cc) Beweise aus der elektronischen Kommunikation
241
Eine besondere Herausforderung für die IT – Prüfung ist die elektronische Kommunikationdurch Mails oder etwa auch Skype, weil hier der besondere Grundrechtsschutz des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG) zu beachten ist, der auch für E-Mails gilt.[96] Fraglich war aber, ob für die Sicherstellung des E-Mail-Verkehrs die strengen Anforderungen der §§ 100a StPO Gültigkeit haben. Das hat das BVerfG mit Beschluss vom 31.3.2009[97] abgelehnt, weil der Schutzzweck des Art. 10 GG nicht der rein technischen Begriffsbestimmung des TKKG folgen müsse. Nach Auffassung des BVerfG genügen die strafprozessualen Regeln in §§ 94, 98 StPO den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gesetzliche Ermächtigung zu Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis. Ausdrücklich nimmt es das BVerfG in Kauf, dass die vorläufige Sicherstellung größerer Teile oder des gesamten Bestandes an E-Mails zulässig sein muss, weil eine sorgfältige Sichtung und Trennung der Mails nach Verfahrensrelevanz am Durchsuchungsort nicht immer möglich sei. Es müsse sich dann – wie bei Papierunterlagen auch – eine Sichtung nach § 110 StPO zur Feststellung der verfahrensrelevanten Beweismittel anschließen.
242
Es sind drei Fallkonstellationenzu unterscheiden:
a) |
Der Mailverkehr ist auf dem Rechner des Beschuldigten vor Ort gespeichert: Die Daten können vor Ort gesichertwerden, wenn sie im Beschluss enthalten sind. Darunter fällt auch der Fall, dass der Beschuldigte mit der Herausgabe seiner Mails einverstanden ist, etwa indem er dem Ermittler das Zugangs-Passwort zu seinem Mailprogramm gibt. |
b) |
Die Mails sind auf einem Server des Providersgespeichert: es ist ein Beschluss nach § 103 StPO gegen den Provider zu erwirken auf Herausgabe des dort gespeicherten Mailverkehrs. |
c) |
Der Server des Providers steht im Ausland: Der Beschluss gegen den Provider muss im Wege eines internationalen Rechtshilfeverfahrens vollstreckt werden. Damit die elektronischen Beweismittel in der Zwischenzeit nicht verschwinden, sieht die Cyber Crime Convention[98] ein vorläufiges (schnelles) Sicherstellungsverfahren vor, dem das „papierne“ Rechtshilfeersuchen folgt. Der Cyber Crime Convention sind mittlerweile 45 Staaten beigetreten, darunter viele EU–Mitgliedsstaaten, die Schweiz, Japan, Kanada, Südafrika und die USA. |
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Wie Mails wird die schriftliche Skype–Kommunikation (Skype SMS) gesichert, die sich auf dem Rechner des Beschuldigten befindet. Der gesprochene Verkehr über Skype bedarf zu seiner Sicherung eines Beschlusses nach § 100a StPO und ist zudem technisch nur schwierig abzuhören.
d) Risiko von Untersuchungshaft
244
In größeren Steuerstrafverfahren besteht durchaus das Risiko einer Untersuchungshaft, die durch das Gericht in den Fällen mit dringendem Tatverdachtund zusätzlicher Flucht- oder Verdunkelungsgefahrangeordnet werden kann, § 112 StPO.
245
– |
Dringender Tatverdachtliegt vor bei einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte die Tat begangen hat und dass alle Voraussetzungen einer Verurteilung vorliegen, insbesondere verwertbare Beweise gesichert werden können oder konnten, keine Verjährung droht etc. |
246
– |
Verdunkelungsgefahrist zu befürchten, wenn der Beschuldigte Einfluss auf die Zeugen nimmt (z.B. als Chef, als wichtiger Abnehmer) und versucht deren Aussagen zu beeinflussen. Werden den Behörden solche Kontakte bekannt, kann es gefährlich werden, insbesondere, wenn etwa auch solcherart beeinflusste Zeugen beginnen ihre Aussagen zu widerrufen. |
247
– |
Fluchtgefahrwird einerseits durch die Prognose geprägt, wie belastend eine mögliche Bestrafung auf den Beschuldigten wirken kann (insbesondere drohende Freiheitsstrafe ohne Bewährung) und andererseits wie stark er im Inland verwurzelt ist (z.B. Lebensmittelpunkt, Familie, Stärke des sozialen Umfeldes) und ob er bereit ist, das alles aufzugeben. Die Prognose geht oft genug schief und dann ist der Beschuldigte weg. |
248
Nicht zu verkennen ist, dass bei Ausländern die Prognose einer Fluchtgefahr leichter fällt als bei Inländern. Dies ist aber im Zeitalter der Globalisierung nicht zwingend. Ausländische Geschäfts- und Privatadressen, vielfältige Geschäftskontakte im Ausland und die Möglichkeit, sein Geschäft von jedem Ort der Welt betreiben zu können kann auch für deutsche Staatsbürger zu einer Fluchtprognose führen.
