[2]
Hufen , VwProzR, 11. Aufl. 2019, § 26 Rn. 5.
b) Die Erfüllung der materiellen Voraussetzungen
111
Zudem müssen die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sein. Hier liegt regelmäßig ein Prüfungsschwerpunktbei einer Verpflichtungsklage. Insbesondere ist hier das materielle Prüfprogramm für die Erteilung einer Baugenehmigung abzuarbeiten[1].
[1]
Hierzu Will , ÖffBauR, 2019, Rn. 625 ff.
112
Liegen die Anspruchsvoraussetzungen vor, so ist abschließend auf die Spruchreife einzugehen. Sie knüpft an die eingangs genannte Unterscheidung zwischen gebundenen Entscheidungen und Ermessensentscheidungen an (s.o. Rn. 102). Bei gebundenen Entscheidungenspricht das Gericht nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO die Verpflichtung der Behörde aus, den Verwaltungsakt zu erlassen. Bei Ermessensentscheidungenwird hingegen nach § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO die Verpflichtung ausgesprochen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden[1]. Zu beachten ist, dass die Spruchreife auch dann vorliegt, wenn ein an sich gegebenes Ermessen auf Null reduziert ist[2].
113
In der Klausurpraxis besonders häufig anzutreffen sind Verpflichtungsklagen, welche auf die Erteilung einer Baugenehmigunggerichtet sind. Dabei handelt es sich grundsätzlich um eine gebundene Entscheidung. Dies gilt auch für sog. nicht privilegierte Vorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 BauGB. Hier deutet zwar der Wortlaut auf ein Ermessen hin („können“). Vor dem Hintergrund der in der Eigentumsgarantie verankerten Baufreiheit wird hier jedoch überwiegend eine Ermessensreduzierung auf Null angenommen[3]. Darüber hinaus stehen die Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB und die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde. Daher ist hier oftmals keine Spruchreife gegeben. Allerdings belässt bei der Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB die umfangreiche Prüfung auf der Tatbestandsebene lediglich geringe Spielräume für ein verbleibendes Ermessen[4].
[1]
Schenke , VwProzR, 17. Aufl. 2021, Rn. 911 ff.
[2]
Zu dieser Figur Peine/Siegel , AllgVerwR, 13. Aufl. 2020, Rn. 218.
[3]
Ziekow , in: Sodan/Ziekow, GK ÖR, 9. Aufl. 2020, § 76 Rn. 21 mwN.
[4]
Peine/Siegel , AllgVerwR, 13. Aufl. 2020, Rn. 227 mwN.
2. Teil Repetitorium im Verwaltungsprozessrecht› 3. Kapitel Rechtsbehelfe in der Hauptsache› C. Die (allgemeine) Feststellungsklage
C. Die (allgemeine) Feststellungsklage
114
Teil 1: Sachentscheidungsvoraussetzungen der (allgemeinen) Feststellungsklage
1. |
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs – § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO |
2. |
Die Feststellungsklage als statthafte Verfahrensart – § 43 Abs. 1 VwGO |
3. |
Subsidiarität gegenüber Gestaltungs- und Leistungsklagen – § 43 Abs. 2 VwGO |
4. |
Verfahrensartabhängige Sachentscheidungsvoraussetzungen a) Feststellungsinteresse – § 43 Abs. 1 VwGO b) Klagebefugnis – § 42 Abs. 2 VwGO |
5. |
Sachliche, instanzielle und örtliche Zuständigkeit des Gerichts – §§ 45 ff. VwGO |
6. |
Beteiligtenbezogenen Sachentscheidungsvoraussetzungen – §§ 61 ff. VwGO |
7. |
Ordnungsgemäße Klageerhebung – §§ 81 ff. VwGO |
8. |
Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis |
9. |
Fehlen der Rechtshängigkeit und einer rechtskräftigen Entscheidung |
Teil 2: Begründetheit einer Feststellungsklage
1. |
Obersatz |
2. |
Passivlegitimation |
3. |
Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses bzw. Nichtigkeit eines Verwaltungsakts |
II. Erläuterungen zum Aufbauschema – Sachentscheidungsvoraussetzungen
1. Zur Statthaftigkeit der Feststellungsklage
a) Bestehen/Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses (§ 43 Abs. 1, 1. Alt. VwGO)
115
Mit einer allgemeinen Feststellungsklageerreicht der Kläger, dass das Verwaltungsgericht die Frage beantwortet, ob zwischen den Parteien ein bestimmtes Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht. Unter einem Rechtsverhältnis versteht man die auf einem konkreten Sachverhalt beruhende (öffentlich-)rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder einer Sache[1]. Dabei muss es sich um ein hinreichend konkretes Rechtsverhältnishandeln. Demgegenüber sind abstrakte Rechtsfragen nicht der Feststellungsklage zugänglich[2]. Eine abstrakte Rechtsfrage wäre etwa, ob es für den Betrieb einer Gaststätte allgemein einer Erlaubnis bedarf (vgl. § 2 GastG). Ein konkretes Rechtsverhältnis wäre hingegen betroffen, wenn streitig ist, ob eine ganz bestimmte Gaststätte der Erlaubnispflicht unterliegt. Schließlich liegt auch bei rein tatsächlichen Belangen, wie etwa dem Vorliegen einer Unzuverlässigkeit nach § 35 GewO, kein Rechts verhältnis vor.
116
Auch die Gültigkeit bzw. Ungültigkeit einer Norm bildet ein nicht feststellungsfähiges abstraktes Rechtsverhältnis. Anders verhält es sich, wenn geklärt werden soll, ob bestimmte Pflichten oder Rechte dieser Norm in einem bestimmten Einzelfall zu beachten sind[3]. Dieses Phänomen wird häufig auch als „heimliche Normenkontrolle“bezeichnet[4]. Ihr steht nicht entgegen, dass ein Landesgesetzgeber von der Möglichkeit nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO keinen Gebrauch gemacht hat, die prinzipale Normenkontrolle für weitere Rechtsverordnungen und Satzungen zu eröffnen (s.u. Rn. 156). Denn streitig ist in diesen Fällen gerade nicht die allgemeine Gültigkeit der Norm, sondern ein auf ihr beruhendes Rechtsverhältnis.
117
Damit der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, muss es sich darüber hinaus um ein durch öffentliches Recht begründetes Rechtsverhältnis handeln. Feststellungsfähig sind auch Teile eines Rechtsverhältnissesund über gegenwärtige Rechtsverhältnisse hinaus auch vergangene oder künftige Rechtsverhältnisse[5]. Bei letzteren ist aber umso genauer darauf zu achten, ob das Rechtsverhältnis noch bzw. schon hinreichend konkret ist und ob ein berechtigtes Interesse an der Feststellung vorliegt (s.u. Rn. 122).
[1]
Schenke , VwProzR, 17. Aufl. 2021, Rn. 405.
[2]
Zur Abgrenzung mit Beispielen Hufen , VwProzR, 11. Aufl. 2019, § 18 Rn. 11.
[3]
Ziekow , in: Sodan/Ziekow, GK ÖR, 9. Aufl. 2020, § 101 Rn. 4.
[4]
Hufen , VwProzR, 11. Aufl. 2019.
[5]
Ziekow , in: Sodan/Ziekow, GK ÖR, 9. Aufl. 2020, § 101 Rn. 5.
b) Nichtigkeit eines Verwaltungsakts (§ 43 Abs. 1, 2. Alt. VwGO)
118
Darüber hinaus kann mit einer Feststellungklage gemäß § 43 Abs. 1, 2. Alt. VwGO auch die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden. Zwar sind Verwaltungsakte, welche nach § 44 VwVfG nichtig sind[1], gemäß § 43 Abs. 3 VwVfG unwirksam. Allerdings entfaltet auch ein unwirksamer Verwaltungsakt einen Rechtsschein, der mittels einer Nichtigkeitsfeststellungsklagebeseitigt werden kann. Darauf, dass vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG auch bei nichtigen Verwaltungsakten eine Anfechtungsklage als zulässig erachtet wird, wurde bereits hingewiesen (s.o. Rn. 79).
Читать дальше