Daher können Fälle der BuStra in drei Fallkonstellationenzur Staatsanwaltschaft kommen:
a) |
Die Staatsanwaltschaft zieht den Fall an sich ( Evokationsrecht), was sie nach § 386 Abs. 4 AO jederzeit tun kann. Um das Evokationsrecht ausüben zu können, muss die BuStra oder die Steuerfahndung den Fall rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft herantragen.[119] Dazu muss die BuStra die Staatsanwaltschaft frühzeitig über alle Verfahren informieren, bei denen eine Evokation nicht fern liegt. |
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Die Evokation liegt nicht fern, wenn die Sache eine gewisse Bedeutung hat. Das kann auch bei kleineren Hinterziehungsbeträgen vorliegen, wenn z.B. eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit besteht wie bei prominenten Personen, kommunalen Amtsträgern oder andere Personen des öffentlichen Interesses.[120] |
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Die frühzeitige Einschaltung der Staatsanwaltschaft ist auch dann angezeigt, wenn sich die Beweislage als schwierig darstellt, wenn der Fall nicht für ein Strafbefehlsverfahren geeignet ist, eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten oder wenn eine Anklage beim Landgericht zu erwarten ist.[121] |
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b) |
Die BuStra kann den Fall auch nach pflichtgemäßem Ermessen an die Staatsanwaltschaft abgeben(§ 386 Abs. 4 AO), wenn er eine besondere Bedeutunghat. Hierfür gibt es verschiedene Indizien (die aber von Land zu Land und sogar von Staatsanwaltschaft zu Staatsanwaltschaft unterschiedlich gehandhabt werden): – die besondere Bedeutung eines Falles kann in seiner Größenordnungliegen (Grenzen zwischen 50 000 EUR und 200 000 EUR insgesamt hinterzogener Steuern, teilweise sogar noch höher (wie etwa bei den sog. Kapitalanlegerfällen); – Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung(TKÜ) wird angestrebt, Nr. 22 Abs. 1 Nr. 1 AStBV. Die Anordnung muss von der Staatsanwaltschaft beantragt werden, weil die BuStra selbst bei Gefahr im Verzug dazu nicht befugt ist, Nr. 91 Abs. 3 S. 2 AstBV; – Notwendigkeit der Anordnung von Untersuchungshaft(§§ 112, 113 StPO), Nr. 22 Abs. 1 Nr. 2 AStBV; – besondere rechtliche Schwierigkeitender Strafsache (z.B. Rechtshilfeersuchen), Nr. 22 Abs. 1 Nr. 3 AStBV; – Verfahren gegen Parlamentsabgeordnete(Landtage, Bundestag, Europaparlament), Nr. 151 AStBV; Diplomatenund andere bevorrechtigte Personen, Nr. 152 AStBV; Angehörige der Streitkräfte anderer Staaten, Nr. 153 AStBV; Jugendliche, Heranwachsende und vermindert Schuldfähige, Nr. 154 AStBV; – Wenn ein Amtsträger der Finanzverwaltungder Beteiligung an einer Steuerstraftat verdächtig ist, ist der Fall sofort an die Staatsanwaltschaft abzugeben. |
296
Hinweis:
Steuerhinterziehungen durch Amtsträger haben stets auch eine disziplinarrechtliche Komponenteund müssen deshalb dem Disziplinar-Vorgesetzten gemeldet werden. Nach der Entscheidung des BVerwG vom 5.3.2010 steht das Steuergeheimnis dem nicht entgegen, wenn der hinreichende Verdacht auf ein schweres Dienstvergehen gegeben ist.[122] Nach § 49 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 S. 1 BeamtenStatusG sowie nach § 115 Abs. 1, Abs. 6 BBG sind die Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, in Strafverfahren (auch Steuerstrafverfahren) eine Kopie der Anklageschrift an den Disziplinarvorgesetzten des Beamten zu senden.[123] Gleiches gilt auch für Entscheidungen über Verfahrenseinstellungen (selbst nach einer Selbstanzeige des Beamten). Hierbei hat die Strafverfolgungsbehörde keine vorweggenommene Prüfung der gebotenen disziplinarrechtlichen Behandlung des Falles vorzunehmen, sondern sie muss nur abwägen, ob die Daten für eine disziplinarrechtliche Prüfung von Belang sind und deshalb für den Dienstherrn des Beamten von Interesse sind.[124]
297
