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Für den Kostenersatz für Amtshandlungen nach dem LVwVG(Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang) gelten gemäß § 31 Abs. 6 LVwVG die besonderen Verjährungsvorschriften der §§ 17 und 23 LGebG. Letztere finden unmittelbar Anwendung für Gebühren und Auslagen, die aufgrund des LGebGerhoben werden. Bei einer Erhebung aufgrund des KAGgelten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 a KAG die Verjährungsvorschriften der AO (§§ 228–232), vgl. § 127, RN 9.
6. Kosten für polizeiliche Maßnahmen
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Polizeiliche Maßnahmen können erhebliche Kosten verursachen.
Beispiele:Kosten für die Begleitung eines Schwertransports, für den Einsatz bei einem Fußballspiel, für die Bergung und das Abschleppen eines Kfz.
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Welcher Trägerder öffentlichen Verwaltung für die Kosten der Polizei aufzukommen hat, regelt § 127 (s. u. § 127, RN 1 ff.).
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Fraglich ist, ob die Polizei bzw. ihr Kostenträger Ersatzvom Pflichtigen verlangen kann, was im Einzelfall als durchaus gerechtfertigt erscheint.
Beispiele:Bei einer Ersatzvornahme erledigt die Polizei praktisch ein „Geschäft“ des Pflichtigen. Die Begleitung eines Schwertransports begünstigt den Unternehmer.
Anspruch auf Zahlung einer Gebühr gegen den Veranstalter für den Mehraufwand bei kommerziellen Hochrisiko-Veranstaltungen wie etwa Bundesliga-Fußballspielen (BVerwG, Urt. v. 29.3.2019 – 9 C 4.18; hierzu Brüning, NVwZ 2019, 1416).
Unumgänglich für einen derartigen Kostenersatzanspruch ist jedoch wegen des Gesetzesvorbehalts eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage (z. B. § 4 Abs. 4 Bremer GebBeitrG für gewinnorientierte Hochrisiko-Veranstaltungen; in BW ist eine entsprechende Vorschrift nicht vorhanden). Näher dazu s. u. § 127, RN 8 f.
§ 4 Einschränkung von Grundrechten
Durch polizeiliche Maßnahmen auf Grund dieses Gesetzes können im Rahmen des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland eingeschränkt werden
1. das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes),
2. die Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes),
3. die Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes)
4. das Brief, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10 des Grundgesetzes),
5. die Freizügigkeit (Artikel 11 des Grundgesetzes),
6. die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes),
7. das Eigentum (Artikel 14 des Grundgesetzes).
Literatur: Alberts, Die Bedeutung des Zitiergebots, Art. 19 Abs. 1 Satz 2, insbesondere für die neuere Polizeigesetzgebung, JA 1986, 72; ders., Freizügigkeit als polizeiliches Problem, NVwZ 1997, 45; Becker, Grundrechtliche Grenzen staatlicher Überwachung zur Gefahrenabwehr, NVwZ 2015, 1335; Bünnigmann, Polizeifestigkeit im Versammlungsrecht, JuS 2016, 695; ders., Polizeifestigkeit im Presserecht, JuS 2016, 894; Frenz, Terrorismus und Menschenwürde, DÖV 2015, 305; Frey/Schönstein, Aufenthaltsverbote als Mittel zur Gefahrenabwehr, VBlBW 2016, 447; Guckelberger, Zulässigkeit von Polizeifolter?, VBlBW 2004, 121; Hetzer, Die Bedeutung des Grundrechts auf Freizügigkeit (Art. 11 GG) für polizeiliche Aufenthaltsverbote, JR 2000, 1; Heyen/Collin/Spiecker gen. Döhmann, Häusliches Betretungsverbot, JA 2013, 359; Hufen, Verbot oder einschränkende Auflagen für die Ausstellung „Körperwelten“?, DÖV 2004, 611; Kappeler, Der Verbringungsgewahrsam im System vollzugspolizeilicher Eingriffsbefugnisse, DÖV 2000, 173; Kutscha, Rechtsschutzdefizite bei Grundrechtseingriffen von Sicherheitsbehörden, NVwZ 2003, 1296; Leist, Zur Rechtmäßigkeit typischer Auflagen bei rechtsextremistischen Demonstrationen, NVwZ 2003, 1300; Laubinger, Nachbarschutz gegen kirchliches Glockengeläut, VerwArch 1992, 623; Scholz, „Neue Jugendreligionen“ und Grundrechtsschutz nach Art. 4 GG, NVwZ 1992, 1152; Thäle, Polizeibeamtinnen und -beamte im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und ihrem eigenen Persönlichkeitsschutz, VBlBW 1999, 48.
