2. Teil Repetitorium im Verwaltungsprozessrecht› 3. Kapitel Rechtsbehelfe in der Hauptsache› E. Die allgemeine Leistungsklage
E. Die allgemeine Leistungsklage
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Teil 1: Sachentscheidungsvoraussetzungen einer allgemeinen Leistungsklage
1. |
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs – § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO |
2. |
Die allgemeine Leistungsklage als statthafte Verfahrensart |
3. |
Verfahrensartabhängige Sachentscheidungsvoraussetzungen a) Klagebefugnis – § 42 Abs. 2 VwGO b) Das Entfallen des Widerspruchsverfahrens |
4. |
Sachliche, instanzielle und örtliche Zuständigkeit des Gerichts – §§ 45 ff. VwGO |
5. |
Beteiligtenbezogene Sachentscheidungsvoraussetzungen – §§ 61 ff. VwGO |
6. |
Ordnungsgemäße Klageerhebung – §§ 81 ff. VwGO |
7. |
Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis |
8. |
Keine anderweitige Rechtshängigkeit oder Rechtskraft |
Teil 2: Begründetheit einer allgemeinen Leistungsklage
1. |
Obersatz |
2. |
Passivlegitimation |
3. |
Leistungsanspruch |
II. Erläuterungen zum Aufbauschema – Sachenscheidungsvoraussetzungen
1. Statthaftigkeit der allgemeinen Leistungsklage
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Die allgemeine Leistungsklage hat zwar keine eingehende Normierung erfahren, wird aber insbesondere in § 43 Abs. 2 VwGO vorausgesetzt. Sie ist heute trotz ihres Fehlens im „Katalog“ der Klagearten nach § 42 VwGO eine unbestritten anerkannte Klageart. Daher sollten in Klausuren längere Ausführungen zur Ableitung vermieden werden. Die allgemeine Leistungsklage hat ein Begehren des Klägers zum Gegenstand, das auf eine andere Leistung als einen begünstigenden Verwaltungsaktgerichtet ist. Dadurch unterscheidet sie sich von der Verpflichtungsklage als besonderer Leistungsklage (s.o. Rn. 101).
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Die begehrte Leistung kann zunächst in einem positiven Tunliegen, etwa der Auszahlung eines Geldbetrags. Allerdings kann dem positiven Tun in Ausnahmefällen eine Entscheidung vorgeschaltet sein, ob diese Leistung auch erbracht werden soll. In einem solchen Falle wäre (zunächst) eine Verpflichtungsklage zu erheben. Auch ein Duldenkann mit einer allgemeinen Leistungsklage begehrt werden. Sie kann schließlich auch auf ein Unterlassengerichtet sein. Die Unterlassungsklage bildet damit einen Unterfall der allgemeinen Leistungsklage und wird teilweise als „negative Leistungsklage“ bezeichnet[1]. Die Unterlassungsklage ist weiter zu unterteilen in die einfache Unterlassungsklage und die vorbeugende Unterlassungsklage. Bei der einfachen Unterlassungsklage hat die Rechtsbeeinträchtigung bereits begonnen und dauert noch an.
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Bei der vorbeugenden Unterlassungsklagesoll hingegen eine Rechtsbeeinträchtigung von vornherein unterbunden werden. Sie begegnet – ebenso wie eine vorbeugende Feststellungsklage (s.o. Rn. 122) – deshalb Bedenken, weil die VwGO grundsätzlich auf nachträglichen Rechtsschutz ausgerichtet ist. Dieser ist zudem effektiv ausgestaltet, weil Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 1 VwGO grundsätzlich aufschiebende Wirkung entfalten und zudem die Möglichkeiten vorläufigen Rechtsschutzes bestehen (s.u. Rn. 179 ff.). Daher kann vorbeugender Rechtsschutz nur dann gewährt werden, wenn ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnisvorliegt: Es muss dem Kläger unzumutbar sein, die nachträglichen Rechtsschutzmaßnahmen zu ergreifen. Eine Unzumutbarkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn bei einem Zuwarten irreparable Schäden entstünden[2].
