[1]
BVerfG NJW 2007, 1052, 1053.
[2]
LG München I wistra 2006, 240, 240.
[3]
KK-StPO/ Zabeck § 406e Rn. 6; Satzger/Schluckebier/Widmaier/ Schöch StPO, § 406e Rn. 10.
[4]
HK-StPO/ Kurth/Pollähne § 406e Rn. 11.
[5]
HK-StPO/ Kurth/Pollähne § 406e Rn. 11.
[6]
OLG Naumburg NStZ 2011, 118 f.; KK-StPO/ Zabeck § 406e Rn. 7; Satzger/Schluckebier/Widmaier/ Schöch StPO, § 406e Rn. 12.
[7]
BT-Drucks. 10/5305, 18.
[8]
LG Düsseldorf StV 2017, 175; BT-Drucks. 16/13671, 22.
[9]
LG München I wistra 2006, 240, 240; Thomas StV 1985, 431, 433.
5. Kapitel Akteneinsicht› F. Das Akteneinsichtsrecht des Verletzten gem. § 406e Abs. 1 StPO› III. Die Bedeutung des Verfahrensstandes
III. Die Bedeutung des Verfahrensstandes
51
Ungeachtet der obigen Ausführungen ist der erreichte Ermittlungsstand bzw. die Intensität des Tatverdachts für das Bestehen des Akteneinsichtsanspruchs eines Dritten von erheblicher Bedeutung. Eine Akteneinsicht für Dritte in einem Ermittlungsverfahren, in dem allein ein strafprozessualer Anfangsverdacht besteht, wäre nach zutreffender Ansicht ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte der Betroffenen.
52
Dass eine Akteneinsicht beim Vorliegen ausschließlich eines Anfangsverdachts nicht in Betracht kommt, gilt im Rahmen des § 406e Abs. 1 StPO unabhängig davon, ob es sich bei der Intensität des Tatverdachts um ein Kriterium für die Verletzteneigenschaft[1] oder für das berechtigte Interesse des Antragstellers[2] handelt, oder ob dieser Umstand erst im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen des Antragstellers und des Beschuldigten zu berücksichtigen ist.[3] Allen diesen Ansätzen liegt das Bewusstsein zugrunde, dass die Voraussetzungen des § 406e Abs. 1 StPO unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszulegen sind und die mit der Vornahme strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen verbundenen Eingriffe in die Rechte des Beschuldigten durch die Gewährung von Akteneinsicht an vorgeblich Verletzte vertieft werden. Eine derartige Vertiefung der durch die Ermittlungsmaßnahmen stattgefundenen Eingriffe bedürfte einer besonderen Legitimation. Diese kann gerade nicht bereits in dem Bestehen eines bloßen Anfangsverdachts i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO liegen. Denn das Vorliegen des Anfangsverdachts rechtfertigt zwar die Vornahme von Ermittlungshandlungen, um festzustellen, ob eine Straftat begangen wurde. Damit geht jedoch nicht einher, dass die hierbei gewonnenen Erkenntnisse durch die Gewährung von Akteneinsicht an andere Personen übermittelt werden dürfen. Zutreffend wird daher von der neueren Rechtsprechung das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts i.S.d. § 203 StPO gefordert.[4] Dies führt gleichsam dazu, dass eine regelhafte Gewährung der Akteneinsicht zur Begründung der Beschwerde des Anzeigeerstatters gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gem. § 172 Abs. 1 StPO ausgeschlossen ist.
[1]
LG Stade StV 2001, 159, 160, Krause FS Widmaier, S. 639, 654.
[2]
Koch FS Hamm, S. 289, 292.
[3]
LG Köln StraFo 2005, 78, 79; vgl. zu § 475 StPO: LG Dresden StV 2006, 11, 13.
[4]
LG Stade StV 2001, 159, 160; LG Köln StraFo 2005, 78, 79; LG Düsseldorf 25.8.2008 – 10 AR 1/08, S. 6 f.
