besonderer Genuss und linderte meinen seelischen Schmerz wenigstens für einen kurzen Augenblick.

Dennoch lag in dem Scharren mit dem Löffel jede Menge Frust, den Mama vernahm und für extrem nervtötend hielt, wie sie mit einem ausgedehnten Stöhnen kundgab.

»Ich bin ja schon fertig, Mama.« Ich stellte das Schälchen auf dem von Holzwürmern modisch zerfressenen, pinienfarbenen Buffetschrank, an dem ich lehnte, ab und ließ den Löffel geräuschvoll reinfallen.

»Ich auch gleich, und zwar mit den Nerven.« Sie sah nicht von den Möhren auf, die sie gerade für den Eintopf zum Abendbrot auf einem dicken Holzbrett in Würfel schnitt.

»Ich bin eben deprimiert.«

»Dieses eine Jahr noch, Schatz. Dann hast du dein Abi in der Tasche und das gröbste Elend hinter dir. Ich meine, dir stehen danach alle Türen offen. Wirklich alle! Sei dir dessen bewusst.«

»Bin ich, aber mir fehlt Hamburg und seine Lebendigkeit jetzt

»Mit dem Zug sind es gerade einmal anderthalb Stunden bis dorthin. Was spricht dagegen, dein Bedarf nach Leben einmal die Woche zu decken?« Sie grübelte allem Anschein nach. »Tante Effi hat sicher keine Einwände, wenn du dich die ein oder andere Nacht bei ihr einquartierst. Und in den Ferien bleibst du einfach länger.«

»Ja, schon ...«

Sie unterbrach mich schroff: »Dein Kumpel Niko bringt das ja auch fertig.«

War ja klar, dass sie mir wieder damit kommen würde. Aber nicht mit mir! »Niko ist Niko und ich bin ich.«

»Ja, schon gut, es ist nicht korrekt, Menschen aneinander zu messen, insbesondere dann nicht, wenn man Cedric Claußen heißt.«

Es war nicht ihre Absicht, mich zu beleidigen. Sie spielte lediglich auf meine Eigentümlichkeit an. Ich entsprach nicht dem herkömmlichen Rollenbild eines Jungen. Ich war eher ein Softie. Lächerlich romantisch und immer auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Doch entgegen aller Sensibilität war ich ziemlich straight und für mein Alter relativ selbstsicher. Zum Beispiel scheute ich mich nicht davor, die Dinge beim Namen zu nennen, auch wenn das bedeutete, dass ich gelegentlich aneckte oder es jemandem die Schamesröte ins Gesicht trieb. Auch mein trockener Humor wurde nicht immer positiv aufgenommen. Denn nicht jeder verstand sich darauf. Da wurde aus Spaß schon einmal Ernst.

»Es ist ja nur, dass alles hier so übersichtlich ist. Alles steht still und löst Langeweile in mir aus.«

»Morgen geht ja endlich wieder die Schule los.« Es freute vor allem sie, denn das bedeutete eine sturmfreie Bude für sie. Sie kostete die Zeit, die sie für sich allein hatte, in vollen Zügen aus. Weiß der Himmel, was sie trieb.

Ich verschränkte meine Arme vor der Brust. »Wow, klar, nur darauf und auf nichts anderes habe ich die gesamten Sommerferien gewartet!«

Sie schob sich ein Stück Möhre genüsslich in den Mund. Sie kaute, während sie sprach: »Sieh es doch einmal positiv: im Dorf nebendran ist noch weniger los.«

Jetzt warf ich meine Arme in die Luft. »Yeahiii, es zerfetzt mich vor Freude, Mama.«

»Deinen Sarkasmus kannst du dir in deinen Piep stecken, Freundchen.«

»Und du hol mal den Stock aus deinem Piep, Mama! Sag doch einfach Arsch. Jeder sagt heutzutage Arsch. Total legitim. Po? Sagt niemand mehr. So, wie niemand mehr Penis sagt, sondern Schwanz. Punkt!«

Mit schockierter Miene sah sie mich an. »Also bitte, Sohn! Wie redest du?« Es amüsierte mich, dass sie mit dem Schneiden der Möhren nicht aufgehört hatte, was mir wieder eindrucksvoll vor Augen führte, dass sie eine begnadete Köchin war und ihre Arbeit nach Jahrzehnten ihres Hausfrauendaseins blind beherrschte.

»Ich bin keine sechs mehr, Mama. Ich bin erwachsen.«

»Na ja ...«

»Mama! Unterlass das. Laut Gesetz bin ich das.«

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