Wackernagel
Verlogen, dumm und unverschämt
Christof Wackernagel
Verlogen, dumm und unverschämt
Kulturindustrie von 1977 bis heute
Essay 22
© 2015 Oktober Verlag, Münster
Der Oktober Verlag ist eine Unternehmung der
Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG, Münster
www.oktoberverlag.de
Alle Rechte vorbehalten
Satz: Thorsten Hartmann
Umschlag: Thorsten Hartmann
unter Verwendung mehrerer Fotos von Ingram Publishing / Getty Images
Herstellung: Monsenstein und Vannerdat
ISBN 978-3-944-36951-8
Inhalt
Vorwort
Die Geschichte wird uns freisprechen
Auszüge aus der »Erklärung zur Sache« im Prozess gegen mich wegen »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung«, Frühjahr 1980 – Kollektivtext
Frankenthal-Bericht
Beschreibung der Sonderhaftbedingungen in der Justizvollzugsanstalt Frankenthal 1981
Widersprüche
Zur Diskussion um Begnadigung oder Amnestie von Gefangenen aus der Roten Armee Fraktion
Die RAF als Projektionsmaterial
Zum »Stammheim«-Film von Stefan Aust und Reinhard Hauff
»Mogadischu Fensterplatz«
Zum Roman von F. C. Delius 1987
Politik als Religion
Christian Geisslers Roman »Kamalatta. Romantisches Fragment«
Dummheit lohnt sich – kleine Meditation
über die Vorsilbe »ex«
Der Ex-Terrorist, das sonderbare Wesen
Deutsche Freiheit
Zur Zensur im Fernsehen
Triumph der Form
Über Theater in der Kohl-Zeit und seine Protagonistin Andrea Breth
Wendungen
Zur Dialektik der Emanzipationsbewegung Ende der 60er Jahre
Naturzwang, Behauptung und Wahn
Gedanken zum Nationalismus
Verlogen, dumm und unverschämt
Die Sprache des öffentlichen Lebens
Und Ödipus tötete Kain
Die Verfolgung und Ermordung Hanns Martin Schleyers als Gründungslegende der Bundesrepublik Deutschland
Erlaubnis zum Morden
Der notwendige Krieg oder die Legende von der Alternativlosigkeit
Thesen zu Georg Büchners »Dantons Tod«
Zur Inszenierung am Schauspielhaus Bochum 1989
Filmemacher aller Länder, vereinigt Euch!
Und Konrad Lorenz hat doch recht
Warum Revolutionen scheitern, die Lufthansa aber Gewinne macht
»Auge um Auge, Zahn um Zahn« oder Entschuldigung und Vergebung?
Ein Brief aus Afrika 2007
Der neue alte Komplex
Bernd Eichingers Film »Der Baader Meinhof Komplex«
Wir sind alle Eure Kinder. Ein Leserbrief
Zur Rezension des Buches »Patentöchter. Im Schatten der RAF – ein Dialog« von Julia Albrecht und Corinna Ponto im Spiegel
RAF ins Museum!
Denk-Kassiber
Katalogbeitrag zur Ausstellung im Marbacher Literaturarchiv über Schreiben im Gefängnis
Operation gelungen – Patient tot:
Sieg im Medienkrieg – die RAF hat gewonnen
Schwarzafrika, das weiße Blatt Papier
Zu Christoph Schlingensiefs Albtraum eines Operndorfs für einen Mörder
Überflüssige Gesellschaft
Zu Gabriele Riedles Roman »Überflüssige Menschen«
Etikettenschwindel
Zu Lebensmitteln
Widerspruch
Zur Berichterstattung der »jungen Welt« in Sachen al-Qaida – Angriff auf Nord-Mali
Mit Wurst zur Erleuchtung
Tatort: Der Film zum Krieg
»Im Schmerz geboren«: Blutrausch als gepflegte Unterhaltung
Weihnachtsüberraschungen
Schießen statt reden. Ein Spiegelbild
Katastrophenalarm!
Rezension zum Buch von Stefan Engel
Vorhautbeschneidung bei Minderjährigen ist Kindesmissbrauch
Nachweise
Vorwort.
