Gerhard Gemke
Die hohle Schlange, das Labyrinth und die schrecklichen Mönche von Bresel
Bresel-Krimi 1
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Inhaltsverzeichnis
Titel Gerhard Gemke Die hohle Schlange, das Labyrinth und die schrecklichen Mönche von Bresel Bresel-Krimi 1 Dieses ebook wurde erstellt bei
Chronik Burg Knittelstein Chronik Burg Knittelstein Einst lebte ein armer Ritter im Namloser Tal unter der Knittelkarspitze. Das Einzige, was ihm vom Erbe seiner Väter blieb, war eine kleine Hütte, durch die der Wind pfiff. Und ein Ring: Eine goldene Schlange mit rubinroten Augen wand sich zweimal um den Finger und einmal um einen Lapislazuli. Ihr Kopf und die gespaltene Zunge ruhten auf dem tiefblauen Stein. Dieser Kopf aber war hohl bis in die Zungenspitzen, die steil aufragten, bereit jeden zu stechen, der ihnen zu nahe kam. Eines Tages streifte der Ritter die goldene Schlange über den Finger, nannte sich Kunibald von Knittel und wanderte den Fluss Lech hinab bis in die Gegend von Augsburg. Dort baute er Burg Knittelstein auf dem Breselberg. Jener Ring aber wurde seit der Zeit von einem Herrn auf Knittelstein zum nächsten weitergereicht. Bis auf den heutigen Tag. Chronik Burg Knittelstein
Roter Saft
Wassattassu
Jubiläum
Oskar
Burgfest
Im Verlies
Ein bunter Hund
Heiner
Carlo und Ede
Unbekannter Meister
Sternenkarte
Klumpp
Allfonz
Geh nicht hinein!
Der Ring
Überfall
Flucht
Ritter Ademar
Der O'Masie-Vers
Jo
Zwei Ballons
Himbeere, Erdbeere, Stachelbeere
Elfriede
Ampel rot
Ampel grün
Krötenmaulrötling
Fritz Morchel
Stiche
Himmelströpfchen
Bruder Girsch
Fass Nummer 17
Theophilus
Racletts Klaviermusikführer
Anhang
Impressum neobooks
Chronik Burg Knittelstein
Einst lebte ein armer Ritter im Namloser Tal unter der Knittelkarspitze. Das Einzige, was ihm vom Erbe seiner Väter blieb, war eine kleine Hütte, durch die der Wind pfiff. Und ein Ring: Eine goldene Schlange mit rubinroten Augen wand sich zweimal um den Finger und einmal um einen Lapislazuli. Ihr Kopf und die gespaltene Zunge ruhten auf dem tiefblauen Stein. Dieser Kopf aber war hohl bis in die Zungenspitzen, die steil aufragten, bereit jeden zu stechen, der ihnen zu nahe kam.
Eines Tages streifte der Ritter die goldene Schlange über den Finger, nannte sich Kunibald von Knittel und wanderte den Fluss Lech hinab bis in die Gegend von Augsburg. Dort baute er Burg Knittelstein auf dem Breselberg.
Jener Ring aber wurde seit der Zeit von einem Herrn auf Knittelstein zum nächsten weitergereicht. Bis auf den heutigen Tag.
Chronik Burg Knittelstein
Sie träumte schlecht. Sehr schlecht. Von einem Schachspiel. Von der schwarzen Dame, die eine riesige Spritze in Händen hielt, randvoll blutroter Flüssigkeit. Mit einer lanzenlangen stählernen Nadel. Als die schwarze Dame sie dem weißen König ins Herz bohrte, wachte sie auf.
Es war noch früh, lange vor sechs. Draußen färbte das Morgenrot die Gipfel von Großhorn und Rotspitz. Freitag, 11. April. Eine Elster schrie vor dem Fenster. Das Mädchen stieg aus dem Bett und legte eine Wolldecke über die Schultern. Nahm die trockene Scheibe Brot vom Tisch und öffnete die Tür. Mit bloßen Füßen stieg sie die kalten Steinstufen der Wendeltreppe hinauf. Das Zimmer, in dem sie geschlafen hatte, lag unter dem höchsten Rundgang des Knittelsteiner Burgturms. Darüber stach das spitze Dach in den wolkenlosen Himmel. Als sie hinaus trat, bließ ihr ein eisiger Wind ins Gesicht. Sie beachtete ihn kaum. Sie war elf Jahre alt, hieß Josephine von Knittelstein-Breselberg und nannte sich selbst, weil es sonst niemand tat, Jo.