249
Gleichwohl ist selbst bei größeren Steuerfahndungsfällen der Haftbefehl die Ausnahme, weil den Steuerfahndern gerade bei größeren Verfahren der Preis zu hoch ist. Der Haftbefehl wird erkauft durch einen enormen Zeitdruck, unter dem das Verfahren ab dann zu führen ist. Spätestens nach sechs Monaten muss die erste Haftprüfung stattfinden (§ 121 StPO). Der Haftbefehl darf nur aufrecht erhalten werden bei besonderen Schwierigkeiten oder besonderem Umfang der Ermittlungen, wie sie allerdings in Steuerstrafverfahren üblich sind. Dauert die Untersuchungshaft ein Jahr an, ohne dass Anklage erhoben wurde, wird es für die Ermittlungsbehörde endgültig eng durch die weitere besondere Haftprüfung seitens des OLG, §§ 122 StPO. Diese gesetzlichen Fristen tragen der besonderen Schwere des Grundrechtseingriffs Freiheitsentzug durch Untersuchungshaft Rechnung. Wer aber die Dauer von größeren Steuerstrafverfahren kennt, bei denen sich die Ermittlungen schon einmal über zwei und mehr Jahre hinziehen, um den Prozessstoff wenigstens einigermaßen bewältigen zu können, weiß, in welche zeitliche Not die Ermittlungsbehörde kommen kann. In vielen Fällen kann man dem nur durch radikale Beschränkung des Prozessstoffes begegnen. Es werden nicht mehr alle Jahre mit Steuerhinterziehung ermittelt, sondern nur das letzte Jahr. Teile der Vergehen werden eingestellt, obwohl sie unter anderen Umständen weiter verfolgt worden wären. Dem vorrangigen Ziel, der Staatsanwaltschaft spätestens binnen 9–10 Monaten ein Ermittlungsergebnis zu liefern, aus dem diese eine Anklage formulieren kann, wird alles untergeordnet. Entscheidend ist die Erhebung der Anklage spätestens nach einem Jahr. Nur in seltenen Ausnahmefällen wird das OLG den Haftbefehl darüber hinaus aufrechterhalten.
Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen› 8. Kapitel Ermittlungsmethoden und -kompetenzen von Steuerfahndung und Betriebsprüfung und daraus resultierende Risiken› V. Fallabschluss
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Entsprechend der doppelten Aufgabenstellung der Steuerfahndung werden die Ermittlungen mit einem steuerlichen und einem strafrechtlichen Bericht abgeschlossen. Der Prüfer hat dabei die unterschiedlichen Verfahrensgrundsätze für beide Verfahren zu beachten.
1. Fallabschluss auf der Ebene der Finanzverwaltung
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Dem Verfahrensabschluss auf der Ebene der Finanzverwaltung dient zunächst einmal der steuerliche Bericht durch die Steuerfahndung. Ist die Bußgeld- und Strafsachenstelle Herr des Ermittlungsverfahrens entscheidet diese auch über den strafrechtlichen Bericht (auch strafrechtlicher Vermerk genannt).
a) Steuerlicher Abschlussbericht
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Im steuerlichen Prüfungsbericht der Steuerfahndung werden die für die Besteuerung erheblichen Prüfungsfeststellungen sowie die Änderungen der Besteuerungsgrundlagen entsprechend einem Betriebsprüfungsbericht (§ 202 Abs. 1 AO) dargestellt. Da Adressat dieses Berichts vor allem der Innendienst des Veranlagungsfinanzamtes ist, liegt sein Schwergewicht auf Zahlendarstellungen, die der Bearbeiter zum Erlass der Änderungsbescheide benötigt. Darunter leidet gelegentlich – vor allem für steuerlich nicht bewanderte Leser – die Verständlichkeit der Darstellung. Ohne ein entsprechendes Hintergrundwissen wird der steuerliche Bericht manchmal schwer verständlich sein.
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