Die hier versammelten Texte dokumentieren eine Auseinandersetzung mit der Haltung der Kulturindustrie und ihrer Rolle innerhalb der gesellschaftlichen Tendenz zu einer Meinungseinebnung.
Kulturindustrie ist Funktion der menschenverachtenden Diktatur der Profitmaximierung. Sie konditioniert die Menschen, eine Politik zu akzeptieren, die über Leichen geht. Sie spiegelt ein Leben vor, das alles Lebendige abtötet.
Ihre Aufgabe ist es, bei diesem Prozess der Selbstvernichtung der Menschheit Menschen zu Marionetten zu machen. Sie ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Menschen sich das Leben zur Hölle machen, obwohl sie nach jahrtausendelanger Anstrengung endlich die materiellen Voraussetzungen geschaffen haben, das Paradies auf Erden zu verwirklichen.
Das Buch beginnt mit Dokumentationen und Reflexionen über den bis heute letzten Versuch, diesen furchtbaren Prozess umzukehren: das verzweifelte Aufbäumen der Roten Armee Fraktion als bereits aussichtslosem Ausläufer der kulturrevolutionären Bewegung der sechziger und siebziger Jahre.
Es folgen selbstkritische Betrachtungen, in denen die falschen Mittel von den richtigen Zielen unterschieden werden.
Schließlich Beispiele dafür, dass das Bewusstsein von der Ungerechtigkeit auf diesem Globus in dem Maß gewachsen ist wie die Ungerechtigkeit selbst.
Einige dieser Texte schafften es bis zur Veröffentlichung, einige führten zu Hasstiraden.
So finden sich in diesem Band veröffentlichte, vor allem aber auch nicht veröffentlichte, gar mit Schaum vor dem Mund zurückgewiesene Kommentare.
Das 1980 gegen mich geführte Verfahren wegen Mitgliedschaft in der RAF fand damals auch deshalb besonderes Medieninteresse, weil ich zehn Jahre davor noch der »deutsche James Dean« des Neuen Deutschen Films gewesen war, die Zeitungen schrieben: »Von Engelchens Welt in den Untergrund«, »RAF statt Hollywood«.
Was ich mitzuteilen hatte, wurde freilich nicht referiert. Dieses Versäumnis wird hier im ersten Beitrag dieses Bandes nachgeholt:
Auch wenn ich das Wesentliche, was ich in unserer »Erklärung zur Sache« sagte, heute nicht mehr mit den selben Worten ausdrücken würde, dokumentieren diese Überlegungen nicht nur eine damalige Haltung, sondern gewähren auch Einblicke in damals relevante Zusammenhänge und machen damit Handlungen aus diesen Jahren nachvollziehbar – ohne sie zu rechtfertigen, was man ja leider selbst heute immer noch dazu sagen muss. Vielleicht ist dieser Text sogar angesichts von IS mehr denn je virulent: »Die Geschichte wird uns freisprechen«.
Die Aktionen der RAF waren ebenfalls höchst umstritten. Hier ist eine sehr ungewöhnliche Interpretation zu lesen – die Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers als Gründungslegende der Bundesrepublik Deutschland: »Und Ödipus tötete Kain«.
Die Haftbedingungen der Gefangenen aus der RAF waren ein höchst umstrittenes Thema – hier werden sie ausführlich beschrieben im »Frankenthal-Bericht«.
Einerseits sind sich alle einig, dass Gewalt verabscheuenswert und zu verurteilen ist, andererseits kann sie sich im Fernsehen hemmungslos austoben: »›Im Schmerz geboren‹ – Der Film zum Krieg«.
Wir haben dagegen in Wirklichkeit Kultur. Die geben wir – gratis! – weiter, wir zahlen sogar fürs Weitergeben. Da brauchen wir die davon Beglückten gar nicht vorher zu fragen. Die können froh sein, dass wir uns überhaupt um ihre kulturelle Erweckung kümmern: »Schwarzafrika, das weiße Blatt Papier«.
Alle Terroristen sind krank – ihre Motive brauchen wir nicht zu diskutieren. Unsere globalen ökonomischen Verhältnisse haben nichts mit den Angriffen auf sie zu tun, aber wer Drohnen sät, wird Selbstmordattentäter ernten: »Schießen statt reden. Ein Spiegelbild«.
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