Die Elster flatterte heran, und Jo bröselte das Brot auf den breiten Sims zwischen den Zinnen. Ihr Blick glitt über den dunklen Wald hinab ins Tal, wo sich die Mauern, Dachgiebel und Kirchtürme von Bresel aus dem Morgennebel reckten. Eine Böe wehte ihr die langen dunklen Haare wie einen Schleier vor die Augen und brachte die Traumbilder zurück. Und mit ihnen den gestrigen Tag.
Hier oben hatte sie gestanden, wie jeden Morgen. Nicht so früh, gegen halb zehn. Jo erinnerte sich an die beiden hohen Glockenschläge der Burgkapelle. Sie hatte wie üblich die Elster gefüttert. Dann war sie die Wendeltreppe hinuntergestiegen. Leise hatte sie ein Cembalo gehört.
Herr Bogdanov übte.
Sie stolperte in ihr Zimmer. Für's Aufräumen war sie selbst zuständig, dementsprechend sah es hier aus. Ihr Bett, der Wäscheschrank, das Bücherregal, von den Fußbodendielen ganz zu schweigen. Und auf dem Schreibtisch stritten sich Mathebücher, irgendeine Grammatik, eselsohrige Notenhefte und ein Atlas um den spärlichen Platz.
Gut, dass das Fräulein von Oelmütz vor lauter Höhenangst sich nicht hier rauf traute. Das war eine verarmte Großtante, deren Aufgabe in den letzten Jahren darin bestanden hatte, Jo den Stoff der ersten fünf Schuljahre einzutrichtern. Irgendeine Ausnahmeregelung der Schulbehörde hatte das ermöglicht. Jo sah das entsetzte Gesicht des spitznasigen Fräuleins noch vor sich, blass mit roten Flecken. „Auf den Turm? Niemals!“ Was hatte sie gelacht. Natürlich erst, als das Fräulein außer Hörweite war.
Jo sah sich im Zimmer um. Ihre Geige hing an der Wäscheleine, die quer durch den Raum gespannt war. Der Geigenbogen hatte sich hartnäckiger versteckt. Sie fand ihn schließlich unter dem Bett, warum auch immer. Jetzt noch schnell eine Viertelstunde geübt, dann runter zu Bogdanov. Ihrem Geigenlehrer. Jeden Donnerstag wanderte er durch den Breselwald hinauf. Meistens viel zu früh, um vor dem Unterricht auf dem Cembalo zu spielen. Unwirklich zog sein Geklimper durch das Gemäuer.
Jo schob die Geige unters Kinn. Was stand da? ff – also Fortissimo! Sie holte aus. Und Zack und Strich und – ach du Scheibe! Der Bogen sauste ungebremst zwischen die alten Hefte im Regal, die dort ihrem staubigen Ende entgegen dämmerten. Genervt rupfte Jo ihn raus. Ein Papierschnipsel segelte zu Boden und landete zwischen der Tasse Kakao von gestern Abend und der lange vermissten Haarspange. Jo hängte Geige und Bogen an die Wäscheleine und klemmte die Spange dazu. Und goss mit dem Kakao den Kaktus.
Komischer Zettel. Jo hob ihn auf. Vergilbt, die Ränder fransig und spröde, das Papier so trocken, dass es bei jeder Berührung knisterte. Und eine Zeichnung darauf.
Kästchen wie auf einem Schachbrett, von eins bis fünf nummeriert. Wahllos darüber verstreut größere und kleinere Punkte, die unordentlich mit schwarzer Tinte verbunden waren. Am rechten Rand befanden sich drei kaum leserliche Buchstaben. Vermutlich A B C . Und links oben so etwas wie ein Turm mit einer Brücke. Doch das Merkwürdigste war, jemand hatte alle Punkte mit einer Nadel durchstochen.
Jo drehte den Zettel um.
Aha. Auf dieser Seite hatte der Jemand die Nadellöcher umkringelt und bemalt und wackelige Linien von links nach rechts gezogen. Na, und das da waren ohne Zweifel ein Violinschlüssel und ein Bassschlüssel. Klaviermusik also. Jo versuchte, die Melodie zu summen. Nett. So was ähnliches hatte sie schon mal auf der Geige gespielt. Vermutlich richtig altes Zeug.
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