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Die Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 43 Abs. 1, 2. Alt. VwGO ist begründet, wenn entsprechend der Behauptung des Klägers der Verwaltungsakt nichtig ist. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts beurteilt sich nach § 44 VwVfG. Mit Blick auf die Prüfungsreihenfolge ist zu beachten: 1. § 44 Abs. 2 VwVfG; 2. § 44 Abs. 3 VwVfG; 3. § 44 Abs. 1 VwVfG[1].
[1]
Peine/Siegel , AllgVerwR, 13. Aufl. 2020, Rn. 547.
2. Teil Repetitorium im Verwaltungsprozessrecht› 3. Kapitel Rechtsbehelfe in der Hauptsache› D. Die Fortsetzungsfeststellungsklage
D. Die Fortsetzungsfeststellungsklage
127
Teil 1: Sachentscheidungsvoraussetzungen einer Fortsetzungsfeststellungsklage
1. |
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs – § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO |
2. |
Die Fortsetzungsfeststellungsklage als statthafte Verfahrensart – § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO |
3. |
Verfahrensartabhängige Sachentscheidungsvoraussetzungen a) Besonderes Feststellungsinteresse – § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO b) Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage analog – s. bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklage |
4. |
Sachliche, instanzielle und örtliche Zuständigkeit des Gerichts – §§ 45 ff. VwGO |
5. |
Beteiligtenbezogene Sachentscheidungsvoraussetzungen – §§ 61 ff. VwGO |
6. |
Ordnungsgemäße Klageerhebung – §§ 81 ff. VwGO |
7. |
Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis |
8. |
Keine anderweitige Rechtshängigkeit und keine rechtskräftige Entscheidung |
Teil 2: Begründetheit einer Fortsetzungsfeststellungsklage
1. |
Obersatz |
2. |
Passivlegitimation |
3. |
Rechtswidrigkeit des VA bzw. dessen Versagung |
4. |
Rechtsverletzung |
II. Erläuterungen zum Aufbauschema – Sachentscheidungsvoraussetzungen
1. Zur Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage
128
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist in § 113 Abs. 1 S. 4 VwGOgeregelt. Danach kann das Gericht auf Antrag feststellen, dass ein erledigter Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Der unmittelbare Anwendungsbereichdieser Bestimmung ist jedoch in zweierlei Hinsicht begrenzt: Zum einen ist sie beschränkt auf die Fortsetzung einer Anfechtungsklage; denn § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO steht in funktionalem Zusammenhang mit § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, welcher die Anfechtungsklage regelt. Demgegenüber ist die Verpflichtungsklage in § 113 Abs. 5 VwGO geregelt. Zum anderen ist die Norm lediglich bei einer Erledigung nach Klageerhebung anwendbar. Dies ergibt sich aus dem Zusatz „danach“. In einer solchen Situation entfaltet ein Verwaltungsakt infolge seiner Erledigung keine belastende Wirkung mehr, so dass eine Anfechtungsklage erfolglos bliebe. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO gestattet hier bei Vorliegen eines berechtigten Interesses die Feststellung der Rechtswidrigkeit. Die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage wird fortgesetzt mit einer Feststellungsklage. Darauf ist die Bezeichnung der Fortsetzungsfeststellungsklage zurückzuführen.
129
Nach inzwischen überwiegender Ansicht ist § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO jedoch analoganwendbar, wenn sich ein belastender Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebungerledigt[1]. Diese Situation ist in der Klausurbearbeitung sogar weitaus häufiger anzutreffen als die nachträgliche Erledigung. Darüber hinaus ist nach h.M. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog anwendbar, wenn sich eine Verpflichtungsklagenachträglich erledigt, indem ein Anspruch erfüllt wird. In einer Verpflichtungsklagesituation kommt § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO schließlich auch dann zur Anwendung, wenn der Anspruch bereits vor Klageerhebung erfüllt wurde[2]. Dabei handelt es sich um den vergleichsweise seltenen Fall einer doppelten Analogie: Die erste Analogie wird benötigt für die Ausweitung auf die Verpflichtungsklage, die zweite für die zeitliche Ausweitung auf Erledigungen vor Klageerhebung. Da Erledigungen in Anfechtungsklagesituationen in der Klausurpraxis weitaus häufiger vorkommen als solche in Verpflichtungsklagesituationen, stehen erstere im Mittelpunkt der nachfolgenden Ausführungen. Keine analoge Anwendungfindet § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO bei einer Erledigung von Realakten. Hier greift die h.M. unter Verneinung einer Regelungslücke auf die allgemeine Feststellungsklage zurück[3].
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Eine ErledigungiSd der (Anfechtungs-)Fortsetzungsfeststellungsklage liegt nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO dann vor, wenn sich der Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder aus anderen Gründen erledigt hat. Die sonstigen Fälle der Erledigung ergeben sich aus § 43 Abs. 2 VwVfG[4]. Besonders klausurrelevant ist die Erledigung durch Zeitablauf. Eine Erledigung liegt aber lediglich dann vor, wenn der Verwaltungsakt keine Rechtswirkungen mehr entfaltet[5]. Nicht gleichzusetzten mit der Erledigung ist der bloße Vollzug. Denn auch in solchen Fällen bildet der Verwaltungsakt die Grundlage für die durch den Vollzug geschaffene Rechtslage, etwa für einen Kostenbescheid[6]. Besonders häufig anzutreffen sind Erledigungen im Polizei- und Ordnungsrecht. Im Falle der (Verpflichtungs-)Fortsetzungsfeststellungsklage liegt Erledigung vor, wenn der begehrte Verwaltungsakt gegenstandslos ist, weil er zu spät kommt, der Anspruch bereits anderweitig erfüllt oder wegen zwischenzeitlich geänderter Rechtslage weggefallen ist.
[1]
Hufen , VwProzR, 11. Aufl. 2019, § 18 Rn. 42; Schenke , VwProzR, 17. Aufl. 2021, Rn. 347 ff. AA Felix , DVBl. 2020, 481 ff.
[2]
Hufen , VwProzR, 11. Aufl. 2019, § 18 Rn. 43; Schenke , VwProzR, 17. Aufl. 2021, Rn. 354 ff.
[3]
Etwa Erbguth/Guckelberger , AllgVerwR, 10. Aufl. 2020, § 20 Rn. 42. Hufen , VwProzR, 11. Aufl. 2019, § 18 Rn. 45, merkt jedoch zu Recht kritisch an, dass mit einem solchen Argument auch die anerkannten Fälle einer analogen Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO in Frage gestellt werden könnte.
[4]
Hierzu Peine/Siegel , AllgVerwR, 13. Aufl. 2020, Rn. 456 f.
[5]
Gersdorf , VwProzR, 6. Aufl. 2019, Rn. 83.
[6]
Gersdorf , VwProzR, 6. Aufl. 2019, Rn. 83.
2. Die besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen der Fortsetzungsfeststellungsklage
a) Das besondere Feststellungsinteresse
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Für ein berechtigtes Interesses i.S.d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO genügt – ebenso wie im Rahmen der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO (s.o. Rn. 121 f.) – jedes schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art[1]. Zur Konkretisierung sind in der Rechtsprechung vier Fallgruppenentwickelt worden: die Wiederholungsgefahr, die Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozesses, das Rehabilitationsinteresse sowie ein gewichtiger Grundrechtseingriff. Diese Fallgruppen sind nicht abschließend[2], erfassen jedoch die in der Praxis bedeutsamsten Fälle.
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