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In diesen Fällen ist der Fall selbst dann an die Staatsanwaltschaft abzugeben, wenn darüber zu entscheiden ist, ob eine wirksame Selbstanzeige eines Beamten vorliegt, Nr. 22 Abs. 2 S. 2 AStBV. |
298
c) |
Die BuStra muss den Fall an die Staatsanwalt abgeben, wenn sie dafür sachlich nicht zuständigist. Das sind die Fälle in denen der Beschuldigte neben der Steuerstraftat (bzw. gleichgestellten Taten) weitere – prozessual selbstständige – Taten begangen hat, die in einem einheitlichen Ermittlungsverfahren verfolgt werden sollen.[125] Dieses kann nur die Staatsanwaltschaft führen, weil die Finanzbehörde für außersteuerliche Taten nicht zuständig ist. |
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Hinweis:
Bei der Abgabe von außersteuerlichen Straftaten an die Staatsanwaltschaft ist grundsätzlich das Steuergeheimnis des § 30 AOzu beachten, Nr. 21 Abs. 2 AStBV. Dem Schutz des Steuergeheimnisses unterliegt auch die Person des Anzeigeerstatters.[126] Durch die allgemeine Ermittlungsbefugnis des § 161 StPO wird das Steuergeheimnis aber nicht durchbrochen, weil darin eine entsprechende ausdrückliche Bestimmung fehlt (z.B. Formulierung „§ 30 AO steht dem nicht entgegen“). Obwohl eine solche Formulierung auch nicht in § 386 Abs. 4 AO enthalten ist, problematisiert die Verwaltungspraxis die möglicherweise fehlende Weitergabebefugnis nicht.
300
Die Stellung der BuStra in den Verfahren der Staatsanwaltschaftentspricht den Rechten und Befugnissen der Polizei nach der Strafprozessordnung (vgl. §§ 161, 163 StPO). Beschuldigte, Zeugen und Sachverständige sind nicht verpflichtet, vor der BuStra zu erscheinen. Die Befugnisse wegen Gefahr im Verzug bleiben erhalten, § 399 Abs. 2 S. 2 AO.
301
Die Bediensteten der Steuerfahndunghaben immer die Stellung von Ermittlungsbeamten der Staatsanwaltschaft und zwar unmittelbar, wenn die Staatsanwaltschaft selbst das Verfahren führt oder mittelbar, wenn die Bußgeld- und Strafsachenstelle die Stellung der Staatsanwaltschaft einnimmt, § 386 Abs. 2 AO.
3. Gerichtliches Verfahren
302
Die überwiegende Mehrheit der Steuerstrafverfahren wird eingestellt, meist als Einstellung nach § 153a StPO. Das ist dem Charakter der meisten Steuerhinterziehungen als Allerwelts–Kriminalität geschuldet. In manchen Regionen haben sich sogar feste Sätze für die Bemessung der Auflage ausgebildet, etwa abhängig von der Höhe der hinterzogenen Steuer.
303
Wenn keine Verfahrenseinstellung möglich ist, kann die BuStra beim Amtsgericht den Erlass eines Strafbefehlsbeantragen, § 400 AO, § 407 ff. StPO. Voraussetzung dafür ist, dass der Beschuldigte der Steuerhinterziehung so verdächtig erscheint, dass im Falle der Durchführung einer Hauptverhandlung eine Verurteilung mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre,[127] aber die Durchführung der Hauptverhandlung nicht für erforderlich gehalten wird, § 407 Abs. 1 StPO. Die zu erwartende Strafe kann eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr sein, deren Vollzug aber zur Bewährung ausgesetzt werden kann, § 407 Abs. 2 S. 2 StPO.
304
Ist eine darüber hinausgehende Bestrafung zu erwarten, muss das Verfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben werden zur Erhebung einer öffentlichen Anklage, die letztlich zu einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht oder dem Landgericht führt. Da diese öffentlich sind, lässt sich nunmehr ein weiter gehender Reputationsschaden nicht mehr vermeiden.
305
Lässt sich die öffentliche Hauptverhandlung nicht vermeiden, sollte der steuerliche Teil des Verfahrens solange offen gehalten werden, bis das Strafverfahren beendet werden kann. Die auch im Hauptverfahren mögliche strafrechtliche Verständigung kann angestrebt werden, wird jedoch zunehmend von den Gerichten nicht mehr genutzt.
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