5. Kapitel Akteneinsicht› F. Das Akteneinsichtsrecht des Verletzten gem. § 406e Abs. 1 StPO› IV. Verfahren
IV. Verfahren
53
Wenn – was bei einer vollständigen Akteneinsicht stets der Fall ist, bei einer teilweisen Akteneinsicht vom Gegenstand der betroffenen Aktenbestandteile abhängt – mit der Gewährung von Akteneinsicht an den Verletzten ein Eingriff in Grundrechtspositionen des Beschuldigten (insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verbunden ist, so ist dem Beschuldigten zuvor Gelegenheit zur Stellungnahmezu geben.[1] Auch der Umstand, dass eine solche Stellungnahme sinnvollerweise erst nach Aktenkenntnis des Beschuldigten bzw. seines Verteidigers abgeben werden kann, spricht dafür, dass Akteneinsicht an Verletzte erst dann gewährt werden darf, wenn dem Verteidiger zuvor Akteneinsicht gewährt wurde. Eine Stellungnahme ist auch von einem Dritten einzuholen, soweit sich dessen personenbezogene Daten oder andere besonders geschützte Informationen wie Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse in den Akten befinden.[2]
2. Anfechtung der Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht
54
Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Akteneinsicht, d.h. im Fall der Gewährung als auch der Verweigerung, kann gem. § 406e Abs. 4 S. 2 StPO gerichtliche Entscheidungbei dem nach § 162 StPO zuständigen Gericht beantragt werden. Der hierauf ergehende Beschluss ist während des Ermittlungsverfahrens gem. § 406e Abs. 4 S. 4 StPO unanfechtbar. Nach Abschluss der Ermittlungen ist gem. § 406e Abs. 4 S. 3 StPO die Beschwerdegegen gerichtliche Entscheidungen statthaft. Dies gilt gleichermaßen für Entscheidungen des nach Anklageerhebung zuständigen Gerichts wie auch für Entscheidungen des Ermittlungsgerichts nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft oder nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss.[3]
[1]
BVerfG NStZ-RR 2005, 242; LG Krefeld NStZ 2009, 112; LR/ Hilger § 406e Rn. 16; SK-StPO/ Velten § 406e Rn. 25.
[2]
BVerfG NStZ-RR 2005, 242, 242; KK-StPO/ Zabeck § 406e Rn. 12.
[3]
KK-StPO/ Zabeck § 406e Rn. 13.
5. Kapitel Akteneinsicht› F. Das Akteneinsichtsrecht des Verletzten gem. § 406e Abs. 1 StPO› V. Sonstiges
55
§ 406e Abs. 5 HS 1 StPO regelt die Möglichkeit, dem Verletzten, der keinen Rechtsanwalthat, Auskünfte und Abschriften aus den Akten zu erteilen. Hierfür müssen – mit Ausnahme der Bestellung eines Rechtsanwalts – die Voraussetzungen des § 406e Abs. 1 StPO vorliegen.
56
Der Verletzte wie auch sein Rechtsanwalt haben, wenn Akteneinsicht gewährt wird, gem. § 406e Abs. 6 StPO die Zweckbindung des § 477 Abs. 5 StPO („Verwendungsbeschränkung“) zu beachten.[1] Ist dem Verletzten etwa Akteneinsicht zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gewährt worden, so dürfen die personenbezogenen Informationen vom Rechtsanwalt nicht für andere Zweckeoder andere Mandanten verwendet werden.[2]
[1]
Vgl. dazu: Meyer-Goßner/Schmitt/ Schmitt § 477 Rn. 6.
[2]
OLG Braunschweig NJW 2008, 3294, 3296.
5. Kapitel Akteneinsicht› G. Das Akteneinsichtsrecht sonstiger Personen gem. § 475 Abs. 1, 2 StPO
G. Das Akteneinsichtsrecht sonstiger Personen gem. § 475 Abs. 1, 2 StPO
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Gem. § 475 Abs. 1 S. 1 StPO kann für eine Privatperson und für sonstige Stellen ein Rechtsanwalt Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. Nach S. 2 der Norm sind die Auskünfte zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat. Gem. § 475 Abs. 2 StPO kann zudem Akteneinsicht gewährt werden, wenn die Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern oder nach Darlegung des Antragstellers, zur Wahrnehmung des berechtigten Interesses nicht ausreichen würde.
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