Inhaltsübersicht
1. Allgemeines
2. Genannte, durch das Polizeigesetz einschränkbare Grundrechte
a) Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG)
b) Recht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG)
c) Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG)
d) Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG)
e) Recht auf Freizügigkeit (Art. 11 GG)
f) Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG)
g) Recht auf Eigentum (Art. 14 GG)
3. Nicht genannte, durch das Polizeigesetz einschränkbare Grundrechte
a) Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG)
b) Glaubensfreiheit (Art. 4 GG)
c) Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG)
d) Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs. 3 GG)
e) Ehe und Familie
4. Grundsätzlich nicht durch das Polizeigesetz einschränkbare Grundrechte
a) Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG)
b) Gleichheitssatz (Art. 3 GG)
c) Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG)
d) Vereinigungsfreiheit, Koalitionsfreiheit (Art. 9 GG)
e) Berufsfreiheit (Art. 12 GG)
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Die Vorschrift ist nichtselbst Ermächtigungsgrundlagefür grundrechtsrelevante Eingriffe, sondern nennt einzelne Grundrechte, die durch polizeiliche Maßnahmen z. B. aufgrund §§ 3, 1; 27 ff. eingeschränkt werden dürfen. Damit trägt § 4 dem Zitiergebotdes Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG Rechnung. Aus dem Umstand, dass zahlreiche Grundrechte in § 4 nicht genannt sind, kann jedoch nicht geschlossen werden, diese seien nicht einschränkbar oder werden durch das PolG nicht eingeschränkt ( s. u. RN 14ff.). Das Zitierverbot erfasst nämlich nur jene Grundrechte, bei denen eine Einschränkung durch oder aufgrund eines Gesetzes möglich ist (Einschränkungsvorbehalt; BVerfGE 113, 348, 366).
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Weitere verfassungsrechtliche Anforderungenan polizeiliche Maßnahmen enthält das Polizeigesetz in § 5.
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Die Grundrechte haben nicht nur die eine Funktion als Abwehrrechtezur Eingrenzung polizeilicher Befugnisse. Sie sind auch selbst Schutzgut, da der Staat ihre ungehinderte Ausübung zu gewährleisten hat (s. o. § 1, RN 22).
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Neben den Grundrechten ist auch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)Maßstab für die Gesetzgebung der Länder auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr und für polizeiliches Handeln. Sie hat den Rang einfachen Bundesrechts und garantiert – allerdings nicht vorbehaltlos – u. a. das Recht auf Leben (Art. 2), das Verbot der Folter (Art. 3), das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art. 5) und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Wohnung (Art. 8). Eine Verletzung dieser Rechte kann – neben dem nationalen Rechtsweg – beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)gerügt werden (Art. 35 EMRK).
2. Genannte, durch das Polizeigesetz einschränkbare Grundrechte
a) Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG)
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In das Recht auf körperliche Unversehrtheit wird durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs(§§ 64 ff.), vor allem durch Waffengebrauch eingegriffen. Ein gezielter Todesschuss(§ 68 Abs. 2) berührt das Recht auf Leben.
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