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Die allgemeine Leistungsklage ist in zwei Konstellationenanzutreffen. Zunächst kann der Bürger vom Staat eine (sonstige) Leistung begehren, etwa die Auszahlung eines Geldbetrags. Sie kommt aber auch in der umgekehrten Situation in Betracht, also wenn der Staat vom Bürger eine Leistung begehrt. In einer solchen Situation ist allerdings zu prüfen, ob der Staat seinen Anspruch nicht auf einfacherem Wege durchsetzen kann, insbesondere durch Erlass eines Verwaltungsakts[3]. Nimmt er eine solche Möglichkeit nicht in Anspruch, fehlt einer von ihm erhobenen Leistungsklage das Rechtsschutzbedürfnis (s.u. Rn. 149).
[1]
Hufen , VwProzR, 11. Aufl. 2019, § 16 Rn. 1.
[2]
Hierzu mit weiteren Beispielen Erbguth/Guckelberger , AllgVerwR, 10. Aufl. 2020, § 23 Rn. 13.
[3]
Zu dieser VA-Befugnis Peine/Siegel , AllgVerwR, 13. Aufl. 2020, Rn. 469.
2. Die besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen der allgemeinen Leistungsklage
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Zwar sind in der VwGO keine spezifischen Sachentscheidungsvoraussetzungen für die allgemeine Leistungsklage geregelt, allerdings besteht Einigkeit darüber, dass auch eine allgemeine Leistungsklage lediglich erhoben werden kann, wenn eine Klagebefugnisvorliegt. § 42 Abs. 2 VwGO kommt zwar lediglich bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zur unmittelbaren Anwendung. In dieser Bestimmung kommt jedoch ein allgemeiner Rechtsgedanke zum Ausdruck, nämlich – positiv formuliert – der Grundsatz des Individualrechtsschutzes oder – negativ formuliert – der Ausschluss der Popularklage. § 42 Abs. 2 VwGO ist deshalb analog anzuwenden[1]. Daher muss der Anspruch auf die Leistung geltend gemacht werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist auch hier die Möglichkeit eines solchen Anspruchs (sog. Möglichkeitstheorie s.o. Rn. 85). Ob der Anspruch tatsächlich besteht, ist hingegen eine Frage der Begründetheit.
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Regelmäßig bestehen keine weiteren besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen. Insbesondere ist vor Erhebung der allgemeinen Leistungsklage grundsätzlich kein Vorverfahren durchzuführen, und es muss keine Klagefrist eingehalten werden. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn der Gesetzgeber dies ausdrücklich normiert hat. Dies ist etwa in beamtenrechtlichen Streitigkeiten der Fall (vgl. § 54 Abs. 2 BeamtStG; § 126 Abs. 2 BBG)[2].
[1]
Statt vieler nur Schenke , VwProzR, 17. Aufl. 2021, Rn. 516.
[2]
Erbguth/Guckelberger , AllgVerwR, 10. Aufl. 2020, § 23 Rn. 11.
3. Besonderheiten beim Rechtsschutzbedürfnis
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Anders als bei den anderen bislang behandelten Verfahrensarten besteht bei der allgemeinen Leistungsklage regelmäßig Anlass, ausführlicher auf das Rechtsschutzbedürfnis einzugehen. So fehlt der von einem Verwaltungsträger erhobenen allgemeinen Leistungsklage das Rechtsschutzbedürfnis, wenn dieser seinen Anspruch mittels eines Leistungsbescheidesverwirklichen oder – bei einem Anspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag eine sofortige Vollstreckung nach § 61 VwVfG vornehmen könnte[1]. In der umgekehrten Konstellation – also bei der Klage eines Bürgers gegen einen Verwaltungsträger, bildet ein vorheriger Antrag bei der Verwaltung keine Sachentscheidungsvoraussetzungen. Dies ist indirekt der Kostentragungsregelung des § 156 VwGO zu entnehmen. Danach hat der Kläger die Verfahrenskosten zu tragen, wenn ihm der Beklagte keinen Anlass zur Klage gegeben hat und er den Anspruch sofort anerkennt. Diese Bestimmung hätte praktisch keinen Anwendungsbereich mehr, wenn in den entsprechenden Konstellationen bereits das Rechtschutzbedürfnis verneint würde[2].
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